Bernhard Torsch: Rechte Reise nach Jerusalem

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Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass derzeit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der FPÖ-Chefideologe Andreas Mölzer in Israel weilen, wo sie „auf Einladung israelischer Rechtspolitiker“ gemeinsam mit anderen europäischen Rechtsblinkern „über Strategien gegen den islamischen Terror“ beraten. Und es stimmt ja: Da haben sich die israelischen Rechtspolitiker zwei echte Experten für diesen Sachbereich ins Land geladen. Immerhin kann keine andere europäische Partei das Wirken islamischer Terrorismusunterstützerstaaten dermaßen persönlich beurteilen wie die FPÖ, die mit ihrer „Österreichisch-Syrischen Gesellschaft“, ihrer „Österreichisch-Libyschen Gesellschaft“, ihrer ehemaligen „Österreichisch-Irakischen Gesellschaft“ sowie durch zahlreiche Besuche ihrer Parlamentarier im Iran wirklich Bescheid wissen muss, wie die so ticken, die „islamischen Terroristen“.

A world with(out) zionism

Andreas Mölzer war zB 2006 nach einer Visite bei den Teheraner Holocaustleugnern dermaßen abgestoßen, dass er sogleich, aus Protest natürlich, über sein Periodikum „Zur Zeit“ T-Shirts mit dem Konterfei von Mahmoud Ahmadinedjad und der Aufschrift „a world without zionism“ an seine bekanntermaßen extrem philosemitischen Leser verkaufte. In der Ausgabe 8/06 von „Zur Zeit“ verlieh Mölzer seiner Ablehnung der iranischen Klerikalfaschisten sowie seiner unverbrüchlichen Solidarität mit Israel auch schriftlich Ausdruck: „Wir haben uns immer politisch und publizistisch für die Belange des iranischen Volkes eingesetzt und den imperialistischen Zionismus und die Weltpolizei-Bestrebungen der USA verurteilt.“ In „Zur Zeit“ erschienen auch viele weitere eindeutig pro-jüdische Artikel, die unter anderem „jüdische Ritualmorde an Christen“ anprangerten, Adolf Hitler als „großen Sozialreformer“ lobten, die Juden für den Antisemitismus und Winston Churchill für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich machten.

Abendland in Christenhand

Und erst der Strache! Gegen den wirkt Henryk M. Broder wie der reinste Julius Streicher, so sehr liebt der FPÖ-Chef die Juden. Das konnte man beispielhaft 2009 beobachten, als Strache in Österreichs auflagenstärkster Tageszeitung Inserate schalten ließ, aus denen er herausbrüllte: „FPÖ-Veto gegen den EU-Beitritt von Türkei und Israel“. Und darunter stand geschrieben, die FPÖ sei die einzige Partei, die verhindern wolle, dass „Österreich in den blutigen Nahost-Konflikt hineingezogen wird“. Auch der FP-Wahlslogan „Abendland in Christenhand“ drückt den tiefen Respekt der FPÖ für Menschen jüdischen Glaubens aus, ebenso das Plakat mit dem schönen, ganz sicher nicht vom Rassenwahn infizierten Text „Mehr Mut für unser Wiener Blut“. Die Jugendorganisation der FPÖ geht in ihrer bedingungslosen Solidarität mit Israel sogar so weit, dem jüdischen Staat die Existenzberechtigung rundweg abzusprechen und Israel liebevoll als zur „Atommacht herangewachsene, aggressive Siedlerkolonie“zu bezeichnen.

Kreisky reloaded?

Sarkasmus off: Um all die antisemitischen, antiisraelischen, proarabischen und NS-affinen Äußerungen und Aktionen der FPÖ aufzuzählen, fehlt hier der Platz. Verplappert hat sich wohl FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimski, der seinen Chef „in der Tradition von Bruno Kreisky“sehen will. Der legendäre österreichische Bundeskanzler der 70er Jahre bezog im Nahost-Konflikt bekanntlich nicht gerade eine proisraelische Position, sondern machte die PLO international hoffähig und setzte auf beste Beziehungen zu arabischen Nationalisten. Immerhin hat Vilimski nicht gelogen, denn in dieser Hinsicht (und nur in dieser) stehen Strache und seine arabophilen Kameraden tatsächlich in der eher unsympathischen Tradition der Sozialdemokraten von einst (und leider auch einigen von heute). Was aber treibt „israelische Rechtspolitiker“ dazu, in Figuren wie Mölzer oder Strache Verbündete zu sehen?

Neue rechte Strategien

Es ist ein Mix von Zutaten, der diesem Quark seinen üblen Geschmack verleiht. Um die bizarr anmutenden neuen Allianzen zu verstehen, muss man zunächst die strategische Neuausrichtung der (extremen) europäischen Rechten analysieren. Diese (extreme) Rechte hat nach Jahrzehnten innerer ideologischer Grabenkämpfe realisiert, dass mit rabiatem Antisemitismus der klassischen Schule nur in sozio-ökonomischen Ausnahmezuständen ein Blumentopf zu gewinnen ist. Im wirtschaftlich und sozial siechen Ungarn konnte man beispielsweise mit einer schamlosen antijüdischen Sündenbockkampagne punkten, im trotz Finanzkrise immer noch wohlhabenden Westeuropa funktioniert das (noch) nicht, auch mangels ausreichender Zahl an Juden. Eine neue „Feindgruppe“ musste her, eine, die sich auch deswegen als solche eignet, da Teile dieser Gruppe sehr leicht als „fremd“ zu identifizieren sind und, da diese Gruppe eine große ist, auch ausreichend Indiviuen beheimatet, die verhaltensauffällig sind und so den Rechten die Verallgemeinerung des Einzelfalls erlauben. Die Muslime erwiesen sich als ideale Besetzung für diese Rolle. Sie sind zahlreich vorhanden, es gibt unter ihnen echte Integrationsverweigerer und real gefährliche Personen, anhand der oftmals in islamisch dominierten Staaten herrschenden Barbarei lassen sich nachvollziehbare Horrorszenarien entwerfen und die Parteien der Mitte und der Linken haben die Problematiken, die sich durch eine massenhafte Einwanderung von Muslimen, unter denen sich auch radikale Kräfte mit Eroberermentalität befinden, völlig unterschätzt und es weiters absurderweise rechten bis rechtsradikalen Kräften erlaubt, sich als Verteidiger der westlichen Zivilisation zu inszenieren. Kurz gesagt: Muslime eignen sich als „Feindgruppe“ aus mehreren Gründen besonders gut, vor allem aber deswegen, weil der „Antiislamismus“ im totalen Gegensatz zum Antisemitismus bei real existierenden Problembereichen andocken kann. Anders gesagt: Von Juden ging niemals eine Gefahr für die westliche Zivilisation aus, von manchen Muslimen aber sehr wohl. Der Antisemitismus ist ein reines Wahngebäude, der Antiislamismus nur zum Teil.

„Reine“ Staaten

Es ist aber nicht nur der Erfolg islamfeindlicher Parteien, Ideen und Gruppen und die von diesen Israel zugewiesene Rolle als „Frontstaat“ gegen „den“ Islam, der das Anbandeln europäischer Rechtsaußenparteien mit weit rechts stehenden israelischen Gruppen ermöglicht. Auch das relativ neue rechte ideologische Konstrukt vom „Europa der Vaterländer“ (oft auch „Europa der Regionen“) spielt hier eine Rolle, die man kennen muss, um zu verstehen, was gerade geschieht. Hinter der nett klingenden Floskel verbirgt sich die Abneigung gegen ein multinationales und multiethnisches, aber rechtlich vereinheitlichtes Europa, in dem Niederlassungsfreiheit herrscht. Dem setzen die Rechten ihre Vision von politisch völlig unabhängigen und allenfalls wirtschaftlich verwobenen Staaten entgegen, in denen der Rumäne eben nicht dieselben Rechte in Österreich haben solle wie der autochthone Österreicher. Dieser „neue“ Ansatz der Rechten ist in Wahrheit ein sehr alter, nämlich einer auf ethnischer und kultureller „Reinheit“ beruhender. Die Proponenten dieser Strömung werden nicht müde zu betonen, wie wertvoll und großartig fremde Kulturen doch seien – solange sie dort bleiben, wo sie nach Meinung dieser Ideologen hingehören. Deutschland den Deutschen, Italien den Italienern, Ungarn den Ungarn, Arabien den Arabern – und Israel den Juden.

Israel without arabs?

Hier nun schließt sich die Klammer, in der das Fragezeichen stand, warum sich israelische Rechtsaußenpolitiker plötzlich so gut mit europäischen verstehen. Man ist sich nicht bloß einig in der Ablehnung „des Islam“. Wichtiger ist, dass man im utopischen Bestreben nach ethnisch und/oder religiös klar definierten Staaten übereinstimmt. Die extreme Rechte in Israel, die, das muss man erwähnen, nicht von der Mehrheit im Likud und auch nicht von Lieberman verkörpert wird, sondern von echten Extremisten zumeist außerhalb des etablierten Politikbetriebs, träumt von einer Einverleibung des Westjordanlandes, von der Vertreibung der israelischen Araber und von der Einwanderung aller Juden dieser Welt in dieses neue Großisrael. Und genau deswegen stoßen sich diese Leute auch nicht an Parteien wie der FPÖ, in der es von Antisemiten nur so wimmelt, denn diese iraelischen Extremisten halten Juden, die nicht in Israel leben, ohnehin für Verräter. So krank das auch klingt: Wer Juden durch Antisemitismus zur Immigration nach Israel drängt, liegt in den Augen derjenigen, die von einem „reinen“ Großisrael tagträumen, genau richtig. Natürlich weiß jeder, der noch halbwegs bei Verstand ist, dass diese Vertreter eines pervertierten Radikalzionismus auf dem Holzweg sind. Auch in Israel weiß fast jeder, dass so ein Großisrael weder militärisch dauerhaft durchsetzbar, noch finanzierbar wäre.

Wehe, die Mitte und die Linke versagt!

Und damit kommen wir zu einer Schlussbemerkung, die aber verdammt wichtig ist: In Israel werden Rechtsparteien gewählt, weil diese effektiv gegen die akute Gefahr für Leib und leben durch arabische Terroristen vorgehen, und nicht weil man mehrheitlich mit den wahnhaften Ideen von Leuten übereinstimmt, die es für ihre religiöse Pflicht halten, ganz Judäa und Samaria zu erobern und alle Araber zu vertreiben. Und es sind deswegen so viele Israelis von den europäischen Linken enttäuscht, weil diese spätestens seit 1967 im Idiotengleichschritt mit den realsozialistischen Staaten mehrheitlich auf eine proarabische Linie eingeschwenkt sind, weil sie die Bedrängung Israels durch vernichtungswillige Nachbarn leugnen oder herunterspielen, weil sie gehirntot mit islamischen Fundamentalisten paktieren, weil sie oft genug keine Ahnung haben, wovon sie reden, wenn sie über Israel reden. Trotzdem sind die Rechtsradikalen und die religiösen Fanatiker in Israel nicht mehrheitsfähig und heftig umstritten. Israel ist ein fortschrittliches Land, das in vielen gesellschaftspolitischen Fragen sogar weiter entwickelt ist als die meisten europäischen Staaten. Es ist ein HighTech-Staat, es ist multikulturell, lebensbejahend und vor allem angesichts der Brutalität seiner Feinde erstaunlich friedlich. Dennoch hat das Land auch genügend Probleme und, wie alle Länder dieser Welt, etliche Deppen unter seiner Bevölkerung. Noch sind die Deppen eine Minderheit, doch wenn sich die oftmals beschämende Haltung der europäischen Mitte- und Linksparteien gegenüber Israel nicht ändert, könnten die Deppen irgendwann regieren. Und wenn in Israel und in Europa nur mehr Deppen regieren, wenn also diejenigen an der Macht wären, die sich dieser Tage in Ashkelon getroffen haben, dann wird die Welt in Blut waten.

ps: Ich gäb was dafür, ein Mäuschen sein zu können, das in diversen FPÖ-Parteilokalen dem nervösen Klicken der Gehirnzellen lauschen kann, jetzt da der größte Zahntechniker aller Zeiten plötzlich nach Jerusalem pilgert…

http://lindwurm.wordpress.com/2010/12/07/rechte-reise-nach-jerusalem/

Bernhard Torsch: Rechte Reise nach Jerusalem

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