Wahied Wahdat-Hagh: Iran: Die zerrissene Gesellschaft

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Während einige Hundert Studenten auf einer Demonstration Demokratie und Menschenrechte forderten und Ahmadinejad als „Faschisten” bezeichneten, verbrannten am Al-Quds-Tag Tausende von Iranern israelische und amerikanische Fahnen.

Studenten protestieren für Demokratie und Menschenrechte

Eigentlich wollte Präsident Ahmadinejad mit den Studenten diskutieren. Sein Vorgänger hatte dies auch gewagt, und es endete in einem Eklat. Ahmadinejad sagte seinen Dialog mit den iranischen Studenten kurzfristig ab. Das empörte die Studenten. Auf Plakaten schrieben sie: „Wir haben auch Fragen, warum nur Columbia?” An der Columbia Universität hatte der Präsident Journalisten Fragen beantwortet. Seine Antworten waren für die iranischen Studenten „einfache Lügen”.

Wie BBC berichtete, riefen die Studenten der Teheraner Universität sogar „Tod dem Diktator”, „Marg bar Diktator”. Sie forderten auch die Freiheit der gefangenen Stundenten und protestierten gegen die Entlassung von kritischen Professoren.

Die islamische Diktatur im Iran bereitet sich gegen sich radikalisierende soziale Bewegungen vor und kündigte an, diese massiv zu bekämpfen. Der Teheraner Polizeichef kündigte neue Maßnahmen zur Gewährleistung der „sozialen Sicherheit” an.

Shirin Ebadi unterstützt die Studenten

Nicht ohne Grund arbeitet inzwischen Shirin Ebadi, Friedensnobelpreisträgerin, mit einer Gruppe von Studenten, die ein „Komitee zur Verteidigung des Rechts auf Ausbildung” gegründet haben. Allein von der Alame-Universität sollen in letzter Zeit 30 Studentenaktivisten exmatrikuliert worden sein, weil sie sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben.

„Kommunisten und Liberale”

Für die Bassiji-Studenten, Anhänger Ahmadinejads, sind die protestierenden Studenten, die Freiheiten für den Iran fordern, auch nur „Diener der Imperialisten” oder gar „Marxisten, Kommunisten und Liberale, die eins gemeinsam haben”: Sie würden nicht zur islamischen Kultur, Geschichte und Zivilisation gehören.

Der Revolutionsführer sprach mit den anderen Studenten

Statt Ahmadinejad traf sich gleich der Staatsführer, Ayatollah Khamenei, der „große Führer der islamischen Revolution” mit einigen Hundert auserwählten Studenten.

Khamenei weiß, dass viele Iraner das Konzept des Welayate Faqih, der Herrschaft des Klerus im Iran ablehnen, daher sagte er über „feindseliges Verhalten” scheinbar jovial: „Dagegen sein heißt Feindschaft, aber wenn jemand nicht an etwas glaubt, ist er nicht gezwungenermaßen dagegen.” Studenten sollten sich nicht feindselig verhalten, riet der „Revolutionsführer” den Studenten seines Landes.

Ahmadinejad wird immer unbeliebter

Ein iranisches Meinungsforschungsinstitut ist kürzlich zu dem Ergebnis gekommen, dass 53 Prozent derjenigen, die Ahmadinejad gewählt haben, schwer enttäuscht von ihm sind. Tatsächlich konnte Ahmadinejad nicht zeigen, dass seine Regierung auch nur willig ist „soziale Gerechtigkeit”, eine seiner Parolen, herzustellen. Von der Eindämmung der Inflation und der Arbeitslosigkeit und von der Gewährleistung von gesellschaftlichen Freiheiten ganz zu schweigen.

Al-Quds-Tag: Der Marsch der hassenden Masse

Präsident Ahmadinejad und die gesamte Palette der Politiker des islamischen Staates und die Masse der Anhängerschaft haben oft interne Differenzen über die für sie maßgebliche strategische Frage, wie der Islam die Welt erobern kann. Aber über eine Frage herrscht eine unerklärliche Einigkeit: Israel müsse zerstört werden. Deswegen mobilisiert der iranische Staat seit 28 Jahren die muslimischen Massen, um am Al-Quds-Tag für die Zerstörung Israels zu marschieren. Der Palästina-Israel-Konflikt wird ideologisch instrumentalisiert, um den Kampf zur Reislamisierung der islamischen Welt zu führen. Es geht den iranischen Politikern nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern um den „Sieg des Islam”. Gefordert wird, wie Präsident Ahmadinejad es betonte, fordert der Iran die „Befreiung des gesamten palästinensischen Gebietes”, das heist ein Großpalästina. Tausende marschierten in Teheran und in anderen iranischen Städten auf den Straßen und verbrannten US-amerikanische und israelische Fahnen. Sie riefen auch „Tod Frankreich”.

Aufschlussreich waren die Aussagen des iranischen Ex-Geheimdienstkoordinators Fallahian, der sich laut Urteil des Berliner Kammergerichts neben Ex-Präsident Rafsanjani einen Ruf für iranischen Staatsterrorismus im Falle des Mykonosattentats verschafft hat. Fallahian erinnerte an Khomeini, der schon im Jahre 1963 von „Israel als einem Krebsgeschwür” gesprochen hatte.

Der in manchen europäischen Staaten und unter Islamisten als „moderat” geltende Ex-Präsident Rafsanjani schlug in dieselbe Kerbe, wie der verstorbene Ayatollah Khomeini und Präsident Ahmadinejad. Rafsanjani ist der Meinung, dass die „Europäer das Problem des Zionismus gelöst haben.” Rafsanjani meinte, dass die Europäer im zweiten Weltkrieg erfolgreich die Zionisten vertrieben. Der „moderate” Rafsanjani sagte, dass die „Europäer die Zionisten vertreiben wollten, was zur Ursache des Unglücks der Palästinenser wurde.” Außerdem goss der „Moderate” Öl ins Feuer der islamischen Terrorbewegungen und verurteilte Friedenskonferenzen zwischen Israel und der palästinensischen Regierung. Friedenskonferenzen seien nur „Zeitverschwendung”.

Auch die reformorientierte Organisation des Präsidentschaftskandidaten Mehdi Karrubi forderte ihre Anhängerschaft auf, an der Hass-Demonstration teilzunehmen.

Ex-Präsident Khatami brachte seinen „Hass gegen die Unterdrücker” in einem „Gebet” zum Ausdruck, als ob er nicht wüsste, was die iranischen Studenten über den unterdrückerischen iranischen Staat denken würden. Und kein Geringerer als Rafsanjani machte deutlich, dass am Al-Quds-Tag die „islamische Einheit demonstriert” werden müsse.

Es geht um den neuen Totalitarismus, nicht um Israel

Wie gut kennen die Iraner eigentlich Jerusalem? Wie gut kennen sie die Al-Aqsa-Moschee? Erst vor wenigen Tagen musste das iranische Staatsfernsehen eingestehen, dass seit 28 Jahren Jahren ein falsches Bild der Al-Aqsa Moschee auf einem iranischen Geldschein abgedruckt ist. Die als die Al-Aqsa-Moschee deklarierte Moschee ist nicht die Al-Aqsa-Moschee. Seit 28 Jahren wollen die iranischen Machthaber Jerusalem befreien. Und erst jetzt merken die Iraner, dass sie ein falsches Bild von der Al-Aqsa-Moschee haben. Die iranischen Khomeinisten aller Schattierungen, Reformer und Hardliner, kämpfen jedoch weiter für die Reislamisierung der islamischen Welt und langfristig der ganzen Welt.

Europa sollte sich angesprochen fühlen, denn es geht nicht um Israel. Es geht um die Realisierung eines totalitären Herrschaftsmodells. Die iranischen Politiker scheren sich kaum um die Freiheit der Palästinenser, so wenig, wie die Freiheit des eigenen Volkes sie interessiert.

Es geht um die Durchsetzung eines totalitären Weltbildes der islamischen Herrschaft im 21. Jahrhundert, der Reislamisierung der islamischen Welt und der Kontrolle der islamischen Welt unter iranischer Führung. Es sei gestattet daran zu erinnern, dass die meisten arabischen Staaten eine iranische Atombombe mehr fürchten, als sie sich jemals von einer israelischen Bombe bedroht fühlten.

Wahied Wahdat-Hagh: Iran: Die zerrissene Gesellschaft

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