Jeffrey Herf, Nazi Propaganda for the Arab World

Eine Empfehlung von Elvira Grözinger
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Jeffrey Herf, Nazi Propaganda for the Arab World
Nazi Propaganda for the Arab World. Jeffrey Herf. Published by Yale University Press, 2009. $30.00 pp.352

Jeffrey Herf is a member of SPME.



Erst seit einigen wenigen Jahren rückt das ungeheure Ausmaß der antisemitischen und antijüdischen Propaganda der arabischen Welt während der Zeit des Nationalsozialismus und Faschismus ins allgemeine Bewusstsein. Während die diesbezüglichen Aktivitäten des Großmufti von Jerusalem, des erst 1974 verstorbenen arabischen Hitler-Anhängers Haj Amin el-Husseini, inzwischen eher bekannt sind, blieb z. B. der irakische Nationalist und Deutschland-Freund, Raschid Ali el-Kilani, der hinter dem blutigen Pogrom an den Juden Bagdads, dem Farhud des Jahres 1941 stand, wie auch der Gründer der ägyptischen Moslembruderschaft, Hasan Ahmad Abd ar-Rahman al-Banna, lange nur ein Geheimtipp unter den Gelehrten.

Jeffrey Herf, Professor für Geschichte an der University of Maryland in College Park, ist Autor einschlägiger Studien zur Geschichte des Nationalsozialismus, wie Reactionary Modernism: Technology, Culture and Politics in Weimar and the ThirdReich (1984); War By Other Means: Soviet Power, West German Resistance and the Battle of the Euromissiles (1991); Divided Memory: The Nazi Past in the Two Germanys (1997); The Jewish Enemy: Nazi Propaganda During World War II and the Holocaust (2006). In seinem neuesten Buch, entstanden als Fortsetzung des Letztgenannten und unter anderem in Berlin geschrieben, wo der Autor 2007 Fellow der American Academy war, untersucht Herf anhand neuentdeckter Archivdokumente die Thematik, Methoden und das Spektrum der arabischen Propaganda im Einklang mit und im Dienste der Ideologie der Nationalsozialisten, die weit über die Grenzen Europas bis nach Nord Afrika und den Nahen Osten ihre Wirkung nicht verfehlte. Über die Sendungen der faschistischen Achsenmächte (Deutschland, Italien, Japan) auf Arabisch schrieb der damalige amerikanische Botschafter in Kairo, Alexander Kirk, das Nazi shortwave radio poured forth hatred of the Jews ‚ad nauseam‘. Diese Propaganda, vermengt mit arabischen Nationalismus, der das Leben der Juden in arabischen Ländern gefährdete, diente dem eliminatorischen Antisemitismus und ist erhellend für die Geschichte auch des heutigen arabisch-israelischen Konflikts.

Während die italienische faschistische Propaganda zunächst auf Nord Afrika zielte, hatte Hitler 1941 die Direktive an seine mit dem Nahen Osten befassten Militärs herausgegeben, in der er auf die „Freiheitsbewegung“ der Araber als ein nützliches Element gegen die Engländer hinwies. Eines der Zentren dieser Bewegung war der Irak, wo Anfang 1941 ein pro-Achsen-Coup stattgefunden hatte, der von den Briten nach zwei Monaten niedergeschlagen wurde. Während dieser kurzen Zeit kam es zu dem antijüdischen Pogrom in Bagdad. Auch wurde eine Internierung der irakischen Juden in einem Konzentrationslager geplant, wie die jüdischen Flüchtlinge aus dem Irak berichten. Herf hebt den ideologischen Einfluss des Nazi-Regimes auf die arabische Politik, hervor, der unter anderem durch arabische Exilanten im Berlin der Kriegsjahre verbreitet wurde. Er findet die Wurzeln der damaligen so „fruchtbaren“ anti-jüdischen Gemeinsamkeit im Islam, dessen Ideologie die kruden Vorstellungen des Nationalsozialismus ergänzte:

„In wartime Berlin, radical ant-Semitism of European and German-speaking provenance found common ground with radical anti-Semitism rooted in Koranic verses and the commentaries on them in the traditions of Islam. Just as Nazi anti-Semitism was inseparable from a radicalization of already existing elements within European culture, so the anti-Semitism of the pro-Nazi Arab exiles [who joined forces with Hitler’s regime] was inseparable from a radicalization of already existing elements within the traditions of Islam […] The Nazis taught the Arab exiles the finer points of twentieth-century anti-Semitic conspiracy thinking and how to apply it to ongoing events in the Middle East. From the Arabs in Berlin, the Nazis learned that their hatred of the Jews was not unique […]”

Herfs Untersuchungen sind umso wichtiger, da manche Historiker, die die Dinge bisher anders beurteilten, durch die von ihm erarbeiteten neuen Erkenntnisse ihre Meinung modifizieren müssten. So sah z. B. Peter Wien, Assistant Professor an der gleichen Universität wie Herf, der 2006 ein Buch über Iraqi Arab Nationalism: Authoritarian, Totalitarian and Pro-Fascist Inclinations, 1932-1941 veröffentlicht und welches Herf nicht in seine Bibliographie aufgenommen hat, die Dinge anders. Seine Argumentation, die mir exemplarisch erscheint, gebe ich hier kurz wieder, denn Wien minimalisiert eher den Einfluss des Nationalsozialismus auf die irakische Politik und meint (Neue Zürcher Zeitung, 14.03.2003, Nr. 61, S. 58):

„Im Nahostkonflikt wird den Arabern von israelischer Seite immer wieder Antisemitismus vorgeworfen. Es heisst, dass die Araber schon während des ‚Dritten Reiches‘ mit den Nazis sympathisiert und im Zweiten Weltkrieg sogar kollaboriert hätten. Die zeitliche Nähe zum Fall des prodeutschen Regimes im Irak und die Propaganda, die Radio Berlin in den Nahen Osten ausstrahlte, legten eine Assoziation des Farhud mit dem Nationalsozialismus nahe. Dennoch war das Pogrom anders geartet als die systematische Zerstörungswut und Mordlust der deutschen Reichspogromnacht von 1938. Der Farhud ist kein Teil des Holocaust, wie es mehrfach dargestellt wurde, und ebenso wenig die Kulmination einer irakischen Annäherung an den Nationalsozialismus, die sich laut manchen Historikern schon in den dreissiger Jahren vollzogen haben soll. Viele Araber, nicht nur im Irak, betrachteten sich in der Zwischenkriegszeit wie die Deutschen als Betrogene der nach dem Ersten Weltkrieg installierten Friedensordnung, da Grossbritannien das Versprechen nicht gehalten hatte, einen grossarabischen Nationalstaat zu errichten im Ausgleich für die arabische Unterstützung im Krieg. […] Die politische Führung des Landes bestand in den dreissiger Jahren in erster Linie aus ehemaligen arabischen Offizieren der osmanischen Armee, die während ihrer Ausbildung vor dem Ersten Weltkrieg in Istanbul von Offizieren des verbündeten Deutschen Reiches unterrichtet worden waren. Daraus resultierte eine Deutschfreundlichkeit […]Auch die Auswirkungen der begrenzten Bemühungen Nazideutschlands um eine stärkere Rolle im Nahen Osten sollte man nicht überschätzen. Es misslang dem Reich vor dem Krieg, seine Interessen an den irakischen Ölvorkommen gegenüber der Hegemonie Grossbritanniens durchzusetzen. Die Diplomaten Berlins hielten es zudem für besser, die antibritische Stimmung unter den Arabern nicht auszunutzen, um den europäischen Rivalen nicht über Gebühr zu provozieren. Im Irak hingegen wurde der arabische Aufstand in Palästina von 1936 bis 1939 zum bestimmenden Symbol des gemeinsamen Kampfes der Araber um nationale Unabhängigkeit. Der Zionismus wurde mit dem britischen Imperialismus gleichgesetzt. Vor diesem Hintergrund nahmen in den späten dreissiger Jahren Anfeindungen gegen irakische Juden zu. Sie entsprangen keinem Antisemitismus, sondern einem aggressiven Antizionismus.“

Herf’s überzeugende Gegen-These lautet jedoch: „In their Arabic-language materials Nazi propagandists moved seamlessly between references to the secular conspiracy theories of modern anti-Semitism, on the one hand, and quotations from the Koran and other religious texts and authorities, on the other. In this propaganda, there was no distinction between hatred of the Jews and opposition to Zionism.”

In seiner Untersuchung der in den Archiven vorhandenen Übersetzungen der „Axis Broadcasts in Arabic“ zeigt Jeffrey Herf, dass neben der Pose der Nazis als Alliierte der Araber und Feinde des Zionismus, sie zugleich als Unterstützer des Islams auftraten, denn ihnen kam dessen traditionelle Judenfeindschaft zupaß, welche die gleichzeitigen Attacken auf den amerikanischen, britischen und jüdischen „Imperialismus“ nährte. Die von den Nationalsozialisten unterstützte, ja lancierte, arabischsprachige Propaganda in den damaligen Medien, vor allem im Kurzwellenrundfunk, lief von 1934 (zunächst von Italien aus, seit 1939 aus Deutschland) bis 1945. Während die Zahl der Analphabeten unter der arabischen Bevölkerung damals relativ hoch war, war die Wirkung der Rundfunksendungen, die in den für die arabische Kultur so zentralen Kaffehäusern ausgestrahlt wurden, nicht zu unterschätzen. Während des ganzen Krieges wiederholte das arabische Radio die Nazi-Schuldzuweisung für den Zweiten Weltkrieg an die Juden, die eine jüdische Expansion, einen jüdischen Staat in Palästina mit dem Ziel planten, die arabische und muslimische Welt zu dominieren. Ein Sieg der Alliierten würde dieses Ziel unterstützen, der der Achsenmächte dies hingegen verhindern und die arabische Welt vor dem Zionismus bewahren. So stellten sich die Nazis als für die Araber als nationale, regionale und ethnische Gruppe sowie für die Muslime als religiöse Gruppe gleichermaßen attraktiv dar und betonten ihren Hass auf Juden als Semiten, indem sie die semitische Herkunft der Araber wie die „nichtarische“ der Türken ausblendeten und sie unter die „Arier“, etwa den Persern gleich, subsumierten. So konnte Haj Amin el-Husseini bereits 1933 seiner Begeisterung für das neue deutsche Regime Ausdruck verleihen und diese später durch tatkräftige Kollaboration und innerarabische Propaganda unter Beweis stellen. Die Nazis erhofften sich wiederum von der arabischen Unterstützung einen nachhaltigen Einfluss im Nahen Osten, was auf staatlicher Ebene jedoch nicht erfolgte. Die „unheilige Allianz“, die politische und ideologische „Synthese“ zwischen den Nazis und den Arabern zeigte aber schon während der arabischen Unruhen und antijüdischen Ausschreitungen der Jahre 1936-39 ihre Wirkung. Die Übersetzungen von Hitlers Mein Kampf und der Protokolle der Weisen von Zion, beides Klassiker des Antisemitismus, ins Arabische, taten das Ihre dazu. Es ist bezeichnend, dass sie von den arabischen Israelfeinden wie Abdel Nasser gelobt wurden und bis heute zitiert werden.

Die Bibliographie und das Register ergänzen den wertvollen Band, dessen Lektüre nicht nur eine weitere Facette der Geschichte des „Dritten Reiches“, sondern auch die Genese der gegenwärtigen Konflikte zwischen Arabern und Juden, zwischen Islamisten und der westlichen Kultur erhellt. Das Buch von Jeffrey Herf ist deshalb auch für Nichthistoriker interessant und aufschlussreich, zumal es sowohl kenntnisreich als auch gleichzeitig gut lesbar ist.

Jeffrey Herf, Nazi Propaganda for the Arab World

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