Die Juden im Koran, Ein Zerrbild mit Folgen

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Die Juden im Koran, Ein Zerrbild mit Folgen
Die Juden im Koran. Ein Zerrbild mit Folgen. Abdel-Hakim Ourghi. Published by Claudius, 2023. 26 Euros pp.261

In den Kriegstagen, die dem Überfall der vom Iran gesteuerten Hamas auf Israel und dem barbarischen Massaker vom 7.Oktober 2023, dem „Black Sabbath“ folgten ist weltweit vom muslimischen Judenhass die Rede. Vielfach wird aber der schon im Koran und den Hadithen so zahlreich artikulierte Judenhass von Islam-Apologeten geleugnet, relativiert oder ignoriert. Dabei äußert er sich in Massenaufmärschen von fanatischen Muslimen in vielen Ländern, verbal begleitet von einer aggressiven Propaganda im Netz, in den sozialen Medien und tätlich von Drohungen gegen sowie Attacken auf Juden auch außerhalb Israels. So wurden in westeuropäischen Ländern von Juden bewohnte Häuser mit Hakenkreuzen und Davidsternen markiert, die polizeiliche Bewachung jüdischer Individuen und Einrichtungen musste intensiviert werden. Eliminatorische Schlachtrufe wie „From the river to the Sea Palestine will be free” haben von der Straße Eingang in die Medien und Universitäten gefunden. Amerikanischen Ivy League-Hochschulpräsidentinnen setzten bestialische Verbrechen der arabischen Terroristen „in einen Kontext“, die verschiedenen Ausprägungen der „muslimischen Umma“ vereinten sich gegen den angeblichen Feind Israel und seine Unterstützer. Jüdische Studenten müssen auch an den deutschen Unis um ihre Sicherheit fürchten. Die Aufklärung scheint vergessen zu sein, der Humanismus ist aus dem Takt geraten.

In dieser Atmosphäre ist das neueste Buch des deutsch-algerischen Philosophen, Islamwissenschaftlers und Religionspädagogen, der seit 2011 Islamische Theologie/Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg lehrt, erschienen und klärt den Lesern in populärwissenschaftlicher Form über das problematische Verhältnis des Islam vor allem zum Judentum auf. Der Autor hat das Buch „allen Jüdinnen und Juden gewidmet, die im Laufe der Geschichte unter muslimischer Herrschaft diskriminiert und aus ihrer Heimat vertrieben und verfolgt wurden oder der islamischen Judenfeindschaft und dem Antisemitismus zum Opfer fielen.“ Diese Widmung spiegelt die ungewöhnliche Haltung eines Islamkenners wider, der damit ohne Umschweife seine auf Grund der historischen Quellen gewonnene Erkenntnis äußert, mit der er weder in den deutschen linken noch in den arabisch-muslimischen Kreisen Freunde gewinnen konnte.

Ourghi hält in diesem Buch, das einen schnellen Überblick über den Islam in Geschichte und Gegenwart bietet, seinen Glaubensbrüdern immer wieder schonungslos einen Spiegel vor, der ihnen die Selbstlüge und Illusion bezüglich der eigenen Religion und Bedeutsamkeit nimmt. Ourghi schreibt: „Im islamischen Selbstverständnis gilt der Islam während seiner Entstehungsperiode zwischen 610 und 661 als Hort der Gerechtigkeit, Gleichheit und des Respekts. Diese Überzeugung ist unter den Muslimen sehr verbreitet. Es wird immer betont, dass diese Ära die beste und idealste Zeit war, die der Islam je erlebt hat, und eine, an der die Muslime sich orientieren sollten.“ (S.70) Ourghi meint ferner, dass sich die Muslime im Laufe der Jahrhunderte eine „bequeme und brauchbare Sicht der Vergangenheit zurechtgelegt haben, obwohl die islamisch-arabische Vergangenheit anhand historischer Fakten eine andere Sprache spricht.“

In 9 Hauptkapiteln, abgerundet durch einen Epilog und mit einer Bibliographie versehen, setzt sich der Autor nicht selten polemisch, was die Überschriften zeigen, mit seinem Sujet auseinander: „Die pathologische Erinnerungskultur“, „Das Wahre und Unwahre“, „Die doppelte Schuld. Das Verdrängen und die Umkodierung der Geschichte des Islam“, „Ein historischer Exkurs“, „Die Juden im Koran“, „Der Heilige Krieg des Propheten gegen die Juden in Medina“, „Der Status der Inferiorität und die Kopfsteuer als politisch-wirtschaftliches Kalkül“, „Der Pakt des Kalifen `Umar und die endgültige Vertreibung des Juden“, „Der gelbe Flicken als islamische Vorgeschichte des Judensterns“. Denjenigen, die sich mit dem Islam und der Geschichte befassen, sind die Fakten des Buches weitgehend bekannt, aber dennoch fasst es das Wichtigste zusammen, was zu wissen nötig ist, um zu begreifen, dass die Sache mit dem Frieden im Nahen Osten weder einfach noch in naher Zukunft zu erreichen ist. Um das möglich zu machen, müssen die Muslime selbst ihre archaische Sichtweise hinter sich lassen und anfangen modern und pragmatisch zu denken, denn das würde ihrer Umma sehr nützlich sein, etwa, gleich den Vereinigten Emiraten, mit Israel Frieden zu schließen. Und auch die Politiker, die auf die Propaganda der palästinensischen Araber hereinfallen, würden nach der Lektüre dieser Seiten ihre bisherige auf Unwissenheit basierte Herangehensweise eher hinter sich lassen.

Bezugnehmend auf den Spruch von Yad Vashem in Jerusalem: „In der Erinnerung liegt das Geheimnis der Erlösung“ zeigt Ourghi auf, wo das Vergessen und Verdrängen unangenehmer Erinnerungen der islamischen Geschichte auch den Muslimen selbst schadet, denn dadurch, so der Autor, wird sogar die seit Jahrhunderten andauernde Sinnkrise des Islam intensiviert. Dabei wird die Bedeutung des Erinnerns sogar im Koran (51,55) hervorgehoben: „Und erinnere! Das Erinnern nützt den Gläubigen“. Diejenigen Muslime, die eine kollektive Geschichtsklitterung betreiben, handeln dem Prophetenwort zuwider.

Ourghi ist sich der Brisanz seiner Ausführungen bewusst, er weiß, dass „das Thema Die Juden im Koran eine heikle Angelegenheit“ ist. Dabei ist er nicht der erste, der dieses Thema anpackt, was ihm allerdings als „Islamkritiker“ gefährlich sein kann: Der deutsche Orientalist Hans-Peter Raddatz hat 2007 über Allah und die Juden – die islamische Renaissance des Antisemitismus publiziert, woraufhin er mit einer mubahala, islamische Todesfatwa gegen nicht Muslime, zum Schweigen gebracht wurde. Ourghi nimmt dennoch kein Blatt vor den Mund, wenn er fordert: „Es bedarf auch ethischer Entschlossenheit, die Geschichte der Diskriminierung, Vertreibung und Verfolgung der Juden unter islamischer Herrschaft von muslimischen Intellektuellen neu zu schreiben und differenziert anhand der kritischen Vernunft zu behandeln. Und es bedarf vor allem des Rückgrats und der Furchtlosigkeit zu sagen, dass der politische Islam seit 622 alles vernichtet, was vor ihm war, es sei denn, es steht mit ihm im Einklang.“ (S. 9). Und er ist der Meinung, dass „Es an der Zeit (ist), dass Überzeugungen der islamischen Geschichte entmythologisiert werden und mit Tabuthemen gebrochen wird. Genauer gesagt: Nur durch die kritische Aufklärung der Geschichte der islamischen Kultur und die Infragestellung der kanonischen Quellen des Islam – Koran und die Tradition des Propheten (al-sunna) -, die auch die Anwendung der Gewalt gegen Andersdenkende, gegen Angehörige anderer Religionen und Weltanschauungen legitimieren, können die Gegenwart und die Zukunft von der Last der Vergangenheit befreit werden und den Weg für den ‚ewigen Frieden‘ zwischen allen Menschen ebnen.“ (ebda.)

Ourghi verwendet griffige Termini, die aber ins Schwarze treffen: „religiöser Narzissmus der Muslime […], der die Selbstbewunderung der eigenen Religion und die Selbstverliebtheit der Muslime“ in ihrer überheblichen Haltung anderen Religionen gegenüber und die Toleranz auf Augenhöhe und Respekt vermissen lässt. Das kritisiert der Autor, denn dadurch „scheuen [sie] sich vor einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit den Schriften anderer monotheistischen Religionen.“  (S. 73) Und damit bleiben sie bei der archaischen Sicht der 1400 Jahre alten Schrift, ohne Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Religion, die Juden und Christen spätestens seit der Aufklärung betreiben. Deswegen sehe auch ich persönlich darin eine große Hürde für den von manchen besonders christlichen Kreisen gesuchten interreligiösen Dialog mit dem Islam, denn, so Ourghi: “ Durch die ‚koranische Unterscheidung‘ zwischen Wahr und Unwahr war der Status der Nichtmuslime, darunter Juden und Christen, legal sozial unterprivilegiert, für sie galten andere Rechte. Bei den Menschen unter islamischer Herrschaft gab es damals [in den Anfangsjahren des Islam] zwei Klassen: die erste Klasse der Muslime als Herrscher und die zweite Klasse der Beherrschten. Von einer Gleichstellung der Juden und der Christen mit den Muslimen kann keine Rede sein. Diese im Lauf der Jahrhunderte sich durchsetzende Überzeugung hat dazu geführt, dass die Geschichte der Gewalt verschleiert wurde.“ (S.77) Ourghi argumentiert ferner, dass die Muslime ein Narrativ verbreiten, wonach ihre Religion immer gerecht anderen Religionen gegenüber sei und sie stets die unter islamischer Herrschaft lebenden Anhänger anderer Religionen als Gleichberechtigte behandelt hätten. Diese realitätsfremde Eigensicht und Selbstdarstellung wurde zum integralen „Bestandteil ihrer selbst stilisierten Opferrolle“. Ourghi folgt hierin u.a. Giselle Littmann, alias Bat Ye’or, die ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Muslimen unter muslimischer Herrschaft als historischen Mythos beschreibt. Der Autor betont auch, dass die angeblich friedliche jüdisch-islamische Koexistenz vor der Kolonialzeit ebenso realitätsfremd ist und jeglicher historischen Erfahrung der Juden mit Muslimen widerspricht.

Und hier setzt Ourghi seine Kritik der Verklärung und Verdrängung der Geschichte des muslimischen Judenhasses an, worin ich ihm Recht gebe: „Die wohlwollende Meinung von [Bernard] Lewis bestärkt die These der muslimischen Autoren, dass der islamische Judenhass ein Export der westlichen Welt in die islamische Welt sei oder dass es den islamischen Antisemitismus erst seit der Staatsgründung Israels gäbe.“ (S. 57) Ich lehne darüber hinaus die These einiger nichtmuslimischer zeitgenössischer Autoren ab, wonach der muslimische Judenhass der Gegenwart auf den Einfluss des deutschen Nationalsozialismus zurückgeht. Diese Sicht ist völlig ahistorisch und viel zu kurz gegriffen.

Ich stimme mit dem Autor ebenfalls in seiner Kritik an der These des in Münster lehrenden muslimischen Autors Mouhanad Khorchide überein, wonach der von ihm postulierte „Verrat am Islam“ durch konservative Islamgelehrte und Vertreter des politischen Islam bereits schon in der Frühzeit missverständliche Lehren verbreitet haben. Die Darstellung Khorchides von Muhammad als eine Art bloße „Verwaltungsinstanz“ und Verkünder der göttlichen Botschaft ist verharmlosend und der historischen militanten Eroberergestalt nicht gerecht. Ourghi, der die frühen Jahre des Islam skizziert, erinnert ferner an die historische Tatsache, dass Muhammads „Scheitern der Bekehrungsarbeit führt auch zum Bruch mit den medinensischen Juden führte, was ein blutiges Nachspiel für die Juden im Laufe der Geschichte des Islam hatte.“ (S. 83) Ferner stellt Khorchide den „Djihad“ nur einseitig verharmlosend als einen „entmilitarisierten“ Weg des Muslims gegen die Triebseele und zum Frieden dar. Und Ourghi wirft Khorchide zu Recht vor, eine verzerrte Sicht des Islam zu zeichnen, indem er die sogenannten „Schwertverse“ aus dem Koran außer Acht lässt und auch die sechste in Medina offenbarte „Kampf“-Sure des Koran geflissentlich übergeht. Ourghi fragt daher berechtigter Weise, ob Khorchide dadurch bei dem westlichen Leser Gefallen finden möchte. Ich kann dies aus eigener Erfahrung bestätigen, dass die dialogsüchtigen christlichen Theologen sowie andere auch deutsche Wissenschaftler sich gerne auf ihn berufen. Ourghis Urteil über ihn fällt vernichtend aus: „Khorchide ist ein ‚freundlicher Fundamentalist‘. Er macht Gebrauch von der Technik der Salafisten. Er missbraucht die Geschichte der Islamanfänge als Legitimierung bzw. Werkzeug für seine Agenda.“ (S. 94) Gerade angesichts der Expansion der radikalen islamischen Kräfte in Europa und auch in Deutschland mit den inzwischen hier lebenden 6 Millionen Muslimen sind solche vernebelnden Irrlehren wie sie von einem angeblich so „liberalen Muslim“ wie Khorchide verbreitet werden, sehr gefährlich.

Und Ourghi, der die innermuslimischen Entwicklungen kenntnisreich beschreibt, warnt eindringlich: „Der politische Islam als normative Basis für das Denken und Glauben aller Muslime wird ab der medinensischen Epoche militant und kriegerisch und dies darf nicht ignoriert oder verharmlost werden. Chaibar markiert im 7. Jahrhundert den Anfang der muslimischen Eroberungskämpfe, die mit Grausamkeiten gegen die Juden einhergingen und welche auch noch in unseren Tagen als Schlachtruf der Israelhasser auf den Straßen muslimischer aber auch europäischer Staaten erschallt. Und das Fazit des Autors dieses sehr lesenswerten Buches lautet: Der heutige islamische Antisemitismus ist eine radikale Form des klassischen Antijudaismus und Judenhasses, der nicht unterschätzt werden darf.

Allen Politikern, Juristen, Polizeipräsidenten, Lehrern und vor allem naiven Dialogsuchenden sowie Befürwortern der muslimischen Einwanderung sollte dieses warnende Buch als Schulungs- und Pflichtlektüre auferlegt werden. Es ist leicht verständlich, detailliert in der Darstellung der historischen Fakten und aus einer berufenen Hand. Vor allem sollte es von so vielen Lesern wie möglich verinnerlicht werden, denn das, was sich in Frankreich, Großbritannien, Schweden und einigen anderen europäischen Staaten abspielt, sollte alle oben Erwähnten Zielgruppen in höchste Alarmbereitschaft versetzen, denn die Schlachten der gewaltbereiten Migranten auf unseren Straßen wie sie derzeit nach dem 7. Oktober und nun gerade erneut zu Silvester stattfinden, darf ein demokratischer Rechtsstaat nicht zulassen und nicht länger dulden.

Elvira Grözinger, Berlin

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AUTHOR

Elvira Grözinger

Born 1947 in Poland as child of Holocaust survivors, grew up in Israel. Received a B. A. from the Hebrew University Jerusalem (English and French Literatures, Jewish History, History of Arts). Since 1967 in Germany –  Translators’ Diploma from the University of Heidelberg, studied then German Literature and Jewish Studies in Frankfurt on the Main. Doctorate in General and Comparative Literature from the Freie Universitaet Berlin. Worked as Lecturer in Literature and Scientific Researcher at Universities and academic Institutes in Frankfurt, Darmstadt, Potsdam and Berlin, now retired. As a long time WIZO-member she was for many years on the boards in Frankfurt and Berlin, and on the German Presidential Board. In 2007 she co-founded the German Section of SPME, and had been elected as its Vice President. Since February 2017 she is the President of the SPME-Germany. As publicist she gives lectures and publishes scientific and press articles. Author of 9 books, mainly on Jewish culture and literature and of over 200 scholarly articles and reviews.

Elvira Groezinger is married to Prof. em. of Religious and Jewish Studies, Karl E. Groezinger, affiliated Professor of the University of Haifa, has one married daughter who is a dermatologist, and two grandsons.


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