Nicht schon wieder

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Ich mag nicht drüber nachdenken, mag es eigentlich gar nicht wissen, möchte es nicht persönlich nehmen, aber ich kann mir nicht helfen. Der neuerliche Versuch der britischen Akademiker, Israel offiziell zu boykottieren, ist brutal und verletzend und kränkend und gemein. Ich weiß von Freunden, die die Boykott-Mentalität schon zu spüren bekommen haben, auch wenn er offiziell nicht nicht beschlossen und auch umstritten ist. Britische Zeitschriften lehnen Artikel von israelischen Autoren ab, Museen kooperieren nicht, britische Wissenschaftler kommen nicht mehr zu Konferenzen in Israel und laden keine Israelis mehr ein.

Ich fahre gleich los an die Uni. Jeder, der schon mal an der Uni Haifa war, hat gesehen, wie selbstverständlich dort arabische und jüdische Studenten, Christen, Moslems, Tscherkessen, Drusen, alle miteinander studieren, lehren, Kaffee trinken. Ich sage ja immer, ich glaube nicht, daß man an einer deutschen Uni so viele verschleierte Studentinnen sieht wie bei uns. Niemand redet dem anderen rein, es ist egal, woher jemand kommt, wie er heißt. Viele arabische Studenten sind die ersten ihrer Familie, die eine akademische Ausbildung machen. Die Uni bietet ihnen besondere Unterstützung, auch mithilfe deutscher Freunde. Studenten egangieren sich in Projekten, Araber und Juden zusammen.

Ich selbst bin ja Ausländerin, Nichtjüdin, und kann bezeugen, daß das niemandem etwas ausgemacht hat. Mir nicht, anderen nicht. Man hört so viele Sprachen auf dem Campus, Hebräisch, Arabisch, Amharit, Russisch, Englisch, Griechisch. Wie man so eine Einrichtung boykottieren kann, die viel egalitärer ist als viele deutsche Unis, die sich so sozial engagiert, die so aktiv für Gleichberechtigung und Pluralismus eintritt, eine Uni, an der A.B. Yehoshua, Fania Oz-Salzberger und viele andere außergewöhnliche Menschen unterrichten, an der Sammy Smooha einige der interessantesten Analysen des arabisch-israelischen Zusammenlebens abliefert, ob bequem oder unbequem – eine Uni, deren Forschungsdekan Araber ist – das geht einfach über meinen Verstand.

Und es ist ja nicht so, als würden die britischen Akademiker über eine lange Liste Länder abstimmen, mit denen sie die Beziehungen abbrechen, eine Liste, auf der sich Syrien, China, Burma, Nordkorea, Pakistan, Saudi-Arabien, was weiß ich, Länder mit bekannten Problemen befinden. Und daß sich auf dieser Liste auch Israel findet. Nein nein, es wird NUR gegen Israel vorgegangen.

Getreu der UN-Devise, daß die israelischen Verbrechen so ungeheuerlich sind, daß man zu gar nichts anderem Zeit hat. Wer hat schon Zeit, sich um Darfur zu kümmern, wenn die Israelis sich mal wieder gegen Raketenbeschuß wehren? noch dazu mit gezielten, kleinteiligen Militäraktionen oder wirtschaftlichen Maßnahmen statt mit Flächenbombardierung? Unerhört. Da muß sofort eine Resolution heraus!

Oh, und wir wollen gar nicht erst daran denken, daß es die britische Kolonialpolitik war, die uns den Ärger hier erst eingebrockt hat. Wir wollen auch nicht daran erinnern, daß die Briten jüdische Flüchtlinge zurück in den Holocaust geschickt haben und somit die Seite Nazi-Deutschlands gegen die Juden genommen haben. Nein nein, daran darf man nicht denken, ebensowenig wie man fragen darf, mit welchem Recht Großbritannien Gibraltar besetzt hält, Nordirland, oder warum es für die Falklandinsenln in den Krieg gezogen ist. (Der geographische und historische Bezug ist jedenfalls dünner als die Beziehung der Juden zu Jerusalem, das seit mehreren tausend Jahren Dreh- und Angelpunkt jüdischer Identität ist…) Aber so kleinlich wollen wir gar nicht sein…

Ich sollte mich über diese bodenlose, blinde und haßerfüllte Ungerechtigkeit nicht ärgern, die irgendwelche britischen Dozenten dazu führt, Jahr um Jahr zu versuchen, die Uni Haifa speziell herauszupicken und mit dem Boykottsiegel zu versehen. Ich sollte aus meinem Kopf den Chor verbannen, der immer monoton schreit: Deutsche, wehrt euch… aber er will nicht stillwerden.

Die Ohrfeigen, die wir einstecken, während wir hier Angriffswelle um Angriffswelle hinter uns bringen, die töten uns nicht. Aber sie tun weh. Mir zumindest.

Nicht schon wieder

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