Rechte Gewalt – Antisemitische Gewalt steigt

Europaweit mehren sich Vorurteile. Straftaten nehmen zu
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Rechte Gewalt – Antisemitische Gewalt steigt
Feindbild Judentum. Julius H. Schoeps Lars Rensmann. Published by Verlag Berlin-Brandenburg, 2008. EUR 24,90 pp.516

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/spezial/dossiers/rechte_gewalt/103236/index.php

BERLIN. Entgegen dem Trend vergangener Jahre gibt es seit 2000 europaweit eine Zunahme antisemitischer oder antijüdischer Vorurteile. Die Bereitschaft, solche Vorurteile öffentlich zu äußern, ist in kurzer Zeit gestiegen. So würden gerade junge Europäer, das Wort “Jude” ungeniert als Schimpfwort gebrauchen. Zu diesen Ergebnissen kommen die Autoren des Buches “Feindbild Judentum”, das jetzt in Berlin vorgestellt wurde. Die Vergleichsstudie in zwölf europäischen Ländern hatte das Moses-Mendelssohn-Zentrum in Auftrag gegeben.

Fast 40 Prozent der Europäer sind danach der Meinung, dass Juden aufhören sollten, sich wegen des Holocausts als Opfer zu sehen. Und 39 Prozent der Italiener sagen, dass Juden “eine besondere Beziehung zum Geld” hätten. Vielfach äußert sich die Ablehnung des Judentums in überzogener Kritik am Staat Israel. So vergleichen 39 Prozent der Europäer Israels Verhalten gegenüber den Palästinensern mit der einstigen Apartheidpolitik Südafrikas. Die Hälfte der Schweizer geht davon aus, dass Israel einen “Vernichtungskrieg” gegen die Palästinenser führe. In etlichen Ländern ist den Forschern zufolge eine Zunahme antisemitischer Straftaten festzustellen, in Frankreich etwa bis 2007 um 62,4 Prozent. Insgesamt haben ein Fünftel der Europäer manifest antisemitische beziehungsweise antijüdische Vorurteile. Hinzu kommen noch latent vorhandene negative Einstellungen. Wie Mitautor Lars Renmanns sagte, stehe eine dringend notwendige Untersuchung über den Antisemitismus in den verschiedenen Migrantengruppen dabei noch aus.

Für den Historiker Julius Schoeps handelt es sich beim Antijudaismus um eine “kollektive Bewusstseinskrankheit”. Deshalb seien der Aufklärung deutliche Grenzen gesetzt. Antisemitismus und die Judenfeindschaft gehörten zum “integralen Bestandteil der europäisch-christlichen Kultur”.

Vor diesem Hintergrund müsse es möglich sein, über antijüdische Bemerkungen wie in den Standardwerken von Wilhelm Busch oder in ganzen Passagen des Neuen Testaments zu diskutieren. Andreas Nachama von der Berliner Topographie des Terrors sagte, selbst wenn es eine Lösung des Nahostkonfliktes geben würde, ließe sich das Problem nicht lösen: “Antisemitismus ist auch ohne Juden möglich.”

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Feindbild Judentum:
Antisemitismus in Europa, Lars Rensmann/Julius Schoeps, 516 Seiten, 24, 95 Euro.

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