Tobias Ebbrecht (Potsdam/Berlin): Khatami, der „Dialog der Kulturen” und die europäische Kulturkollaboration

Redebeitrag bei der Kundgebung "Kein Dialog mit dem iranischen Regime! Für die Unterstützung der Opposition!" anlässlich des Besuches des iranischen Ex-Präsidenten Khatami am 25. und 27. Oktober 2008 in Wien
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Mohammad Khatami ist in Wien. Ihm folgt, wie überall in Europa, die verlogene Rede vom „Dialog der Kulturen“. Khatami ist ein Liebling Europas. Er ist einer der wichtigsten Architekten jener Appeasementpolitik, die bis heute die antisemitische, repressive und aggressive islamische Republik im Iran stützt. Europas Appeasment gegenüber dem Iran und seinen terroristischen Führern ermöglicht erst jene Vorhaben umzusetzen, die der gegenwärtige Präsident offen benennt, nämlich mit Hilfe einer islamischen Atombombe Israel von der Landkarte zu fegen. Auch der Vorgänger Achmadinedschads, Khatami, hat diese Politik betrieben, hat die Hizbollah aufgerüstet und die Hamas unterstützt, hat die Opposition im Land unterdrückt, die Studierendenproteste blutig niedergeschlagen und gleichzeitig im Westen den „Dialog der Kulturen“ gepredigt. Das hört man in Europa lieber als die Realität fortgesetzter Folter, öffentlicher Hinrichtungen, Geschlechtersegregation, antisemitischer Hetze und aktiver Unterstützung des Krieges gegen Israel wahrzunehmen.

Khatami gilt in Europa als Reformer. Als solcher hat er die Aufgabe, die unzufriedenen Teile der iranischen Bevölkerung wieder in das islamische Projekt zu integrieren. Für diese Aufgabe war er von Revolutionsführer Khamenei zum Präsidenten gemacht worden. Das zentrale Ziel seiner Regierung war die Festigung der islamischen Republik, wie sie von Khomeni begründet worden war. Nach Innen und nach Außen wurde dazu eine gewisse Öffnung signalisiert, deren Zweck innenpolitisch die Modernisierung des Systems im Einklang mit der islamischen Ideologie und nach außen ihr Schutz vor militärischem oder diplomatischem Druck war.

Ein zentrales Mittel, das auch heute noch von den iranischen Führern zur Absicherung ihrer antisemitischen und repressiven Politik genutzt wird, ist der iranisch-europäische Kulturaustausch, für den insbesondere Khatami verantwortlich zeichnete. In nahezu allen Wettbewerben der wichtigsten Filmfestivals Europas waren in den vergangenen Jahren immer wieder Beiträge aus der islamischen Republik zu sehen, selbst wenn sie – wie der Berlinale-Gewinner von 2006 Offside – im Iran verboten werden. Gefördert werden solche Filme dennoch von den staatsreligiösen Kulturinstitutionen. Denn Filme dienen im Westen als erfolgreiche Propaganda für die islamische Republik. Sie immunisieren gegen das abgewehrte Wissen um die barbarische Realität im Iran und sie entsprechen den Idealisierungen der iranischen Gesellschaft im Westen.

Von 1982 bis 1992 war Khatami Minister für islamische Führung und Kultur, unter dessen Dach die Zensur und Regulation der iranischen Kultur- und Filmproduktion stattfinden. Als Präsident regte er durch die Lockerung dieser Kontrollmechanismen eine Intensivierung der Kultur- und Filmproduktion an. In diese Zeit fällt die Hochphase des auch in Europa sehr beliebten iranischen Kunstkinos. Diese Filme eignen sich besonders für die Verschleierung der iranischen Wirklichkeit. Gleichzeitig kommunizieren sie jene Angebote, die das islamische Projekt auch für die Europäer attraktiv macht: die Abwehr der Zumutungen der Moderne, die Kritik an der westlichen Aufklärung, Antiimperialismus, Hass auf Geld und Wohlstand und die Glorifizierung von Verzicht und Opfer. Nur verstecken die iranischen Kunstfilme die Botschaft hinter schönen Bildern, malerischen Landschaften und bewegenden Schicksalen. Sie kommt, das zeigt der internationale Erfolg, trotzdem an.

Das iranische Regime nutzt den Kulturexport, um einerseits den antisemitischen und totalitären Charakter seiner Herrschaft zu verschleiern und andererseits regressive europäische Bedürfnisse, getarnt als „Kunst“, zu propagieren. Mit der Realität im Iran, unter der die Iranerinnen und Iraner täglich leiden, hat dies nichts zu tun. Im Gegenteil: die von Khatami und seinen Nachfolgern unterstützten iranischen Staatsfilmemacher werden im Westen als kritisch und subversiv hofiert. Auf diese Weise werden regimekritische Künstler innerhalb und außerhalb des Irans mundtot gemacht. Mit jedem vom iranischen Ministerium für islamische Führung und Kultur mitproduzierten Film, der auf der Viennale oder der Berlinale gezeigt wird, verraten die Europäer die iranische Opposition und legitimieren die antisemitische und repressive islamische Herrschaft im Iran.

Es war Khatamis Regierung, die im November 1998 drei oppositionelle iranische Autoren durch den Geheimdienst brutal ermorden ließ. Es war Khatamis Regierung, die die iranische Filmemacherin Tahmineh Milani im August 2001 verhaftete und anklagte. Ihr wurde vorgeworfen Kunst als Instrument zur Unterstützung gegenrevolutionärer Gruppen und deren Kampf gegen Allah zu missbrauchen. Unter Chatamis Regierung wurde der Film „Der Kreis“ über Frauen, die unter Schleierzwang und Übergriffen durch die iranischen Revolutionsgarden zu leiden haben, im Iran verboten, in Europa aber exportiert vom offiziellen iranischen Filmverleih gezeigt und als Zeichen der Reformen im Iran interpretiert. Es war in Khatamis Regierungszeit, dass die Fernsehserie „Breite: Null Grad“ konzipiert und produziert wurde, in der behauptet wird, jüdische Zionisten hätten mit den Nazis paktiert und die Juden Europas geopfert, um den Staat Israel zu gründen.

Film- und Kulturproduktion dient im Iran ausschließlich der Propaganda von Antimodernismus, Antisemitismus und Antizionismus, sowie zur Verschleierung der iranischen Wirklichkeit. Nachdem während der Revolution Kinos niedergebrannt und Filmvorführer öffentlich zusammengeschlagen und wegen Zeigens “vulgärer” Filme angeklagt worden waren, hatten sich die islamischen Revolutionäre schnell daran gemacht den Film zur Propaganda, aber auch zur Integration zu nutzen. Khatami hat dies fortgesetzt. Nicht nur auf der Höhe der technischen, sondern auch unter Verfeinerung der propagandistischen Möglichkeiten. Seine Freunde in Europa haben bereitwillig dabei mitgemacht und dem iranischen Kulturexport die nötigen Foren geboten.

Dagegen haben bei der Berlinale 2006 mehrere iranische Exilfilmemacher protestiert, als die Leitung der Filmfestspiele gleich sechs offizielle iranische Filme gezeigt hatte. Der Regisseur Mansour Ghadarkhah kritisierte dabei sehr deutlich: „Den so genannten kulturellen Dialog kann man nicht als Ausrede vorschieben, denn ein faschistisches Regime wie das des Iran beherrscht auch diesen Bereich komplett. Dabei lässt es sogar einige ‚Problemfilme’ zu, um ein Alibi dafür zu haben, dass doch keine Zensur herrschen würde.“

Diese wohl kalkulierten „Problemfilme“ dienen dazu den Dialog mit den Freunden der islamischen Republik in Europa zu fördern. Dafür steht Khatami, dafür stehen auch seine Nachfolger. Sie alle repräsentieren dieses „faschistische Regime“, das seine Gegner aufs Brutalste im In- und im Ausland verfolgt. Auch Künstler und Filmemacher stehen auf den Mordlisten des Regimes. Durch den kulturellen Dialog mit Khatami und Konsorten verrät Europa sie immer wieder aufs Neue. Darum muss die finanzielle Unterstützung iranischer Kultur mit europäischen Fördergeldern, der Besuch europäischer Theaterensembles im Iran und die ungebrochene Präsenz staatlich geförderter iranischer Filme auf europäischen Festivals endlich gestoppt werden. Kulturellen Austausch kann es nur mit der wirklichen Opposition in- und außerhalb des Irans geben. Ihnen sollten die Foren in den Kinos und Universitäten gehören, nicht dem verlogenen Propagandisten Khatami und seinen europäischen Förderern.

Tobias Ebbrecht (Potsdam/Berlin): Khatami, der „Dialog der Kulturen” und die europäische Kulturkollaboration

Redebeitrag bei der Kundgebung "Kein Dialog mit dem iranischen Regime! Für die Unterstützung der Opposition!" anlässlich des Besuches des iranischen Ex-Präsidenten Khatami am 25. und 27. Oktober 2008 in Wien
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