Clemens Schminke: „Das Heimweh ist immer da”

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Die Entscheidung war nicht leicht“, erinnert sich Anna-Maria Agmon an die Zeit ihrer Scheidung. Das war 1980. Mit ihrem Mann Abraham und ihren beiden Töchtern lebte sie in Rom, wo er an der israelischen Botschaft beschäftigt war. Sollte sie nach Israel zurückkehren oder nach Deutschland? Sie entschied sich für den Nahen Osten: „Ich wollte nicht, dass meine Kinder entwurzelt aufwachsen.“ Israel sei nun einmal ihre Heimat gewesen. Als Immigrantin kannte und kennt sie das Gefühl der Entwurzelung. „Ich lebe seit mehr als 40 Jahren mit Unterbrechungen in Israel, und es ist wunderbar. Aber ich fühle mich nicht zu Hause“, sagt die 67-Jährige. „Und was noch schlimmer ist: Auch in Deutschland bin ich nicht zu Hause, obwohl das Heimweh immer da ist. Ich wollte, dass das meinen Kindern erspart bleibt.“

Seit elf Jahren ist Anna-Maria Agmon nun für die Öffentlichkeitsarbeit des Hadassah University Hospitals tätig im West-Jerusalemer Stadtteil Ein Kerem. Ihre Aufgabe ist es, ausländische Besucher durch die renommierte Klinik zu führen, eine der größten im Nahen Osten. Die Einrichtung ist auch deshalb bekannt, weil Marc Chagall die zwölf Fenster der Synagoge gestaltet hat. Die Besichtigung ist ein Muss für alle Gäste. „Auch aus Deutschland werden es nach der Intifada wieder mehr“, freut sich Anna-Maria Agmon. Die Betreuung solcher Gäste belebt die Verbindung zu Deutschland, wo sie zuletzt vor sieben Jahren war; in Köln wohnen zwei Cousinen, zu denen sie Kontakt hält.

1940 wurde Anna-Maria Agmon in Köln geboren. Bald zog die Familie nach Hoffnungsthal, wo das Einzelkind bis zum Alter von 15 Jahren aufwuchs. „Das Leben auf dem Land war schön“, sagt sie. Der allgemeine Mangel in der Nachkriegszeit habe auch etwas für sich gehabt: „Keiner hatte viel zu essen und anzuziehen, alle waren gleich.“ Zurück in Köln, half sie im Büro der Israelmission aus, der Handelsvertretung des jüdischen Staates in Deutschland, die ihren Sitz in Ehrenfeld hatte. Mit 17 ging sie nach London, machte dort Abitur, studierte Geschichte und Englisch und arbeitete nebenher in einem Krankenhaus als Putzhilfe und Köchin. Weil ihre Mutter starb, kehrte sie 1959 nach Köln zurück, um dem Vater zur Seite zu stehen. In der Israelmission, wo sie erneut mitarbeitete, lernte sie ihren späteren Mann kennen. Abraham Agmon stammte aus Berlin; seine Eltern, sein Bruder und andere Angehörige waren im Holocaust umgekommen. Anna-Maria Agmon konvertierte zum Judentum, und 1960 heiratete das Paar; zwei Jahre später kam die erste Tochter zur Welt. Vier Jahre lang, bis 1968, lebte die Familie in Israel, danach in Bonn, wo Abraham Agmon Generalkonsul an der israelischen Botschaft war. Inzwischen war die zweite Tochter geboren. 1976 folgten zwei Jahre in Israel, bis die vierköpfige Familie nach Rom zog.

Nach der Rückkehr nach Jerusalem ging Anna-Maria Agmon verschiedenen Tätigkeiten nach und lebte in einer neuen Partnerschaft. Durch Bekannte kam sie an das Hadassah-Krankenhaus, das jemanden suchte, der Deutsch sprach und auswärtige Besucher betreuen sollte. Die 67-Jährige hat mittlerweile so prominente Gäste wie den Dalai Lama, Hillary Clinton, Jane Fonda, Richard Gere, Arnold Schwarzenegger, die Begum Aga Khan und Bundespräsidentengattin Eva Köhler durch die Klinik geführt, in der Juden, Christen und Araber zusammenarbeiten und deren oberste Maxime ist, alle Patienten gleich zu behandeln. „Das ist ganz nach meinem Geschmack“, sagt Anna-Maria Agmon. In den 90er Jahren trat sie in die Meretz-Partei ein, die sich für Bürgerrechte, die Gleichstellung der Frau, Wahlreformen und religiösen Pluralismus einsetzte und sich 2004 mit einer anderen Gruppierung zur Yachad-Partei zusammengeschlossen hat. „Es kommen auch Patienten aus Ländern hierher, mit denen wir nicht mal diplomatische Beziehungen haben“, erzählt Anna-Maria Agmon. „Und wir hatten schon so absurde Situationen, wo ein Terrorist und ein Attentatsopfer nebeneinander in der Traumastation lagen. Ist der Terrorist schwerer verletzt, wird er natürlich zuerst behandelt.“ Unbeirrbar setzt sie auf Verständigung zwischen Juden und Arabern: „Im Kleinen kommen wir gut miteinander aus, warum sollte das nicht auch sonst gehen.“ Obwohl sie nun schon lange in Jerusalem wohnt, ist ihre israelische Lieblingstadt das moderne, weltlichere Tel Aviv, seit 1979 Kölns Partnerstadt. „Tel Aviv ist mediterran. Und die Mentalität der Menschen ist leichter. Vielleicht gefällt mir das, weil ich aus Köln komme.“

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