“Die Wodaks” – eine Rezension von Ruth Contreras

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“Die Wodaks” – eine Rezension von Ruth Contreras
Die Wodaks - Exil und R�ckkehr. Bernhard Kuschey. Published by Braumueller Wilhelm, 2008. EUR 0,53 pp.384

Bernhard Kuschey ist es gelungen, mit dieser Doppelbiographie anhand umfangreicher Studien historischer Dokumente, Briefe und zum Teil sehr persönlich gehaltener Berichte von Zeitzeugen nicht nur das persönliche Schicksal zweier Menschen nachzuzeichnen, deren Leben durch Faschismus und Krieg und Rückkehr zahlreiche Brüche aufweist. Er vermittelt auch ein sehr genaues Bild von den politischen und sozialen Hintergründen, die für eine ganze Generation, für die Verfolgung, Exil und Rückkehr in das postfaschistische Österreich prägend war und die auch für die Nachfolgegenerationen bis in die Gegenwart von Bedeutung sind.

Der junge aus bürgerlichem, religiösem jüdischem Haus stammende Walter Wodak fand früh den Weg in die sozialistische Jugendbewegung, wo er vor allem in der VSM (Vereinigung sozialistischer Mittelschüler) und später im VSSTÖ (Verband Sozialistischer Studenten Österreichs) aktiv war. In beiden Organisationen hatte die jüdische Jugend einen stärkere Bedeutung als in der Sozialdemokratischen Arbeiterjugend (SAJ).

Auch wenn ¾ der Wiener Juden der Sozialdemokratie in den letzten Jahren der ersten Republik ihre Stimme gaben, war auch in der Sozialdemokratie die Problematik des Umganges mit dem jüdischen Anteil ihrer Mitglieder spürbar.

Während der austrofaschistischen Diktatur war Walter Wodak in der illegalen freien Angestelltengewerkschaft tätig, die den Sturz des austrofaschistischen Regimes zum Ziel hatte. Aus Wodaks Memoiren wird die widerstandslose Selbstaufgabe Österreichs belegt.

Wodak flüchtete über Italien und Jugoslawien – dem Land aus dem seine erste Frau Erika stammte nach England. Dieser ersten Ehe entstammen zwei Kinder.

Erna Mandel, Walter Wodaks zweite Frau, stammt aus einer orthodoxen jüdischen Familie Ihr Vater, Aaron Löw Mandel war der erste Rabbiner der 1895/96 errichteten Synagoge in der Humboldtgasse in Favoriten.

Emil Mandel, der 19 jährige Medizinstudent und Bruder Ernas wurde 1929 Opfer von antisemitischen Exzessen bei einer Vorlesung des jüdischen Professors Julius Tandler am ersten Anatomischen Institut der Wiener Universität. In der Folge stirbt Aron Löw Mandel durch Aufregung an Herzversagen.

Erna, die öffentliche Schulen besuchte, musste miterleben, wie Mitschülerinnen sich plötzlich als illegale Nazis deklarierten

Der Tod des Vaters dürfte einer der Gründe gewesen sein, warum Erna Mandel sich nach der Matura dem Chemiestudium und nicht der Theologie widmet.

Erna Mandel flüchtete 1939 über Triest und Paris nach London und konnte in England ihr Chemiestudium abschließen und war auch als Chemikerin tätig. Die Laufbahn einer erfolgreichen Wissenschafterin stellte sie zugunsten der späteren Karriere Walter Wodaks als Diplomat zurück.

Das österreichische sozialistische Exil

Großbritannien war 1940 das letzte europäische Land, das nicht von Nazideutschland besetzt war und daher den Kampf gegen Nazideutschland führen konnte. Walter Wodak war, wie viele der österreichischen EmigrantInnen in Großbritannien im Widerstand gegen Nazideutschland aktiv, wo er unter anderem am von England aus betriebenen Sender Rotes Wien tätig war, der durch Nachrichten aus dem Ausland den Widerstand gegen die Naziherrschaft unterstützen sollte. Schließlich wurde Wodak, wie viele andere sozialdemokratische Emigranten in die britischen Streitkräfte integriert, wo er im Army Education Corps tätig war.

Der Hitler-Stalin-Pakt löste bei Wodak eine Abwendung von der Radikalisierung nach links aus.

Der Abschnitt über Walter Wodaks Aktivitäten im Exil enthält im Anhang zahlreiche Kurzbiographien, von Emigranten.

Rückkehr

1945 wurde Wodak Mitglied der Alliierten Kommission- ACA (BE) (Alliierte Commission Austria – British Element) und war mehrere Monate in Rom stationiert, bevor er endlich nach Wien kam. Aus dieser Zeit verwendet Kuschey einen Briefwechsel Wodaks mit seiner Frau Erna, in England.

Er und andere der aus dem Exil Zurückgekehrten sahen sehr bald ihre beschränkten Möglichkeiten der Integration in die politische Arbeit im postfaschistischen Österreich. Die im Land gebliebenen Sozialdemokraten, die dem rechten Flügel angehörten, bestimmten die Innenpolitik, während den zurückkehrenden Emigranten die Bereiche Journalismus und Außenpolitik vorbehalten waren. Oskar Pollak wurde nach dem Krieg wieder Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung. Walter Wodak bemühte sich in der Vermittlung der Interessen der provisorischen österreichischer Regierung Renner und der Britischen Labour-Regierung und setzte so die Anfänge seiner Karriere als bedeutender Diplomat der zweiten Republik.

Die Verhältnisse im postfaschistischen Österreich werden für die Remigranten zum Problem. Die Gräuel der Shoah sind nur schwer fassbar. Im April 1948 beginnt die Entnazifizierung. Die überwiegende Mehrheit der NSDAP-Mitglieder wird rehabilitiert und damit wahlberechtigt. 1949 erfolgt aus wahltaktischen Überlegungen die Gründung des Verbandes der Unabhängigen – ein Sammelbecken ehemaliger Nazis – und Vorläufer der Freiheitlichen Partei.

Probleme der zweiten Generation mit der „Rückkehr“ werden in einem Bericht über Ruth Wodak’s Schulzeit in Wien angedeutet.

Die vorliegende Doppelbiographie bemüht sich die vielen Aspekte des Lebens einer Generation darzustellen, die wo immer sie Teile ihres Lebens verbrachte, aktiv in die Zeitgeschehen einzugreifen versuchte. Fragen der Akkulturation, des Umganges von Menschen mit jüdischen Hintergrund mit Antisemitismus werden aufgeworfen. Kuschey weist in seinem Schlusswort auf offene Fragen und fehlende Untersuchungen etwa zur Bedeutung zionistischer Naturwissenschaftlerinnen hin – Chaim Weizmann – Doktorvater von Erna Wodak- und während dieser Zeit mit der Ersatzstoffforschung beschäftigt, war von 1949 bis 1953 der erste israelische Präsident.

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