Dr. Matthias Küntzel stellt in Berlin sein neues Buch vor

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„Deutschland, Iran und die Bombe”, aktueller könnte das neue Buch des Iran-Experten und deutschen SPME-Vorstands Dr. Matthias Küntzel nicht sein, das er, von SPME-Vorstandsmitglied Dr. Nikoline Hansen adäquat moderiert, erstmalig in Berlin einer breiteren Öffentlichkeit vorstellte.

Zur Buchvorstellung hatte die deutsche Sektion von SPME in Kooperation mit der europaweiten Kampagne „Stop the Bomb” eingeladen, deren Ziel es ist, gemeinsam mit anderen die atomare Bewaffnung des iranischen Regimes zu verhindern.

Die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer, die ihren Weg zum historischen Veranstaltungsort im Berliner Regierungsviertel gefunden hatten, sollten ihr Kommen nicht bereuen, gewohnt fachkundig vermittelte Küntzel den aufrüttelnden Gehalt seines jüngsten Buches anhand ausgewählter Teststellen.

„2012 könnte sich im Rückblick als ein Schlüsseljahr erweisen”, schreibt Küntzel in der Einleitung, „heute erfordert das Bewusstsein „für die Herausforderungen unserer Zeit” vor allem dies: Den Mittelkurs zwischen Iran und Israel abzubrechen, um „der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels” in dessen Auseinandersetzung mit Iran tatsächlich Rechnung zu tragen.”

Küntzels aufgrund bisher unveröffentlichter Dokumente brisantes Buch beleuchtet den besonderen Charakter nicht nur des derzeitigen iranischen Regimes, sondern auch den der tiefen, gepflegten deutsch-iranischen Beziehungen, die alle Krisen bisher unbeschadet überstanden haben – und das angesichts eines Regimes, das seine eigene Bevölkerung massiv unterdrückt, Minderheiten drangsaliert und verfolgt und Israels Zerstörung offen propagiert.

Küntzels Buch, das überwiegend Aufsätze aus den Jahren seit Veröffentlichung seines Standardwerkes „Die Deutschen und der Iran” aus dem Jahre 2009 versammelt, versteht sich auch als Antwort auf das in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichte antisemitische Pamphlet des deutschen Literaturnobelpreisträgers Günter Grass, der Israel gegen die Faktenlage projektiv unterstellte, den Iran vernichten zu wollen und Israel als größte Gefahr für den Weltfrieden bezeichnete – so wie die Mehrheit der deutschen Bevölkerung.
Küntzel spricht davon, dass Grass einen geradezu „paranoiden Hass auf Israel” schüre.
Seit März/April diesen Jahres lässt sich eine erneute Stimmungsverschärfung in Deutschland gegen Israel feststellen: Warum, so fragt der Autor, löst die Vernichtungsdrohung gegen Israel nicht annähernd gleiche Empörung aus wie der Ausbau nur einer einzigen bereits bestehenden israelischen Siedlung?
Die Antwort Küntzels: jahrhundertealte Muster setzen sich fort. Seit Jahrhunderten wird auf Juden eingeschlagen; die Überraschung ist groß, wenn sie sich wehren. Man denke an Gaza oder die zweite Intifada mit den mörderischen palästinensischen Selbstmordanschlägen, die eine israelische Reaktion erforderten.
In Deutschland glauben 65% der Bevölkerung, dass Israel den Weltfrieden gefährde; das führt zu bezeichnenden Artikelüberschriften wie der: „Israel droht sich zu verteidigen.”

Die Veranstaltung in Berlins Mitte fand am 20.6.2012 nur einen Tag nach den in Moskau einmal mehr gescheiterten Verhandlungen der 5+1 Mächte mit den iranischen Machthabern statt; Gespräche, die dem Regime in Teheran nur mehr Zeit verschaffen, um dem Griff nach der Bombe technologisch und somit politisch wieder einmal näher zu kommen. Küntzel machte klar, dass die entscheidende Rolle Deutschlands dabei in den Medien gar nicht thematisiert werde, es sei nahezu unbekannt, dass die Verhandlungen von Helga Schmid, Ex-Büroleiterin von Joschka Fischer, geleitet würden. Fischer hatte die Überleitung des die iranische atomare Aufrüstung thematisierenden Iran-Dossiers an den UN-Sicherheitsrat als Schutzpatron Teherans jahrelang verzögert. „Vor allem der deutschen Regierung ging es um Grundsätzliches: Iran sollte der Antiirak werden …”, zitierte Küntzel die FAZ von März 2004 bereits in seinem Buch „Die Deutschen und der Iran”.

 Mit dem Scheitern der jüngsten Verhandlungen in Moskau, die auf „Arbeitsebene” übrigens nichtsdestoweniger fortgesetzt werden sollen, erhöht sich die Kriegsgefahr dramatisch und mit jedem Tag, gerade weil schon bestehende Sanktionen von deutschen Unternehmen unterlaufen werden. Küntzel hält den Kampf um Sanktionen für nahezu bereits verloren, falls nicht noch weitere einschneidende Sanktionen beschlossen würden, er zeigt in seinem Buch die Mechanismen der Sanktionsblockaden auf.
Im Rahmen der Veranstaltung zitierte er den israelischen Vizeaußenminister Danny Ayalon, der davon sprach, dass die israelische Regierung die Lage in und um Iran nunmehr täglich prüfe. Israel hatte vor der jüngsten Verhandlungsrunde klare Bedingungen für die Atomgespräche mit der iranischen Führung formuliert – dazu gehörte vordringlich, die Urananreicherung sofort und komplett einzustellen.

Stattdessen haben die Gespräche in Moskau gezeigt, dass der Westen erneut vorgeführt wurde und dem Iran weiterhin gestattet wird, Uran anzureichern.
Eine atomare Bewaffnung des Regimes in Teheran wäre der Todesstoß für die an Regime Change orientierten Oppositionellen im Iran, die Bombe würde das Regime praktisch unangreifbar machen.

Im Gegensatz zum in Deutschland vorherrschenden Diskurs betont Küntzel den irrationalen Charakter des iranischen Regimes, der im schiitischen Messianismus, apokalyptischen Vorstellungen und vor allem in der suizidalen Mentalität gründe. Todessehnsucht in Verbindung mit religiösem Fanatismus und der Kernspaltung – diese brisante Mischung klingt nicht sehr rational, wenn Küntzel auch einräumt, dass dies keine Irrationalität im Sinne fehlender Zweck-Mittel-Abwägung bedeute: rational im Sinne der Machthaber könne es durchaus sein, im Falle eines israelischen Angriffes auf iranische Atomanlagen im Rahmen eines Gegenschlages etwa „nur” Israel anzugreifen, um die USA nicht in den Krieg hineinzuziehen, eine Art instrumentelle Vernunft im Dienste des Wahns also.
Denn das iranische Regime ist das derzeit einzige in der Welt, das den Krieg als antisemitischen Krieg zu führen beabsichtigt: das Regime will Auslöschung, will Vernichtung und lässt entgegen der Mär von Übersetzungsfehlern daran wiederholt keinen Zweifel.
Der Faktor Antisemitismus ist einer, der trotz der jederzeit prekären Existenz einer jüdischen Minderheit im Iran nicht zu vernachlässigen ist.

Den Reden Ahmadinedschads lässt sich entnehmen, dass der iranische Führer, angetrieben von „Erlösungsantisemitismus” ( Saul Friedländer ), zwischen Zionisten und Juden keinen Unterschied macht. Seine Vorstellung von Frieden, das heißt einer Welt „befreit” von Juden, gemahnt an den historischen Begriff vom „ewigen deutschen Frieden” und damit an nationalsozialistische Wahnvorstellungen analog der „Protokolle der Weisen von Zion”. Und in der Tat sollte bekannt sein, dass der iranische Revolutionsführer Chomeini in seiner Jugend ein begeisterter Zuhörer des nationalsozialistischen Propagandasenders Radio Zeesen war. Der Einfluss des nationalsozialistischen bzw. europäischen Antisemitismus auf die heutige iranische Staatsdoktrin kann nicht überschätzt werden.

Die iranische Verfassung sieht, das wird noch immer zu wenig gesehen, zum Export der islamischen Revolution schiitischer Prägung die expansive Bewaffnung vor. Mit einer iranischen Bombe und der dann sicher folgenden atomaren Aufrüstung weiterer arabischer Staaten würde der Nahe Osten zum Pulverfass; auch eine Terrorgruppe wie die Hisbollah könnte seitens des Iran dann atomar bewaffnet werden.

Ganz besondere Sorge sollte Israel gelten, da die jahrelangen Sanktionsbemühungen wenig effektiv waren. Anders als Europa ist Israel nicht strategisch, sondern existenziell bedroht. Küntzel verweist auf die negativen historischen Erfahrungen mit der Weigerung etwa der USA und Großbritanniens während des  Zweiten Weltkriegs, die Judenvernichtung mit der Bombardierung der Gleise nach Auschwitz wenigstens entscheidend zu verzögern. Wer denkt nicht an die seinerzeitige Reise des polnischen Emissärs und Zeugen der Vernichtung Jan Karski nach Washington, um die Alliierten zum Handeln zu bewegen; eine, wie wir wissen, tragisch gescheiterte Mission?
Diese Erfahrungen prägen Israelis bis heute, eine Erfahrung, die den Staat der Holocaust-Überlebenden gelehrt hat, sich, wo es um die eigene Sicherheit geht, nie mehr auf andere zu verlassen. Küntzel zitiert in seinem Buch die in Israel lebende Holocaust-Überlebende Fanny Englard: „Wir haben nicht überlebt und eine neue Familie in die Welt gesetzt, um sie heute erneut dem Judenhass als Opfer darzubieten.”

Die Position der Bundesregierung besteht dagegen hauptsächlich in an die Adresse Israels gerichtete Belehrungen: ein möglicher Angriff auf den Iran sei auf jeden Fall zu verhindern. Ohnehin hat der Beobachter der schier endlosen, monologischen Verhandlungsrunden des Westens mit Teheran den Eindruck, diese Runden dienten allein dem Zweck, Israel an einem Militärschlag zu hindern: Gespräche um ihrer selbst willen, während derer es für Israel unmöglich gemacht werden soll, sich selbst nach vorne hin zu verteidigen, denn in einem solchen Fall hätte Israel in einseitiger Interpretation als Aggressor auch gegen die Diplomatie gehandelt und ihr keine Chance auf eine angeblich mögliche Verhandlungslösung gegeben.

Am business as usual mit Teheran hat jedoch nicht nur die Bundesregierung ihren Anteil, indem sie Geschäfte mit einem barbarischen Regime nicht unterbindet, sondern auf folgenlose Appelle an die Wirtschaft setzt. Die Zivilgesellschaft in Deutschland spielt ebenfalls ihre Rolle; sie nutzt nach wie vor enge Kontakte zum Regime, wie Küntzel an zahlreichen Beispielen in seinem Buch nachweist.

Die Frage der Einschätzung der deutschen Sonderbeziehungen zu Teheran bekommt vor dem Hintergrund einer drohenden militärischen Auseinandersetzung besondere Bedeutung. Unterschätzt Berlin die iranische Bombe? Handelt die Bundesregierung einfach naiv? Schon 1997 fand es selbst die Stiftung für Wissenschaft und Politik, deren Protagonisten Christoph Bertram und Volker Perthes sicher keine Kritiker des iranischen Regimes sind, rätselhaft, dass eine Bundesregierung die Gefahr einer iranischen Bombe derart herunterspielt.
Handeln deutsche Unternehmen aus einer „aktiven Ignoranz” heraus, wie ein Veranstaltungsteilnehmer es in der anregenden Diskussion nach Küntzels Vortrag mutmaßte, oder ist der Westen als „fünfte Kolonne” Teherans zu sehen, wie es ein anderer Debattenteilnehmer formulierte?
Zwar ist das Volumen des gesamten Exportes von Deutschland in den Iran gemessen an den sonstigen Gesamtexporterlösen vergleichsweise gering und somit, falls wirklich gewollt, entsprechend zu ersetzen, doch fehlt dazu offenkundig der politische Wille, wie auch das Angebot an Teheran, in zunehmend schwierigen Sanktionszeiten sogar die Bundesbank als Zahlungsschleuse für die Abwicklung von Geschäften mit dem Iran einzusetzen, erschreckend dokumentiert.
Trotz des Kanzlerinnenwortes vor der Knesset von der israelischen Sicherheit als deutscher Staatsräson gibt es einen deutschen Mittelweg zwischen Jerusalem und Teheran, der im Falle einer strategischen deutschen Partnerschaft mit den Mullahs deutlich antiamerikanisch motiviert wäre und somit die vor allem seit der deutschen Enthaltung im UN-Sicherheitsrat in der Libyen-Frage registrierten Zweifel an Deutschlands Verortung im Westen verstärkte. Wer trägt in Europa also die Mitverantwortung durch unterlassenes Handeln gegen Teheran dafür, sollten die USA und/oder Israel eines Tages dazu gezwungen sein, gegen Teheran militärisch vorzugehen?

Jörg Rensmann, Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von SPME

Das Buch von Matthias Küntzel „Deutschland, Iran und die Bombe ist zu bestellen unter:

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Weitere Informationen beim Verlag:

http://www.lit-verlag.de/isbn/3-643-11703-8

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