Wahied Wahdat-Hagh: Iran: Hasspropaganda als Krimi

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“THE WALL STREET JOURNAL online” berichtete euphorisch darüber, dass das iranische Staatsfernsehen eine Serie über die Verfolgung der Juden zeige. Fehlanzeige: Die iranischen Machthaber sind sehr wohl mit dieser Art der antiisraelischen Propaganda einverstanden.

Zu optimistisch

Seit einigen Wochen hocken Millionen Iraner montags um 22.00 Uhr vor dem „bärtigen Kasten” (so pflegen die Iraner das iranische Staatsfernsehen zu bezeichnen, denn man sieht oft nur Bärte von Klerikern). Sie schauen fern, nicht etwa um einem Vertreter des Staatsklerus zu lauschen, sondern um einem Krimi über die Judenverfolgung in den vierziger Jahren zu folgen.

Es war ausgerechnet THE WALL STREET JOURNAL online, das euphorisch darüber berichtete, dass das iranische Staatsfernsehen ja weder den Holocaust als Märchen bezeichne, wie der Präsident des Landes, noch die Verfolgung der Juden im Nationalsozialismus verleugne.
Farnaz Fassiihi, die Autorin dieses Artikels ist sogar der Überzeugung, dass Ali Khamenei, der iranische Staatsführer, Ahmadinedschads Worte nicht begrüßt habe.

Ein Liebesfilm?

Die Filmreihe spielt in den vierziger Jahren. Die 22-teilige Reihe über die europäischen Juden komme überraschend, schreibt Farnaz Fassihi in THE WALL STREET JOURNAL. „Zero Degree Turn” sei ein Film über die Liebe zwischen einem iranisch-palästinensischen Muslim Habib Parsa, der in Paris Philosophie studiert, und einer französischen Jüdin. Die Geschichte spielt in der Zeit, zu der Paris von Nazis besetzt war. Das Leben der jüdischen Geliebten des jungen iranischen Philosophen und deren Familie gerät in Gefahr. Der junge iranische Philosoph nutzt seine Kontakte und besorgt Pässe, damit einige Juden in den Iran fliehen können.

Interessant ist, dass es nach dem Film Kontakte zwischen dem Vater des iranischen Philosophiestudenten, der eine Zeit lang iranischer Diplomat in Jerusalem war, und dem Hitler-Fan Hajj Amin-Al-Husseini, angesehener Gast beim Hitler und Mufti von Jerusalem, gegeben habe. Die damaligen Beamten unter dem Schah von Persien hätten jedoch verhindert, dass der iranische Diplomat und Freund des Muftis von Jerusalem an einer Konferenz desselben Nazisympathisanten Hajj Amin-Husseini teilnahm.

Historisch ist es belegt, dass der Charge daffaires, Abdol Hussein Sardari, der in der iranischen Botschaft in Paris arbeitete, für über Tausend europäische Juden Pässe besorgte, damit sie vor den Nazis in den Iran fliehen konnten. Damals regierte der Reza Schah im Iran. Zwar leben etwa 25.000 Juden noch im Iran, aber über 100.000 Juden sind seit der islamischen Revolution aus dem Iran geflohen.

Ahmadinejad: „Ich leugne nicht den Holocaust”

Muslime helfen Juden – ein Thema für das Staatsfernsehen der Islamischen Republik? Warum nicht? Zumal das Judentum im Islam als eine Gesetzesreligion anerkannt ist, zumal auch die anerkannten religiösen Minderheiten sich der Scharia, dem Staatsgesetz unterordnen müssen.

Zunächst aber zurück zur Frage der hierzulande bekannt gewordenen „Holocaust-Leugnung”. Die iranischen Machthaber leugnen nicht die Ermordung der Juden im Nationalsozialismus. Sie relativieren ihn, wenn sie beispielsweise wie Präsident Ahmadinejad von einem „Märchen” sprechen.

Ahmadinejad sagte explizit in einem Interview: „Ich leugne nicht den Holocaust.” Vielmehr relativiert er den Holocaust, wenn er sagt: „Im zweiten Weltkrieg sind mehr als 60 Millionen Menschen gestorben. Zwei Millionen waren Militärangehörige. Die anderen waren einfache Bürger. Sie hatten sich am Krieg nicht beteiligt. […] Warum konzentrieren sie sich nur auf eine bestimmte Gruppe?”

Laut der im Iran erscheinenden Zeitung Partosokhan, vom 21. Februar 2007, hatte aber schon Ali Khamenei, der iranische Staatsführer, „kategorisch vom Märchen des Holocaust” gesprochen. Zudem habe Khamenei sich in seinem Freitagsgebet am 12.5.2000 wie folgt auf die französischen Revisionisten bezogen:

„Wenn schon jemand aufsteht und wie der Franzose einige Bücher gegen den Zionismus schreibt und es auch als eine Unwahrheit bezeichnet, dass Juden in Brennöfen verbrannt worden sind, behandeln sie ihn ganz anders als sonst. Wenn jemand unabhängig von den Kapitalisten und den kapitalistischen Zentren handelt, darf er weder sprechen, noch darf ihn jemand überhaupt hören. Für ihn gibt es keine Meinungsfreiheit. Jawohl. Die Kapitalisten sind frei. Sie können mit Hilfe ihrer Zeitungen, Radios und Fernsehanstalten sagen, was sie wollen. Eine solche Freiheit bringt keine Wertfreiheit. Diese Freiheit ist ein Anti-Wert.”

Das ist der O-Ton des iranischen Diktaturführers, Ali Khamenei. Kein Wunder, dass Ahmadinejad rund sechs Jahre später Neonazis nach Teheran einlud, die die Existenz von Brennöfen und die Vergasung von Menschen in Frage stellen sollten. Deswegen werden Khomeinisten keine Nazis. Der Islamismus ist eine totalitäre Ideologie, unterscheidet sich aber von der kommunistischen und der nationalsozialistischen Ideologie und ist daher eine dritte Form.

Kein Geringerer als Khatami kam Ahmadinejad prompt zur Hilfe und lieferte eine Erklärung für Ahmadinejads Ausbrüche: „Erstens habe ich nicht den Eindruck, dass Herr Ahmadinejad den Holocaust leugnet. […] Was ich von seinen Ausführungen verstehe, ist, dass wenn der Holocaust wahr ist, warum dann die Palästinenser die Entschädigung dafür zahlen müssen?”

In der Tat zeigten die iranischen Machthaber bei der Teheraner Holocaust-Konferenz ihre Nähe zu internationalen Faschisten und Nazis. Der Rassenwahn der Nazis ist doch eine Barriere für eine allzu große Koalition der Islamisten mit den Nazis, trotz der gemeinsamen Feinbilder: Demokratie, universelle Menschenrechte, Gleichberechtigung der Geschlechter und anderes. Islamisten instrumentalisieren das Thema, um gegen Israel zu hetzen.
Und die Mehrheit der iranischen Juden fühlt sich jedoch zu Recht diskriminiert, wenn ihnen jegliche Solidarität mit der jüdischen Heimatstätte und der einzigen Demokratie im Mittleren Osten, mit Israel als Verrat angerechnet wird. Sie müssen den antisemitischen Hass aushalten, wenn sie noch im Iran leben wollen.

Das größte Gefängnis für Journalisten im Mittleren Osten

Beabsichtigt das iranische Staatsfernsehen etwa dem Präsidenten eine Ohrfeige zu verpassen – im „größten Gefängnis für Journalisten”, wie die Organisation Reporter ohne Grenzen es schon oft festgestellt hat?
Nein, die unheilige Un-Logik des neuen islamischen Antisemitismus ist einfach: Wenn die Juden sich der islamischen Herrschaft ergeben, ist es gut. Aber ein jüdischer Staat, der die westliche Demokratie und Modernität mitten in der islamischen Welt repräsentiert, wird nicht geduldet, zumindest solange ein totalitäres islamistisches Gegenmodell des islamischen Gottesstaates mit der anachronistischen Gesetzgebung verfochten wird.

Im Zero Degree Orbit erfahren die Iraner, was sie wussten: dass die Juden während des zweiten Weltkrieges verfolgt wurden. Es sei daran erinnert, dass bereits in den 60er Jahren der antinazistische Film „Sounds of Music” im Iran über Jahre ein Kino-Hit war.

Antiisraelische Hasspropaganda: „Die zionistische Lüge”

In Zero Degree Orbit geht es vor allem um die „zionistische Lüge”. Der jüdische Staat ist die zionistische Erfindung, die verleugnet wird. Ein Staat, der infolge der Kollaboration zwischen Zionisten und den Nazis zustande gekommen ist. Beide Seiten hätten gemeinsam die Juden gezwungen nach Palästina auszuwandern. Zionisten töteten sogar einen iranischen Rabbiner in Paris, um die Juden zur Auswanderung in ihre ursprüngliche Heimat zu zwingen. Das erzeugt Hass, auch in der arabischen Welt und in Europa.

Eine verschwörungstheoretische perfide Milchmädchenrechnung ist es, wenn Millionen iranischen Fernsehzuschauern jeden Montagabend eingetrichtert wird, dass es Zionisten waren, die iranische Juden umbrachten, damit diese nach Palästina gehen. Unterm Strich wird Israel als ein Produkt der mit den Nazis zusammenarbeitenden Zionisten und den Nazis, die die deutschen Juden loswerden wollten, dargestellt.

Historische Fakten: Haavara-Abkommen

Das Haavara-Abkommen diente nicht der Kollaboration, sondern der Flucht vor den Nazis. Um der Flucht aus Deutschland geordnet zu organisieren, führten Repräsentanten der Zionistischen Vereinigung für Deutschland im Frühjahr 1933 Verhandlungen mit dem Reichswirtschaftsministerium. Im August 1933 wurde das sogenannte Haavara (Transfer)-Abkommen geschlossen: Juden, die das Nazi-Deutschland verlassen wollten, konnten ihr Vermögen bei einer der Transfer-Banken in Deutschen einzahlen. Palästinensische Importeure konnten von diesem Geld Waren aus Deutschland kaufen. Die Einträge erhielten die jüdischen Auswanderer in Palästina nach Abzug von Kosten. Es gab aber auch zionistische Gruppen außerhalb Deutschlands, die den internationalen Wirtschaftsboykott gegen NS-Deutschland unterstützten und das Abkommen bekämpften.

Zero Degree Orbit schürt auch den Hass gegen Juden und Israelis in Europa

Eine solche Filmserie ist nicht weniger als ein Teil der staatlichen Hasspropaganda einer totalitären Diktatur. Dumm gelaufen, dass THE WALL STREETS JOURNAL und einige deutsche Zeitungen geradezu dafür geworben haben, dass dieser Filmserie auch im Internet und im iranischen Satellitenkanal Jameh Jam, der obendrein über den europäischen Satelliten Hot Bird zu empfangen ist. Niemand sollte sich wundern, wenn der neue Antisemitismus auch in Europa ein immer größeres Problem wird.

Wahied Wahdat-Hagh: Iran: Hasspropaganda als Krimi

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