Wahied Wahdat-Hagh: Iran: Wenn der islamische Gottesstaat demokratische Studenten foltert

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Trotz der massiven staatlichen Repressionen bildet sich immer wieder neuer gesellschaftlicher Widerstand im iranischen Gottesstaat. Neben den regelmäßig protestierenden Arbeiter-, Lehrer-, und Frauengruppen, sind Stimmen aus der iranischen Studentenbewegung zu hören.

In den 80er Jahren wurde die gesamte systemfremde Opposition auch an den Universitäten verboten. Die islamische Kulturrevolution sorgte damals dafür, den Staatsapparat, die Gesellschaft, und die Universitäten von nicht-khomeinistischen Kräften zu „säubern”. Mit Ahmadinejad ist dieser revolutionäre Anspruch erneuert und verstärkt worden. Dennoch diversifiziert sich die studentische Demokratiebewegung. Es gibt royalistische, nationalbürgerliche, sozialdemokratische und auch sozialistische Gruppen, die den herrschenden Islamismus überwinden wollen.

Trotz der staatlichen Repressionen melden sich sogar neue Gruppen zu Wort, wie die „sozialistischen Studenten der polytechnischen Fakultät der Teheraner Universität”. Deutlich kristallisieren sich die Differenzen zwischen säkularen Kräfte und muslimischen Organisationen heraus. Kayvan Amiri Elyasi berichtet, muslimische Organisationen hätten schon „linke” Studenten gewarnt, diese mögen „nicht zu weit zu gehen.”

Die Diktatur sägt an ihren eigenen Ästen

Nicht nur neu entstandene säkulare Organisationen werden verfolgt, sondern auch die islamische reformorientierte Opposition wird unter Druck gesetzt. Ihre akademischen Schriften werden zensiert. Reformorientierte Professoren werden von den Universitäten hinausgeworfen. Frauen, die es mit der Kleiderordnung an Universitäten und in der Gesellschaft nicht so ernst nehmen, werden verhaftet. In einem Artikel kritisiert Elyasi, die „Herrschenden” würden keine unabhängige studentische Organisation dulden. Sogar kulturelle Verbände würden permanent verboten werden. Sie würden als „eine Gefahr für die Existenz der herrschenden Verhältnisse wahrgenommen werden.” Daher geht Elyasi davon aus, dass nur ein „kollektives bewusstes Handeln die herrschenden Zustände ändern könne.” Und genau deswegen verfolge wiederum die Regierung das Ziel „die studentischen Aktionen zu zersetzen.”

Studenten kritisieren die muslimischen Reformer

Elyasi gehört einer neuen „linken” studentischen Gruppe an. Diese werden zu einer Zeit besonders aktiv, zu der die Repressionen sehr zugenommen haben. Elyasi kritisiert die muslimischen Reformkräfte. Diese müssten wissen, dass sie von unzufriedenen Teilen der Gesellschaft bald überholt würden. Zumal die demokratische studentische Bewegung, die sogenannten Reformkräfte negieren würde. Für Elyasi umfasst die demokratische Bewegung eine Bandbreite, die weit über seine studentische Gruppe hinausgeht. Gemeint sind säkulare Gruppen, die sich für eine säkulare Demokratie einsetzen, im Gegensatz zu islamistischen Gruppen, die die Diktatur im Namen von „Reformen” stabilisieren.

Schon im Jahre 1999, als die Studentenbewegung auf den iranischen Straßen zerschlagen wurde, habe die Reformbewegung sehr wohl wahrgenommen, dass ihre Feinde die Masse der demokratisch orientierten Bevölkerungsteile seien und „nicht ihre alten Höhlenfreunde.” Mit den „Höhlenfreunden” meint Elyasi wohl die bärtigen Staatskleriker des Iran. Die Kritik von Elyasi macht die tiefe Kluft zwischen potentiell vorhandenen säkularen Kräften und den Reformislamisten deutlich.

Reformislamisten sind ein Hindernis für die Demokratiebewegung

Elyasi kommt zu dem Ergebnis, dass die Reformislamisten ein Hindernis für die Erreichung der Ziele der Demokratiebewegung seien. Prinzipiell hofften die Reformislamisten bei Wahlen auf die Unterstützung der politisierten Teile der Gesellschaft. Elyasi meint, die „Reformer” haben einen paradoxen politischen Zustand herbeigeführt, gemeint sind Ex-Präsident Khatami, Mehdi Karrubi und andere.

Diese Kräfte verfolgten eine Strategie, die nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr aufgehen könne. Die „Reformer” würden letztlich vorschlagen, bei den kommenden Wahlen erneut die „Schlechten zu wählen, um das Schlimmste zu vermeiden.” Will heißen, dass die „Reformer” gewählt werden wollen, um den Status quo der Diktatur zu erhalten. Ihr Ziel sei, die Reformer wieder an die Macht kommen zu lassen.

Reformislamistische Strategie ist ein Teil der Unterdrückungspolitik

Elyasi zufolge würden die „Reformer” ein Bild entwickeln, wonach Ahmadinedschad allein an der Unterdrückung der Studenten schuld sei. Tatsächlich habe das islamische Regime als Ganzes die Befürchtung, dass im Falle der kleinsten gesellschaftlichen Öffnung die Proteste der Arbeiter, der Frauen, der Lehrer, der Studenten, der ethnischen Minderheiten und der Jugend erneut entflammen würden. Dies würde eine Polarisierung mit sich bringen, die alle herrschenden muslimischen Faktionen um jeden Preis vermeiden wollten. Daher würden sowohl die sogenannten „Hardliner” als auch die „Reformer” eine massive Unterdrückung der Demokratiebewegung befürworten.

Für Elaysi ist die „Reformstrategie ein Teil der Unterdrückungspolitik.” Die Reformpolitiker hätten nichts anderes zu tun, als die unzufriedenen Bevölkerungsteile zum „Schweigen aufzurufen.” Die Machthaber würden versuchen die Studenten zu isolieren. Diese litten ohnehin unter großen finanziellen Probleme und haben kaum die Chance ihre Meinung zu äußern.

Amir Jaqubali, ebenfalls ein iranischer Student, warnt indessen vor einer zweiten Auflage der „Kulturrevolution”. Es gäbe das staatliche Bestreben die Basis der Bassiji-Studenten an den Universitäten und in den Schulen zu stärken. Die Bassiji-Einheiten sind freiwillige Einheiten, die dem Befehl der iranischen Armee untergeordnet sind.

Studentischer Bericht über die Zustände in Gefängnissen des iranischen Gottesstaates

Eine iranische Menschenrechtsgruppe berichtet indessen über Foltermethoden, die gegen Studenten eingesetzt werden. Die Studenten würden in kleine und dunkle Zellen gesteckt. Nur eine schwache Lampe sei Tag und Nacht an, so dass das Zeitgefühl verloren ginge. Besonders in der Abteilung 209 eines Gefängnisses des iranischen Geheimdienstes hätten die verhafteten Studenten keine Möglichkeit, mit ihren Freunden und Verwandten in Kontakt zu treten. Man würde ständig Drohungen aussprechen und vom Verrat ihrer Freunde erzählen, um ihren Widerstandswillen zu brechen. Wenn sie irgendwo hingeführt würden, dürften sie nicht aufrecht gehen. Sie müssten sich weite Strecken und sogar über Treppen im „Hühnergang” hockend fortbewegen. Studenten, die nichts anderes als Meinungsfreiheit und Demokratie gefordert haben, müssten Augenbinden tragen, wenn sie ins Badezimmer oder auf die Toilette geführt werden. Nur in der Einzelhaft dürften die Augenbinden abgemacht werden.

Manchmal müssen sie bei Verhören über 8 Stunden einfach an der Wand stehen. Um Angst zu erzeugen, würden über Lautsprecher beispielsweise Herzklopftöne oder stöhnende Stimmen die ganze Nacht gesendet werden. Gefoltert werde meist in nahe liegenden Zellen, so dass die anderen Studenten die Schreie ihrer Freunde hören. Manchmal würden ein Student oder eine Studentin gleichzeitig von mehreren Folterbeamten verhört werden, die abwechselnd schreien, harte Schläge erteilen und die Person hin und her werfen.

Manchmal würden die Verhöre mitten in der Nacht stattfinden. Die Studenten würden aus dem Schlaf geweckt, direkt ins Verhörzimmer geführt und über mindestens eine Stunde geschlagen. Und falls ihnen der Kontakt mit Familienangehörigen für etwa zehn Minuten gewährt würde, sei stets ein Geheimdienstmitarbeiter anwesend.

Dr. Wahied Wahdat-Hagh ist Senior Research Fellow bei der European Foundation for Democracy

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