Ägypten Nach 27 Jahren unter Präsident Mubarak herrscht politische Stagnation «Fundamentalisten profitieren»

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In Ägypten scheint Präsident Hosni Mubarak die Machtübergabe an seinen Sohn Gamal vorzubereiten. Politisch stagniert das Land am Nil. Das Regime setzt weiterhin auf massive Repression.
«Die Quelle ihres Ansehens sind die Leistungen unserer Präsidenten», sagt Walid Kazziha in seinem kleinen, lichtdurchfluteten Büro. Der Professor für politische Wissenschaften unterrichtet an der American University von Kairo. Gamal Abdel Nasser, betont der 62-jährige Wissenschaftler, habe die Briten aus Ägypten vertrieben, den Suezkanal verstaatlicht und den Assuandamm gebaut. Anwar al-Sadat öffnete den Suezkanal, führte den Oktoberkrieg, gewann die Sinai-Halbinsel zurück und schloss Frieden mit Israel. «Und Hosni Mubarak?», fragt Kazziha rhetorisch, lächelt und schweigt für einen Moment. Über die Leistungen des «Rais» (Präsidenten) sollten wir andere fragen. An seiner Universität würden freie Meinungsäusserungen schon lange nicht mehr geschätzt. Der Druck auf Professoren und Studenten nehme jeden Monat zu.
«Nachfolge lähmt das Regime»
Auf der Suche nach einer Antwort auf Kazzihas Frage landen wir bei Hala Mustafa. Die Herausgeberin der Vierteljahreszeitschrift «Al-Dimuqratija» (Die Demokratie) lässt sich an ihrem geräumigen Arbeitsplatz im Hochhaus des staatlichen Al-Ahram-Instituts von Strauss-Walzern berieseln. Unsere Fragen beantwortet die attraktive Frau überraschend offen. Sie gehört zu den jungen Wilden der in Ägypten regierenden National-Demokratischen Partei (NDP). «Was wir seit sieben Jahren erleben, ist die völlige Stagnation», betont Hala Mustafa. Die Nachfolgeregelung lähme das Regime. Auch der 42 Jahre alte Gamal Mubarak, der einzige Sohn des Präsidenten und – trotz Dementi der Regierung – wahrscheinliche Kandidat für die Nachfolge, habe keine politischen, sondern nur einige wirtschaftliche Akzente setzen können. Anstatt sich für die Umsetzung einer Reform-Agenda einzusetzen, marschiere er mit der alten Garde, die für den Stillstand und damit für Rückschritt verantwortlich sei. Als der «Donau»-Walzer im Hintergrund erklingt, wird die «Al-Dimuqratija»-Herausgeberin noch deutlicher. «Weder in Ägypten noch in anderen Teilen der arabischen Welt gibt es gegenwärtig Demokratie.» Das habe dazu geführt, dass «die einzige Alternative zu den herrschenden Diktatoren die Theokratie geworden ist».
Verschärfte Repression
«Ohne es zu wollen», meint Ibrahim Eissa, «bereite das Mubarak-Regime der Muslimbruderschaft den Boden.» Trotz verschärfter Repression profitierten die Fundamentalisten mittel- und langfristig von der politischen Stagnation im Land. Der Chefredaktor der liberalen Tageszeitung «Al-Dustur» (Die Verfassung) hatte im Sommer über den angeblich ernsten Gesundheitszustand des ägyptischen Präsidenten berichtet. Wegen übler Nachrede und der Verbreitung falscher Gerüchte muss er sich deshalb vor Gericht verantworten. Ihm droht eine zweijährige Haftstrafe.
Hosni Mubarak selbst versuchte sich auf dem zurückliegenden Kongress seiner NDP als starken Führer zu präsentieren. Angesichts der wachsenden Kritik an seiner Politik aus dem In- und Ausland verbat sich der «Rais» mit scharfen Worten jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Mit allen Mitteln werde er dafür sorgen, dass die «Souveränität und Unabhängigkeit des Landes beschützt werde». Nach Beobachtungen westlicher Diplomaten wirkte Mubarak während seiner Auftritte durchaus fit. Den stärksten Beifall der 6000 Delegierten erhielt der 79-Jährige, als er den Aufbau der zivilen Atomkraft ankündigte, um die Energieversorgung der 75 Millionen Einwohner zählenden Nilrepublik zu sichern.
Milliarden für Atomtechnologie
Als «Atompräsident» wolle sich Mubarak ein Denkmal setzen, glaubt George Isaq von der oppositionellen «Kifaya»-Bewegung. Tatsächlich sei der Einstieg in die Atomenergie eine gefährliche Entscheidung. Anstatt die vorhandenen alternativen Energiequellen wie Wind, Wasser und Sonne weiterzuentwickeln, mache sich die Regierung mit der Atomkraft vom Ausland abhängig. Während sein Volk am Rande des Existenzminimums vegetiere, verschleudere Mubarak Milliarden für eine äusserst fragwürdige Technologie, behauptet der koptische Oppositionsführer in seinem Büro in der Kairoer Innenstadt.
Die Regierung müsste ganz andere Akzente setzen, glaubt auch der Politologe Walid Kazziha. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes ergäben eine «sehr explosive Mischung». Das Land stehe am Rande einer Krise, deren Ausbruch nur dann vermieden werden könne, wenn das Regime die Sorgen und Nöte der Menschen endlich anspreche.

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