Karl Pfeifer: Absurdes Israel-Bashing im Ö1

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Am 13. Mai kam im Morgenjournal der Ö1 „Nahostexperte“, der 63jährige Lehrbeauftragte der Wiener Universität Dr. John Bunzl zu Wort. Es ging um die bösen Amerikaner, die Israel wieder Waffen schenken. Doch gar so böse waren sie nicht immer, denn – so Dr.Bunzl – das State Department hat sich gegen die Gründung Israels ausgesprochen, weil sie doch voraussahen, dass dies zu Kriegen führen würde. Was Dr. Bunzl nicht sagt: Das State Department war von araberfreundlichen Experten beeinflusst und die Öl-Lobby hatte dort einen entscheidenden Einfluss. Was Dr. Bunzl – die Zeit ist zu knapp – ebenfalls nicht erwähnte: Im State Department glaubten einige tatsächlich, ein entstehendes Israel würde kommunistisch und Flugzeugträger der Sowjetunion werden. Das hat auch die arabische Propaganda damals herausposaunt. Aber das sind Kleinigkeiten. Es kommt wie das Amen im Gebet, dass doch die Palästinenser den Preis bezahlen mussten.

Das ist Determinismus, wie er bei Vulgärmarxisten zu finden ist, die daran festhalten, dass ihr Glaube eine Wissenschaft sei und die Geschichte nur so und nicht anders ablaufen kann.

In Wirklichkeit gab es seit 1937 viele, sehr viele Alternativen. Die palästinensische Führung wählte immer die schlimmste, um dann zuerst die Zionisten und Kommunisten, dann die Zionisten und Imperialisten zu beschuldigen am Unglück schuldig zu sein. Sie stilisierten sich – im Kampf um Sympathie – als die eigentlichen Opfer des Massenmordes an Juden auf, und das ist auch was Dr. Bunzl damit suggeriert.

Schon 1937 schlug die Peel-Kommission eine Teilung des Landes vor, und zwar in einen großen arabischen Staat und einen winzig kleinen jüdischen rund um Tel Aviv. Doch sie lehnten ab, und was dann wirklich zur Katastrophe für ihr Volk wurde, sie lehnten auch den Beschluss der UNO Generalversammlung vom 29. November 1947 kategorisch ab. Einig waren die arabischen Führungen, dass die damals dort lebenden 600.000 Juden lediglich eine Religionsgemeinschaft seien und kein Recht auf einen eigenen Staat hätten. Denn auf Grund von Religion dürfen nur Muslime ein Land spalten und einen Staat gründen, wie das fast gleichzeitig am indischen Subkontinent geschah, wo Pakistan lediglich auf Grund von Religion entstand und es zu zehn Millionen Flüchtlingen und einer Million Toten kam.

Doch das Ö1 Morgenjournalist war nur ein Vorspiel zu einer Sendung, die knapp nach 9 Uhr in der Früh begann.

Den Israelbashern im Ö1 mangelt es an Phantasie. Sie lassen die Sendung mit einem Spruch beginnen, der witzig sein soll: „Jude zu sein ist sehr komplex, frage zehn Juden und du bekommst zehn Antworten.“ Würde man zehn Nichtjuden fragen, würden da nicht auch zehn Antworten kommen?

Es folgt ein trivialer Bericht über die Jewish Agency und einige Zitate von Theodor Herzl, dann kommt unvermeidlich der antizionistische Stehsatz vom „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land.“

Antizionisten zitieren diesen Satz als eine perfekte Zusammenfassung des grundlegenden Unrechts des Zionismus, unterstellt wird damit den frühen Zionisten, sie glaubten, das Land wäre nicht bewohnt, ja sie leugneten – und weisen noch immer zurück – die Existenz einer besonderen arabischen Kultur in Palästina. Der Spruch dient aber auch als Beweis, die Zionisten hätten schon bei Geburt ihrer Bewegung eine „ethnische Säuberung“ der arabischen Einwohnerschaft geplant.

Das hat nichts mit wirklicher Geschichte zu tun. Denn nachweisbar haben die Gründer der zionistischen Bewegung gewusst, es leben Araber im Land. Der Spruch geht auch von der falschen Annahme aus, dass die Araber im Heiligen Land vor mehr als 100 Jahren eine feste eigenständige nationale Identität hatten, doch diese entstand erst als Reaktion auf die jüdische Einwanderung. Diana Muir hat in einem gründlichen Artikel u.a. nachgewiesen, die frühen Zionisten haben diesen Satz selten benützt und der amerikanisch-ägyptische Literaturwissenschaftler Edward Said irrte sich, als er behauptete, der jüdische Schriftsteller Israel Zangwill hätte diesen Satz geprägt. Es waren christliche Schriftsteller, die dies taten. [1] ]

Dann nach Lob für die „Neuen Historiker“ und Ö1 lässt gleich drei israelische Postzionisten zu Wort kommen. Oren Yiftachel, der an der Ben Gurion Universität in Beer Schewa Geographie lehrt, der von einer Siedler Ethnokratie in Israel phantasiert, was natürlich von Ö1 mit „Blut und Boden“ in Verbindung gebracht wird. Israel hätte eine demokratische Fassade, wozu wahrscheinlich gehört, dass ein akademischer Lehrer, der den Staat abschaffen will, von dem er Gehalt bezieht, seinen Unsinn von der „Homogenisierung des Landes“ verzapfen kann. Immerhin wurde in Israel nie der Versuch unternommen, die arabische Minderheit ihrer Sprache und ihrer Kultur zu berauben. Fakt ist auch: Die Araber Israels müssen nicht um zweisprachige Ortstafeln kämpfen wie die Slowenen in Österreich. Aber Yiftachel hat sich auch in Australien aufgehalten und weiß: Beide Länder sind Siedler Ethnokratien und benützen die Demokratie nur als Fassade für die schreckliche Wirklichkeit. Das ist wahrscheinlich der Grund weshalb so viele Muslime in beide Länder einwandern möchten. Typisch für die israelische „Ethnokratie“ ist die Tatsache, im israelischen Parlament gibt es arabische Parteien und Arafats ehemaliger Berater Dr. Ahmed Tibi ist sogar stellvertretender Vorsitzender dieses Parlaments. Alles zionistische Augenauswischerei!

Yiftachel wurde erst international bekannt als er mit seiner eigenen Medizin behandelt wurde. Er befürwortet nämlich den Boykott der akademischen Institutionen Israels. Als er vor einigen Jahren einen mit einem arabischen Akademiker gemeinsam geschriebenen Artikel an eine linke britische Zeitschrift sandte, lehnte diese die Veröffentlichung ab, weil sie aus Israel kam. Als ihr aber erklärt wurde, dass doch Yiftachel ein „guter Jude“ sei, befürworte er doch die Abschaffung Israels, wurde der Artikel veröffentlicht. Auch Ö1 bevorzugt solche „gute Juden“.

Ein anderer aus diesem Kreis, ist der sich selbst als linksextrem bezeichnende Anthropologe Jeff Halper, der ein von der EU finanziertes Komitee gegen die Demolierung von Häusern betreibt [2]

Doch das war alles nur Vorspiel zu den Aussagen des Lehrbeauftragten der Ben Gurion Universität inBeer-Schewa Amnon Raz-Krakotzkin. (ARK)

„Der jüdische Staat ist ein gefährliches Konzept. Ein jüdischer Staat wird nicht funktionieren, kann nicht funktionieren. Nicht nur wegen der Palästinenser, sondern weil er auf messianisches Gedankengut aufbaut. Die öffentliche Debatte neigt dazu Israel in zwei Lager einzuteilen, in ein linkes säkulares, das mit dem Friedensprozess assoziiert wird und in religiös-orthodoxe Gruppen, die als vormodern und messianisch gelten und jedem Kompromiss mit den Palästinensern verwehren. Das ist ein Trugschluss, denn der säkulare Zionismus selbst begründet sich auf einer messianischen Idee, auf der Idee von der langersehnten Rückkehr in die biblische Heimat, das ist ein religiöser Mythos, kein säkularer. Der Nationalismus in Israel markiert also nicht wie in Europa die Abkehr von Religion zugunsten einer nationalen Identität, sondern auf der Interpretation religiöser Vorstellungen. Die bedrohliche Seite des Zionismus verkörpern daher nicht die religiös-orthodoxen Siedler. Die Siedler sind die logische Konsequenz des säkularen Zionismus, der besagt, Gott existiert nicht, aber er hat uns das Land versprochen.“

Ein linker Professor an der Universität New York führte ein bahnbrechendes Experiment durch, er sandte einen vollkommen widersinnigen Artikel mit Phrasen und in einer fast unverständlichen Sprache, wie sie linke Theoretiker oft verwenden, an eine linke Zeitschrift, die diesen auch als Sonderausgabe veröffentlichte, eines der Sätze war „Realität ist eine bürgerliche Illusion“. Dieser Ansicht hängt anscheinend auch ARK an. Der Staat Israel kann nicht funktionieren behauptet er, und da ja die Realität nicht seiner „Narrative“ entspricht, wird dies auch vom Ö1 ausgestrahlt.

Der Staat existiert zwar schon 60 Jahre und heute leben 41% aller Juden dort, aber die leiden anscheinend unter einem falschen Bewusstsein, anstatt auf die reine Lehre von ARK, die besagt, das „Sein wird vom Bewusstsein bestimmt“, zu hören, sind die Juden irgendwelchen religiösen Mythen gefolgt.

In Osteuropa lebten Juden bis die deutsch-österreichische Volksgemeinschaft ihre „Endlösung der Judenfrage“ betrieb in dichten Siedlungsgebieten und die Mehrheit hielt an der Religion ihrer Väter fest. Es ist zwar angeblich ein „Mythos“, aber Juden beten in die Richtung Jerusalem (sowie die Muslime in Richtung Mekka) und die Gebete beinhalten zionistische Ideologie. Das berufen auf die Bibel war zwar ein Argument der Zionisten, aber es gab ein viel wichtigeres, die Tatsache, dass gerade dort, wo sich die Juden assimilierten, in Frankreich, in Deutschland und in Österreich am Ende des 19. Jahrhundert die Antisemiten einen enormen Einfluss auf diese Länder erhielten.

Es ist wirklich schlimm, entgegen den abstrusen Theorien von ARK gibt es eine blühende israelische Kultur, eine erfolgreiche Wirtschaft und die vom Mythos besessene Juden haben sich auch selbst verteidigt. Anscheinend teilt ARK die Meinung gewisser ultra-orthodoxer Sekten, Gott hätte den Juden verboten einen eigenen Staat zu gründen.

Raz-Krakotzkins Behauptung „in Europa hätte es eine „Abkehr von Religion zugunsten einer nationalen Identität“ gegeben ist purer Unsinn, denn die nationale Identität der Griechen, Bulgaren, Serben und auch Iren wurde durch Religion bestimmt.

Dann aber folgt das non plus ultra der Israel Basher, was sich so anhört:

Hanna Arendt[3] warnte bereits in den 1940er Jahren vor der Vision eines jüdischen Nationalstaats. Emigration war in ihren Augen die falsche Antwort auf den europäischen Antisemitismus. Sie plädierte für Konfrontation und nicht Flucht in nationalistische Visionen.“

Auch wenn Hanna Arendt tatsächlich etwas ähnliches sagte, wäre es schon wichtig gewesen, nicht unbestimmt zu bleiben und das Jahr zu sagen, wann sie das sagte.

Nehmen wir an, es war in der ersten Hälfte der vierziger Jahre. Meinte also Arendt, sie selbst hätte ein Fehler begangen, als sie nicht die direkte Konfrontation mit der deutsch-österreichischen Volksgemeinschaft wagte und zuerst nach Frankreich, dann in die USA flüchtete? Wenn sie das aber nach der Befreiung Europas durch die Alliierten sagte, meinte sie dann tatsächlich, die Überlebenden sollten dorthin zurückzukehren, wo man sie ausgrenzte, um sie dann zu ermorden, wo es noch nach 1945 Pogrome gab, wohin wie zum Beispiel nach Österreich man sie nicht zurückrief, wo Regierung und Gesellschaft – mit sehr wenigen Ausnahmen – sich gegen eine solche Rückkehr sträubte?

Kann man heute noch implizit behaupten, Juden wären selbst schuld am Holocaust, denn sie hätten sich nicht gegen den Antisemitismus gestellt?

Welcher abgrundtiefer Zynismus treibt die Macher solch einer Sendung, solches kommentarlos auszustrahlen?

Ist es nicht der geheime Wunsch, die Phantasie, den Traum der Groß- und Urgroßeltern endlich verwirklicht zu sehen, dass Juden – soweit sie die angestrebte Rückkehr derjenigen überleben, die man obwohl in dritter und vierter Generation außerhalb Israels geboren – palästinensische Flüchtlinge nennt – wieder schutzlose Objekte werden, die als Subjekte auf Toleranz angewiesen sind, um als Dhimmis zu überleben?

Postzionistische Agitation im österreichischen Radio

Am 14. Mai setzte Ö1 die postzionistische Agitation fort. Es ist nicht der Mühe wert, die Halbwahrheiten und ganzen Unwahrheiten hier zu widerlegen. Nur ein Detail, wenn es um eine Stellungnahme gegen den Staat Israel und den Zionismus geht, da begnügt man sich nicht mit israelischen “Postzionisten”, am 14. Mai ließ man auch die britische Akademikerin Jacqueline Rose zu Wort kommen, deren Begeisterung für Edward Said in umgekehrter Relation steht zu ihren Kenntnissen der Geschichte des Zionismus.

Ihr Buch The Question of Zion (2005) – das Said gewidmet ist – möchte nicht weniger erreichen als das Judentum vom Fluch des Nationalismus und Messianismus zu befreien. Es ist die alte Neturei Charta Mantra. Juden haben kein Recht auf einen Staat.

Kann das Judentum gerettet werden? Ja, meint Rose durch gründliche Abweisung des Zionismus. Der Zionismus ist ihrer Meinung nach verantwortlich für die Mobilisierung von zwei Kräften, den unbewussten Messianismus der Juden und die Psychopathologie der Schoa.

Rose unterrichtet Englisch an der Universität London und sie liebt Konfrontationen. In einem Artikel, den sie drei Tage nachdem ein palästinensischer Selbstmordattentäter auf einem offenen Markt in Tel Aviv 2004 drei Menschen getötet und 32 verletzt hat publizierte, urgierte Rose die Selbstmordattentäter „ohne Herablassung“ zu verstehen. Sie bezog sich auf

unbearable intimacy shared in their final moments by the suicide bomber and her or his victims. Suicide bombing is an act of passionate identification–you take the enemy with you in a deadly embrace. As Israel becomes a fortress state and the Palestinians are shut into their enclaves, and there is less and less possibility of contact between the two sides, suicide bombing might be the closest they can get.

Sie propagiert nicht nur solche esoterische Gedanken, sondern möchte beweisen, dass Zionismus und Nazismus das gleiche sind, daher war es „laut einer Geschichte“ so Rose „das gleiche Konzert von Wagner in Paris, das Herzl zum Schreiben von Der Judenstaat und Hitler zum Schreiben von Mein Kampf inspirierte.“

Nun war Hitler 1940 zum ersten und letzten Mal in Paris, aber was soll das. Realität ist eine bürgerliche Illusion. Wichtig ist nur die richtige Theorie und vor allem die richtige Narrative und das bekommen die Hörer von Ö1 aus Anlass des 60. Jahrestages Israel reichlich verabreicht.

Niemand erwartet einen uneingeschränkten Lobgesang auf Israel, doch diese penetrante Berieselung mit postmoderner antizionistischer Agitation ist doch übertrieben.


[1] “A Land without a People for a People without a Land”, by Diana Muir Middle East QuarterlySpring 2008, pp. 55-62 http://www.meforum.org/article/1877

[2] www.camera.org/index.asp?x_context=8&x_nameinnews=94

[3] Hannah Arendt, Philosophin geboren 1906 in Hannover, gestorben 1975 in New York, flüchtete 1933 nach Paris und 1941 in die USA wo sie 1951 die Staatsbürgerschaft annahm.

Karl Pfeifer: Absurdes Israel-Bashing im Ö1

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