“Frieden in Nahost ist möglich”

Interview mt Avi Prilor
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REUTLINGEN/HERZLIYA. Avi Primor ist eine wichtige Stimme für die deutsch-israelische Verständigung. Der frühere Botschafter Israels in Deutschland (1993 bis 1999) kehrte nach seinem diplomatischen Dienst nach Israel zurück und leitet dort eine private Universität. GEA-Redakteur Roland Bengel hat mit ihm gesprochen.
GEA: Herr Primor, an allem sind die Juden schuld…

Avi Primor: und die Radfahrer…

Warum die Radfahrer?

Primor: Warum die Juden?

Der kurze Dialog basiert auf einem Buch, das Sie zusammen mit Christiane von Korff geschrieben haben und ich danke Ihnen sehr, dass Sie die Szene unabgesprochen so spontan mitgespielt haben. Aber jetzt im Ernst: Was müssen wir tun, um gegenseitige Vorurteile abzubauen?

Primor: Wir müssen einander kennenlernen. Wenn Menschen Vorurteile haben ? und das haben wir alle ? kann man sie nur bekämpfen, indem man das mit Vorurteilen belegte Objekt kennenlernt.

Woher kommen die Vorurteile gegen Juden?

Primor: Sie kommen daher, dass Juden eine Minderheit waren, die man nicht wirklich verstanden hat. Die Juden haben sich zum Christentum nicht bekannt, weil sie ihrer Religion treu geblieben sind. Man hat deshalb gefragt: Was machen die Juden in ihrer Synagoge? Warum sind die Juden anders als all diejenigen, die in die Kirche gehen? Diese Haltung führte zum Verdacht: Wer weiß, was sie da vorbereiten, was für eine Verschwörung ist das. Der Verdacht schürt die Angst und die Angst schürt den Hass.

Gilt das auch bezüglich anderer Religionen, die in der Minderheit sind?

Primor: Ja, ich schließe da niemanden aus.

Nimmt der Antisemitismus in Europa wieder zu?

Primor: Ich glaube es nicht. Und ich widerlege diese These. Es gibt Gründe dafür, dass es viele Menschen so glauben. Aber in Wirklichkeit geht der Antisemitismus Schritt für Schritt zurück. Das haben wir belegt mit Recherchen, Meinungsumfragen und vielen Gesprächen.

Ein anderes Buch, das Sie geschrieben haben, hat den Titel: »Frieden in Nahost ist möglich.« Was sind die Bedingungen dafür?

Primor: Die Grundlage des Nahostkonflikts ist die Tatsache, dass man einander nicht akzeptieren wollte. Zunächst wollten die Palästinenser und die arabische Welt insgesamt einen jüdischen Staat im Nahen Osten nicht akzeptieren. Sie wollten nicht nur keinen jüdischen Staat haben, sie waren auch davon überzeugt, dass sie den jüdischen Staat wenn nicht im Keim ersticken, so ihn doch im Nachhinein aus dem Nahen Osten wegfegen können. Solange sie daran glaubten, hatten sie keinen Grund, mit diesem Staat Frieden zu schließen. Nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 hat plötzlich die Mehrheit der israelischen Bevölkerung daran geglaubt, dass die Gebiete, die wir im Laufe dieses Krieges besetzt haben, in unserem Besitz bleiben sollten. Sie sagten, das ist das Kernland der jüdischen, biblischen Königreiche, also ein Bestandteil des jüdischen Erbes.

Steht die Besatzung des Westjordanlandes einem Friedensvertrag entgegen?

Primor: Wenn wir daran glauben, dass wir auf das Westjordanland nicht verzichten wollen, dann kann es keinen Ansatzpunkt geben, um Frieden mit den Palästinensern zu schließen. Denn das bedeutet vor allem die Entstehung eines Palästinenserstaates. Und wo soll dieser Staat entstehen, wenn nicht im Westjordanland? Das war der Grund, warum es eine echte Friedensverhandlung nicht gab. Deshalb haben wir immer nur über Nebensächlichkeiten gesprochen.

Haben sich die Palästinenser mit der Existenz eines jüdischen Staats abgefunden?

Primor: Die Mehrheit der Palästinenser und die Mehrheit der arabischen Regierungen haben sich damit abgefunden. Deshalb gibt es aus deren Sicht einen Ansatzpunkt für Friedensverhandlungen.

Nicht jedoch bei den Israelis…

Primor: In Israel gab es auch eine große Änderung. Die Mehrheit der israelischen Bevölkerung glaubt nicht mehr, dass wir das Recht haben, das Westjordanland zu behalten. Wenn aber die Mehrheit davon ausgeht, dass wir uns vom Westjordanland trennen müssen, sollen und wollen, dann gibt es auch auf dieser Seite einen Ansatzpunkt, um Friedensverhandlungen anzukurbeln.

Welche Chancen geben Sie solchen Friedensverhandlungen?

Primor: Ich behaupte, dass Frieden im Nahen Osten möglich

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