Christian Ultsch: Dumme Vergleiche mit dem Dritten Reich

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Kardinal Martino rückte den Gazastreifen in die Nähe eines KZs. Eine monströse Verzerrung.

Auch der Kardinalshut schützt nicht vor Torheit. In seiner Empörung über Israels Militäroffensive ließ sich der Menschenrechtsbeauftragte des Vatikan, Renato Martino, zu der Behauptung hinreißen, dass die Bedingungen im Gazastreifen immer mehr einem großen KZ ähneln. Das ist ein dummer Vergleich, aus mehreren Gründen.

Erstens verzerrt er monströs die Fakten: Die Nazis haben in ihren Konzentrationslagern vier Millionen Juden umgebracht. Der desolate Gazastreifen ist per se kein Gefängnis; Israel blockiert und bombardiert ihn nur dann, wenn es selbst angegriffen wird. Bei diesen Militäraktionen tötet Israels Armee bedauerlicherweise immer wieder auch Dutzende – ja hunderte – Zivilisten, aber nicht Millionen. Solche überzogenen Vergleiche sind deshalb, zweitens, kontraproduktiv, weil Israel vor lauter Entrüstung darüber die Kritik an seinem Verhalten gar nicht zur Kenntnis nimmt. Drittens sollen damit aus jüdischen Opfern Täter gemacht werden. Viertens verharmlosen sie den Holocaust – und paradoxerweise auch Israels Verfehlungen; denn neben dem Massenmord an den Juden wirkt jede israelische Völkerrechtsverletzung harmlos.

Doch vor bescheuerten Vergleichen sind auch israelische Politiker nicht gefeit; auch sie setzten bisweilen den Holocaust als rhetorische Waffe ein und etwa Jassir Arafat mit Adolf Hitler gleich. Vielleicht könnten alle Seiten die Vergleiche mit dem Dritten Reich einfach sein lassen. Sie lenken nur ab. (S. 4)
christian.ultsch@diepresse.com

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