Lukas Lehmann: Antisemitismus-Alarm – Antisemitismus und Antizionismus auf frischer Tat ertappt

Israel-Debatte: "Je schuldiger die Juden, desto unschuldiger die Deutschen" - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Kultur
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*Neben all Ihren hübschen Spitzen gegen mich finde ich in Ihrem Text eine bemerkenswerte und höchst diskussionswürdige Passage: die, in der Sie erklären, warum Israel Ihrer Meinung nach in seiner Existenz heute umfassender bedroht ist. Darüber sollten wir mal jenseits aller Polemik diskutieren.
Darüber, ob diese existentielle Angst vor Terror und dem Mann in Teheran in diesem Ausmaß berechtigt ist. Oder ob eher eine andere Macht Israel gefährden kann – nämlich Israel selbst, durch seine Besatzungspolitik und seine, auch nukleare, Über-Rüstung, durch seine Haltung “uns ist die Welt egal, sie ist ja ohnehin gegen uns”.
Meinen Sie wirklich, was Sie da schreiben: “Die Welt mag (nur) tote Juden”? Ist das nicht eine Obsession? Und noch eine Kernfrage: Wie hart dürfen/können/sollen Deutsche denn die israelische Politik kritisieren? Ich habe geschrieben, dass die Garantie des israelischen Staates durch die Deutschen nicht nur eine Selbstverständlichkeit sei, sondern eine politische Grundvoraussetzung. Sie nannten das abschätzig ein “Lippenbekenntnis”. Ich könnte mir vorstellen, hätte ich diesen Satz nicht geschrieben, wäre er von Ihnen eingefordert worden, nach dem Motto: Er kriegt nicht einmal hin, diese Worte auszusprechen.

[…]

*Sie schreiben: “Kein Mensch wird durch Leiden in einen moralischen Ritterstand erhoben, auch nicht die Juden” – genauso ist es. Deshalb ist es auch großer Quatsch, von den durch erlittene Pein angeblich geläuterten, “sensibilisierten” Juden einen höheren Menschenrechtsstandard zu verlangen als von Angehörigen anderer Nationen. Aber auch der Umkehrschluss ist richtig:Aus dem früher erlittenen Leid erwächst nicht der Anspruch, sich internationalen Maßstäben und Normen entziehen zu dürfen. Israel aber spielt permanent die internationale Primadonna. Jeder Uno-Beschluss zur Siedlungspolitik eine Zumutung, jeder Rot-Kreuz-Bericht zu Menschenrechtsverletzungen “kriminell einseitig”.
Glauben israelische Politiker diesen Unsinn? Oder steigern sie sich in die Opferrolle absichtlich hinein, um sich nicht an ihren eigenen demokratischen Maßstäben messen zu müssen?
Wir kommen immer wieder in unserer Diskussion zu der Frage zurück: Wann nimmt Kritik an Israel antisemitische Züge an? Wer entscheidet das? Und ich darf noch eine neue Frage hinzufügen: Unterscheidet sich Antisemitismus von anderen Formen des Fremdenhasses, insbesondere vom Hass auf alles Islamische? Wenn Sie Israel Menschenrechtsverletzungen durchgehen lassen, die man anderswo anprangern würde, beispielsweise den Einsatz von Streubomben oder auch nur das Ausgrenzen der Gaza-Bevölkerung, wenn Sie Israel also sonderbehandeln – fördern Sie dann nicht den Antisemitismus?
Ich war in Dachau und Jad Vaschem. Von der empfundenen Scham kann mich keiner erlösen. Von der nichtempfundenen Schuld muss mich keiner erlösen. Also bitte: Es mag den von Ihnen bemühten (Selbst)Erlösungsantisemitismus ja geben, aber kleben Sie ihn mir nicht an. “Wer Jude ist, bestimme ich!”, hat Karl Lueger, der antisemitische Bürgermeister von Wien vor hundert Jahren gesagt. Nun drehen Sie bitte nicht den Spieß um und sagen: “Wer Antisemit ist, bestimme ich.”

via spiegel.de (Markierungen* wurden von mir hinzugefügt – LL)

Erich Follath (1949), in Schwaben geborener Sohn von Ungarn-Deutschen, müsste es eigentlich besser wissen: als 19 Jähriger reiste er erstmals nach Israel, um dort sechs Wochen lang in einem Kibbuz zu arbeiten. Als Journalist schrieb er Titelgeschichten zu Israel und interviewte Politiker wie Schimon Peres und Benjamin Netanjahu.

In seinem Briefwechsel mit Henryk M. Broder, welcher im Spiegel veröffentlicht wurde, zeigt er allerdings ein anderes Bild von sich – das Bild des antizionistischen Israelhassers, zu dessem Werkzeug traditionelle Floskeln und Vorurteile wie oben stehende gehören.

Er behauptet, dass Israelkritik auf Grund des Holocausts ein Tabu wäre. Zudem sei die permanente Existenzangst Israels nicht Resultat einer Bedrohung von Fremdvölkern wie dem Iran, sondern eigene Schuld, die aus der kriminellen und arroganten Politik Israels resultiere und -überspitzt gesagt- früher oder später die Existenz des eigenen Staates koste.

Die Schuld an sich liegt aber nicht nur bei Israel allein, sondern auch an den Freunden des Staates, die Kritik verschleiern und dort nicht ausüben, wo sie doch berechtigt wäre – bei Menschenrechtsverletzungen und z.B. während des Gaza-Kriegs.

Eine typische Floskel der Sühne zu dem zuvor Gesagten folgt am Schluss: “Ich war in Dachau und Jad Vaschem. Von der empfundenen Scham kann mich keiner erlösen. Von der nichtempfundenen Schuld muss mich keiner erlösen.” Man möchte fragen: Ist der Besuch von Holocaustgedenkstätten also eine Art Bußgang für die eigenen antizionistischen bzw. antisemitischen Einstellungen? Follath beantwortet diese Frage für sich selbst: “Wer Antisemit ist, bestimme ich.”

Lukas Lehmann: Antisemitismus-Alarm – Antisemitismus und Antizionismus auf frischer Tat ertappt

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