Wahied Wahdat-Hagh: Irans “Go East”-Strategie

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Die „Islamische Republik Iran“ ist ein demokratischer Staat, behauptet der iranische Professor Dr. Abbas Maleki. Er verteidigt die im Iran herrschende Staatsideologie des Messianismus. Der Iran meine es ernst mit dem Widerstand gegen Israel und mache auch keine Kompromisse in Bezug auf das Uran-Anreicherungsprogramm. Heute droht die iranische Regierung mit dem Abbruch der Zusammenarbeit mit dem Westen.

Dr. Abbas Maleki ist Professor an der Teheraner Scharif-Universität. Er war zwischen 2006-2008 Senior Research Associate an der Harvard Universität. Er hält international Vorträge, auch in Deutschland.

In einem Artikel, der am 9.2.2009 in der iranischen Zeitung Jamejam erschien, verteidigte Dr. Abbas Maleki zunächst die islamische Revolution, geführt von Ayatollah Khomeini. Die islamische Revolution, die er auch als eine iranische bezeichnet, signalisiere das Ende der klassischen Revolutionen und weise auch keine Ähnlichkeiten mit den anderen Revolutionen auf. Generell haben Revolutionen bestimmte Merkmale wie Änderungen bei den herrschenden Schichten in einer Gesellschaft. Die islamische Revolution von 1979 sei die letzte große soziale Revolution in der Welt gewesen.

Historische Ereignisse, die der Islamischen Revolution vorausgingen

Dr. Abbas Maleki geht auf eine Reihe von antikolonialen Bewegungen ein, die die islamische Revolution von 1979 beeinflusst haben. Dazu zählt er den Tabakaufstand (1891-92), die konstitutionelle Revolution von 1905, die Nationalisierung des Öls, den von Khomeini geführten Aufstand im Juni 1963 und schließlich die islamische Revolution von 1979.

Bei dem Tabakaufstand handelte es sich um Proteste gegen die Vergabe von billigen Tabak-Konzessionen an einen britischen Unternehmer zum Anbau und Vertrieb von Tabak. Bei der konstitutionellen Monarchie handelte es sich um den historischen Versuch der Einführung einer parlamentarischen Monarchie.

Dr. Abbas Maleki hat einen sehr engen Blick, wenn es um die Faktoren geht, die, wie er sagt, das iranische Denken beeinflussen. Interessant ist, dass er nicht von Menschenrechten und Demokratie spricht, auch wenn diese in der gesamten iranischen Geschichte seit der konstitutionellen Revolution eine Rolle gespielt haben, aber sicher nicht bei Ayatollah Khomeini und den islamistischen Machthabern, die Dr. Maleki verteidigt.

Nationalistische und religiöse Elemente der Revolution

Prof. Maleki erinnert daran, dass Iraner „Arier“ seien. Dabei gibt es nur eine menschliche Rasse.
Er hebt auch hervor, dass der Iran ein Vielvölkerstaat sei und dass die Schia seit dem Iran des sechzehnten Jahrhunderts eine besonders wichtige Rolle in der iranischen Geschichte gespielt habe. Auch Ayatollah Khomeini sei ein Nationalist gewesen, zumal er sich dagegen ausgesprochen habe den persischen Golf in „islamischen Golf“ umzubenennen.
Die Kunst der islamischen Revolution sei es gewesen, nationalistische und islamische Elemente miteinander zu verbinden.

Es sollte hier festgehalten werden, dass Khomeini für Maleki kein Diktator gewesen ist und die islamische Revolution nicht in eine Diktatur, sondern in eine Demokratie geführt hat.

Führung der Unterdrückten der Welt, die islamische Identität und die Ummat

Die islamische Revolution, die eine „Widerspiegelung des Islam“ sei, habe “alle Unterdrückten [„Mostasafin“] der Welt“ angesprochen, die Revolution als Vorbild zu nehmen. Dieses Thema stehe mit der Vorstellung der „islamischen Ummat“ in Verbindung. Er schreibt: „Ein weiteres Element der Lehre der islamischen Revolution des Iran ist die Führung der Unterdrückten gegen die arroganten Mächte.“

Die islamische Revolution des Iran wolle zu den „goldenen Zeiten der islamischen Zivilisation zurückkehren.“ Daher sei die Revolution im Iran sowohl eine „traditionelle als auch eine moderne Revolution gewesen“ und unterscheide sich von der französischen und der russischen Revolution.

Wer ist heute der militärische Stellvertreter des Propheten?

Wie fundamentalistisch Prof. Maleki denkt, zeigt sein Verständnis von der Legitimität der islamischen Herrschaft. Dr. Abbas Maleki hebt hervor, dass der Imam, d.h. der Revolutionsführer „nicht nur alle juristischen und exekutiven Vollmachten besitzt, sondern auch der militärische Stellvertreter des Propheten ist.“ Zudem sei der Imam – gegenwärtig Ayatollah Khamenei – auch in der geistigen Dimension ein Nachfolger des Propheten. In der Shia bekomme die Herrschaft nur dann eine Legitimität, wenn diese mit den zwölf Imamen verbunden sei. Maleki liefert sogar Beispiele dafür, dass Schiiten immer wieder gegen islamische Staaten revoltiert haben, wenn diese keine schiitische Legitimation besaßen.

Revolutionsexport ist das Hauptziel der iranischen Außenpolitik

Das Selbstverständnis des Kampfes gegen „nicht legitime“ Herrschaft macht auch die Legitimität des Exports von Terror deutlich.

Prof. Maleki schreibt nicht über Waffenlieferungen und Unterstützung von terroristischen Bewegungen. Er liefert die scheinbar saubere Ideologie des Terrors.

Dr. Abbas Maleki schreibt: „Der Export der Revolution oder anders gesagt die Einladung der ganzen Welt die Grundlagen der Revolution kennen zu lernen ist das Hauptziel der iranischen Außenpolitik.“

Der iranische Universitätsprofessor erkennt gleichzeitig, dass die „Völker der islamischen Staaten den Ideen der iranischen Revolution nicht gefolgt sind.“ Er vermutet auch einen Grund dafür: Die Regierungen dieser islamischen Staaten sollen einen Wandel ihrer Gesellschaften nicht erlaubt haben, schreibt er. In Bahrain und Libanon seien beispielsweise Führer der schiitischen Bewegung verhaftet worden. In Saudi-Arabien sei jede antiamerikanische Bewegung unterdrückt worden. Auch in Kuwait seien Schiiten verhaftet worden.

Der iranische Professor schreibt nicht darüber, ob die von iranischen Revolutionsgardisten geführten Schiiten in Kuwait proiranische Aufstände organisieren wollten, ein bekannt gewordener Fakt. Auch bezieht er nicht mit ein, dass vom Iran unterstützte militante schiitische Bewegungen, aber auch nicht-schiitische, den Friedensprozess im Mittleren Osten seit 30 Jahren destabilisieren und blockieren.

Das Modell der iranischen Revolution

Dr. Maleki hebt hervor, dass die libanesische Hisbollah die einzige Macht gewesen sei, die „in der bisherigen Geschichte Israels geschafft hat diesen Staat mit Gewalt von den arabischen Gebieten zu verjagen.“ Darauf seien „alle Araber stolz“.

Maleki ist sich sicher, dass Irak und Afghanistan unter einem sehr positiven Einfluss des Iran stünden. Der iranische Professor weiß auch, dass der „Marxismus in dem Museum der politischen Geschichte der Welt einen Platz gefunden hat“. Er erinnert auch daran, dass Ayatollah Khomeini einen Brief an Ex-Präsident Gorbatschow geschrieben hatte. Wenig später sei die Sowjetunion zusammen gestürzt. Maleki schreibt: „Das iranische Modell war für aktive regionale Muslime ein wichtiges Motiv. Sie sahen, dass sie nicht alleine mit ihren Sorgen standen und dass ihre Sorgen nicht unlösbar waren.“

Die amerikanische Hegemonie schwächen, Israel Widerstand leisten und Uran anreichern

Iran wolle seine nationalen, regionalen und internationalen Interessen mit größten Vorteilen durchsetzen. Prof. Maleki schreibt: „Das internationale System ist reaktionär.“

Maleki sagt, dass der Iran mit vielen internationalen Ereignissen Schritt halte, aber sich keineswegs den Verhaltensnormen der internationalen Gemeinschaft verpflichtet fühle.

In der Tat verfolgt der Iran genau diese von Maleki beschriebene Politik, wenn die universellen Menschenrechte beispielsweise uminterpretiert, islamisiert und ausgehöhlt werden.

Der Iran sei zwar aktiv in internationalen Gremien, betont Dr. Maleki. Aber der Iran meine es beispielsweise „ernst mit seinem Widerstand gegen Israel.“ Zudem versuche der Iran soweit wie möglich die „amerikanische Hegemonie zu schwächen.“

Iran meine es auch ernst, wenn etwas eindeutig den Vorstellungen des Islam widerspreche, beispielsweise „Prophetenbeleidigung.“

Auch im „Falle der Urananreicherung widerspricht der Iran eindeutig der Weltöffentlichkeit,“ hebt Maleki hervor. Er gibt zu, dass die islamische Revolution eine ideologische Revolution gewesen sei. Die iranische Außenpolitik müsse eine „Mischung von Realismus und Idealismus sein.“

Viertes Jahrzehnt der Revolution und der Messianismus (Mahdaviat)

Dr. Maleki weiß, dass die Zukunft nicht vorhersehbar ist, aber der Messianismus weise in die Zukunft. Es muss hier erklärend hinzugefügt werden, dass in der Schia die apokalyptische Vorstellung eines zurück kehrenden 12. Imam existiert. Wenn er zurückgekehrt sei, werde er mit Hilfe der Muslime eine letzte Schlacht gegen die Ungläubigen der Welt führen und dann werde der Islam die Welt beherrschen.

Aber gewiss, Dr. Maleki will eine realistische Strategie mit dieser schiitischen Vorstellung vereinbaren.

Er schreibt: „Der Messianismus ist eine Idee mit globalen Effekten, die schließlich die Welt trotz aller Erscheinungen des Verfalls, der Zwietracht und des Materialismus zu einer einheitlichen Weltregierung und zu einer sicheren und freien Gesellschaft führen wird. Die Politik der Revolution im Sinne des Messianismus wird jede ähnlich orientierte Bewegung weltweit und in der Region unterstützen.“ Deswegen brächten die Europäische Union, die Afrikanische Union (AU) oder die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und andere ähnliche Zusammenschlüsse „keine negative Botschaft für die iranische Revolution mit sich.“
Die Erwartung eines Messias werde die „revolutionäre islamische Bewegung stärken und den Weg für jede äußerliche Bedrohung sperren.“

Die Frage sei erlaubt, ob es ihm nur um den Machterhalt der totalitären Diktatur des Khomeinismus geht, wenn er die Machtverhältnisse in der Welt erkennt.

Die islamische Revolution und das Weltdorf

Dr. Maleki erkennt gleichzeitig, dass die Welt infolge der „Revolution der Informationstechnologie“ kleiner geworden ist. Auch er spricht davon, dass die Welt sich zu einem „Weltdorf“ entwickelt habe. Dr. Maleki sieht Chancen für die „Ideen der Revolution“ in der kleiner werdenden Welt.

In der Vergangenheit habe manchmal die Erfolglosigkeit einer diplomatischen Maßnahme zum Krieg geführt. Aber heute sei es nicht mehr so einfach. Ein Krieg gegen einen Staat könne eine ganze Region oder die ganze Menschheit zerstören.

Die Entwicklung der Moderne mache dieser Logik zufolge die Idee der Islamisierung der Welt möglich. Kein Wunder, dass nicht die UN-Charta und die universellen Menschenrechtsnormen für den iranischen Professor eine Alternative sind, sondern die islamischen Gesetze, die ausgerechnet im Iran eine vermeintliche Demokratie ermöglicht haben.

Aufstieg der islamischen Demokratie und Untergang des Säkularismus

Dr. Maleki sieht vier Haupttendenzen in der Welt: Globalisierung, Regionalisierung, Demokratisierung und der Untergang des Säkularismus. Dr. Maleki sagt ernsthaft, dass der Iran im Mittleren Osten eine demokratische Ausnahme sei: „Die parlamentarische Demokratie ist im Iran eine lebende Wirklichkeit.“

Ernsthaft spricht Dr. Maleki von der „Ausweitung der subjektiven und gesellschaftlichen Freiheiten.“

Interessant ist auch welche Argumente Dr. Maleki für den Untergang des Säkularismus bringt: „Unglauben“ und die „Nicht-Beachtung von moralischen Werten“. Aber was versteht der iranische Professor unter moralischen Werten? Für Dr. Maleki ist explizit das Hören von Pop und Rockmusik ein Beweis für den „Zerfall der westlichen Gesellschaften“.

Dabei leidet die iranische Gesellschaft in einer extremen Form unter Prostitution und Drogensucht, von Folter, Vergewaltigung in den Gefängnissen und Massenhinrichtungen ganz zu schweigen.

Dr. Maleki sieht positiv in die Zukunft: Er ist der Meinung, dass nach den Terroranschlägen vom 11.9 viele junge Menschen in westlichen Gesellschaften zum Islam übergetreten seien, obwohl Amerika den Islam für den Terrorismus verantwortlich mache. Der iranische Professor übertrifft mit solchen Ansätzen einige Verschwörungstheoretiker.

„Iran muss neue Verbündete suchen“

Dr. Maleki schlägt der iranischen Regierung vor die politischen Realitäten in der Welt genauer zu erkennen. Zumal das „internationale System sich in einem Übergang befindet.“ Besonders müsse der Iran die Bedrohungen von außen und seine eigenen politischen Möglichkeiten besser erkennen und die adäquaten Strategien annehmen.

Maleki schlägt daher vor: „Iran muss neue Verbündete suchen“. Man solle nicht mehr auf die blockfreien Staaten, sondern auf die Regionalisierung setzen. Er schreibt: „Der Blick auf Asien kann die strategische Wahl der Zukunft des Iran sein.“ Iran, Russland, China und Indien könnten sich in Zukunft sehr viel mehr annähern.

Offenbar schlagen iranische Strategieplaner der iranischen Regierung “Go East” statt “Go West” vor.

Wahied Wahdat-Hagh: Irans “Go East”-Strategie

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