Offener Brief an den Rektor der Universität Wien aus Anlass einer geplanten Veranstaltung mit Norman Finkelstein

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AkademikerInnen für Frieden im Nahen Osten
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Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich
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Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich
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1010 Wien

Seine Magnifizenz Rektor
Univ. Prof. Dr. Georg Winckler

Universität Wien

georg.winckler@univie.ac.at

Offener Brief

Wien, 7. Mai 2009

Betr.: Veranstaltung mit Norman Finkelstein: Israel-Palestine, Roots of Conflict- Prospects for Peace

Eure Magnifizenz,

sehr geehrter Her Professor Dr. Winckler,

Wir haben erfahren, dass für den 27. Mai 2009 eine Vortragsveranstaltung mit Norman Finkelstein auf dem Universitätscampus (ehemaliges AKH), Hörsaal C1 geplant ist. Er soll über den israelisch-palästinensischen Konflikt sprechen und es ist davon auszugehen, dass er einmal mehr seine krude und gefährliche These, wonach die „Zionisten“ den Holocaust dazu nützen würden, um jede Kritik an israelischer Politik zum Verstummen zu bringen, vortragen wird.[1]

Auch wenn es sich dabei um keine universitäre oder wissenschaftliche Veranstaltung handeln dürfte, erfüllte es uns mit Sorge und Erstaunen, dass die Universität Wien ihre Räumlichkeiten für eine so problematische Person wie Finkelstein und für eine derartig einseitige Propagandaveranstaltung zur Verfügung stellt.

Finkelstein hat mit seinem Buch „Die Holocaust-Industrie“ – ein hetzerischer Titel, dessen Urheberschaft bezeichnender Weise auch die beiden neonazistischen Geschichtsfälscher David Irving und Ernst Zündel für sich beanspruchen – zur Relativierung der Shoah und Verbreitung des Antisemitismus beigetragen, nicht zuletzt indem er dort die Singularität des nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen offen in Abrede stellt. Das fällt gerade in Österreich, das so lange Schwierigkeiten mit der Annahme von Schuld gehabt hat, auf besonders fruchtbaren Boden. Gerade jene fast 50% der ÖsterreicherInnen, die meinen, dass „die Juden den Holocaust für ihre Zwecke ausnutzen, fühlen sich durch ein derartiges Machwerk bestätigt. Dementsprechend groß ist auch das Wohlwollen, welches Finkelstein sich in rechtsextremen bis neonazistischen Kreisen erworben hat. „Ein Jude spricht die Deutschen frei!“, titelte etwa die neonazistische Nationalzeitung euphorisch.[2]

Alfred Schobert hat für das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) die Rolle Finkelsteins im Diskurs der extremen Rechten analysiert.[3] Sein zusammenfassendes Urteil über die Bedeutung des antizionistischen Agitators für die Beförderung des Antisemitismus: „Finkelstein ist der Sohn von Holocaustüberlebenden, der noch lebenden Opfern der Nazis Schaden zufügt; er will die Erinnerung an die Opfer wahren, doch er untergräbt sie. Finkelstein versteht sich als radikaler Linker, der indes (…) Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten leitet. Das ist der sachliche Hintergrund, vor dem man Finkelstein einen ‚jüdischen David Irving’ genannt hat.“[4]

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) schreibt über Finkelstein u. a.: „Dass sich Finkelstein als Jude Angriffe leisten kann, die ansonsten umgehend als antisemitisch identifiziert werden, macht ihn so bedeutend für die rechtsextreme Szene. Als der ‚revisionistische’ Geschichtsfälscher David Irving bereits Anfang der 90-er Jahre über die ‚Holocaust-Industrie’ schwadronierte, kam er damit über die engere Szene nicht hinaus. Erst Finkelstein schaffte es, dieses Unwort im etablierten Medien-Diskurs zu verankern. Wenn auch Finkelstein die Shoah nicht grundsätzlich leugnet, so verbindet ihn vieles mit dem von ihm so geschätzten Irving. Das ‚revisionistische’ National Journal meint etwa auf seiner Homepage über die beiden so unterschiedlichen Kämpfer gegen die ‚Holocaust-Industrie’: ‚Zwei Männer – Eine Erkenntnis!’[5]

Zu dieser politischen Problematik kommt Finkelsteins mehrfach dokumentierte Neigung zu persönlichen Angriffen gegenüber Wissenschaftern, wie Alan Dershowitz, Benny Morris und anderen, die seine Meinungen nicht teilten[6]. Dies hat schließlich dazu geführt, dass ihm letzten Endes die unbefristete Anstellung als Dozent verweigert wurde und er den Titel Universitätsprofessor zu Unrecht trägt. Auch die internationale Wissenschaftervereinigung von Scholars for Peace in the Middle East wurde vor einiger Zeit von Finkelstein als „Nazi-PHDs“ diffamiert.[7]

Der Titel der Veranstaltung „Israel-Palestine, Roots of Conflict- Prospects for Peace“[8] und die Unterstellung Israel wende im Umgang mit Palästinensern „Nazimethoden“ an[9], geben Anlass zur Sorge, dass diese Veranstaltung für antisemitische Aktionen missbraucht werden könnte.

Bezeichnenderweise wird diese Veranstaltung sowohl in der rechtesextremen als auch in der linksextremen Szene beworben.[10] Aber schon angesichts der Bedeutung Finkelsteins für den Kampf gegen die Erinnerung an die Shoah und gegen Israel als jüdischen Staat ist davon auszugehen, dass am 27. Mai auch Neonazis aufmarschieren werden, um einem ihrer Idole zu lauschen.

Wir bitten, dies im Zusammenhang mit der zur Verfügungstellung einer Räumlichkeit auf Universitätsgelände für diesen „jüdischen David Irving“ zu bedenken.

Für den Vorstand von SPME Austria:
Mag. Dr. Ruth Contreras, HRätin i.R
Ruth.contreras@wavenet.at
spme.org

Für die Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich:
Hon. Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer
aktion@gegendenantisemitismus.at
www.gegendenantisemitismus.at

Für den
Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs
Dr. Ariel Muzicant, Präsident
Mag.Raimund Fastenbauer, Generalsekretär


[1] Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie, Piper-Verlag, München 2002. siehe auch
http://www.bpb.de/publikationen/EKE79A,0,0,HolocaustIndustrie.html
http://www.zeit.de/2000/36/Widerwaertig

[2] Nationalzeitung 40/00, 29. September 2000

[3] http://www.fritz-bauer-institut.de/rezensionen/nl21/hoppe.htm

[4] Dietzsch, M.; Schobert, A. (Hg.): Ein „jüdischer David Irving“? Norman G. Finkelstein im Diskurs der Rechten- Erinnerungsabwehr und Antizionismus. Duisburg 2001, S. 6

[5] http://www.doew.at/projekte/rechts/chronik/2001_02/finkel.html

[6] siehe u.a. Finkelstein, Norman G.; Antisemitismus als politische Waffe, Piper, München 2006 (engl. Original: „Beyond Cutzpah“)

[7] “NAZI PHDs FOR PEACE mourn death of ubermenschen”: http://www.normanfinkelstein.com/article.php?pg=11&ar=1553

[8] http://www.xing.com/events/339532/description

[9] http://www.israel-palaestina.de/Nahostkonflikt-Artikel/Finkelstein-Gaza-Holocaust.htm
http://www.normanfinkelstein.com/deutschland-uber-alles

http://www.normanfinkelstein.com/finkelstein-on-gaza-war-massacre/

[10] http://eisernekrone.blogspot.com/2009/05/norman-finkelstein-in-wien.html, http://www.antiimperialista.org/content/view/6126/52/, http://www.gazamussleben.at/

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