Kunst in Berlin: Die 7.Berlin Biennale im Zeichen der Vertreibung und Auschwitz

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Kunst kommt von Können, hieß es früher. Kunstdas war und ist in erster Linie Ästhetik und: über Kunst lässt sich streiten wie über Geschmack. Die freie Kunst und die staatlich verordnete Kunst sind allerdings grundsätzlich in einer Dimension verschieden: die freie Kunst gefälltoder auch nicht; die staatlich finanzierte ordnet sich dagegen einem Zweck unter: der Verherrlichung einer politischen Doktrin. In Berlin gibt es nun eine Kunstförderung der ganz eigenen Art: Das Berliner „KW Institute for Contemporary Art” organisiert seit 1996 die so genannte Berlin Biennale – in Anlehnung an die 1895 in Venedig ins Leben gerufene Biennale, ganz nach dem Motto: „Was die Italiener können, das können wir erst Recht: „Die Berlin Biennale ist das Forum für zeitgenössische Kunst in einer der attraktivsten Kunstmetropolen weltweit” [sic, Markierung im Original] heißt auf der Webseite im Blog „Über uns“. Und weiter: „Sie findet alle zwei Jahre an variierenden Orten in Berlin statt und wird von unterschiedlichen Konzepten namhafter Kuratorinnen und Kuratoren geprägt. Sie sind berufen, den Dialog mit der Stadt, ihrer Öffentlichkeit, den Kunstinteressierten sowie den Künstlerinnen und Künstlern dieser Welt zu führen.” Berlin und der Rest der Welt – das passt. 2012 steht die Berlinale daher ganz im Zeichen der Politik und – fast hätte man es ahnen könnender Vertreibung. Vertreibungdas ist ein Thema, das die Deutschen schon lange beschäftigt, gerade wie den Rest der Welt. Die Deutschen wurden vertrieben, nachdem sie den Zweiten Weltkrieg angezettelt hatten. Mitschuld an diesem Desaster waren die Amerikaner, die seinerzeit die Indianer vertrieben hattenein Nebenkriegsschauplatz in Deutschland 2012, der im ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem gefeiert wird. Nein, die eigentliche Vertreibung, die die Deutschen am meisten unter die Haut geht, ist die Vertreibung der Palästinenser aus Israel – die große Katastrophe, die sich nicht nur 1948 sondern noch einmal 1967 ereignete, wenn man den Initiatoren der Berlin Biennale Glauben schenkt: „Seit dem Massenexodus in den Jahren 1948 und 1967 warten Generationen von Palästinensern in zahlreichen Flüchtlingslagern in Palästina und dem Nahen Osten auf die Erfüllung eines „Rückkehrrechts“. Als die ersten Vertriebenen ihre Häuser verließen, nahmen sie, in der Annahme, bald zurückzukehren, ihre Hausschlüssel mit. Die Schlüssel wandern seitdem als Andenken von Generation zu Generation – als Erinnerung an das verlorene Zuhause, als bleibende Symbole für die Einforderung eines Rechts auf Rückkehr und als Bekräftigung der eigenen Menschenrechte.” So weit, so gut. Was ist daran die Kunst? „2008 stellten die Bewohner des Flüchtlingslagers Aida nahe Bethlehem (Palästina) in einem Gemeinschaftswerk den angeblich größten Schlüssel der Welt her. Der Schlüssel wurde aus Stahl gefertigt, ist eine Tonne schwer und etwa neun Meter lang. Er wurde am Lagereingang installiert, wo er verkündet: „Unser Recht auf Rückkehr ist unanfechtbar.” Die 7. Berlin Biennale trat mit den Bewohnern des Flüchtlingslagers Aida ins Gespräch. Es wurde vereinbart, die Skulptur auszuleihen und für die Dauer der Biennale nach Berlin zu bringen.” Das an und für sich ist ja schon ein kleiner Skandalerfolgte die Finanzierung des Transports doch mit Unterstützung des Goethe-Instituts, das an und für sich deutsche Kultur im Ausland fördern soll. Noch skandalöser wird das ganze allerdings, wenn man sich das Konzept der Ausstellung selbst ansieht, so wie sie sich am 16. März präsentiert: denn zeitgleich mit dem Schlüsselprojekt, das am 12. März in Palästina als politischer Erfolg gefeiert wurde und den Israelberichterstatter Ulrich Sahm zu der Schlagzeile „Goethe-Institut finanziert Zerstörung Israels” veranlasste – das entsprechende palästinensische Propagandavideo zur Abschiedszeremonie ist mit seinen wahrlich herzergreifenden Szenen auf der Internetseite der „Kunstwerke” zu sehen http://www.berlinbiennale.de/blog/projekte/key-of-return-angeblich-der-groste-schlussel-der-welt-19703 . Aber was wäre schon ein solches Kunstwerk, wenn man es nicht in den richtigen Kontext setzen könnte? Zeitgleich mit der Presseverlautbarung „Key of Return” – angeblich der größte Schlüssel der Welt wurde eine weitere Presseerklärung auf die Webseite gestellt: „Im Rahmen der 7. Berlin Biennale wird ein Projekt der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung gezeigt. Die Stiftung wird Objekte ausstellen, die von Personen gespendet wurden, die ihre Geschichte mit anderen teilen möchten” In Kooperation mit dem Deutschlandhaus wird also die andere Vertreibung thematisiert, die uns eigentlich in den Knochen sitzt: „„Für ihre künftige Dauerausstellung sucht die Stiftung nach Objekten, die an erzwungenen Heimatverlust erinnern, und wendet sich dazu an Betroffene von Zwangsmigrationen und deren Nachfahren. Gegenstand des Sammlungsaufrufs sind Flucht und Vertreibung der Deutschen sowie die gesamte Geschichte der Zwangsmigrationen in Europa im 20. Jahrhundert. (…) Die Erinnerungsstücke sollen vom 27. April bis 1. Juli 2012 im Deutschlandhaus, dem künftigen Ausstellungsort der Stiftung und einem der Veranstaltungsorte der 7. Berlin Biennale gezeigt werden.” Aha. Deutsche Opfer, palästinensische Opfer, und Versöhnung in Sicht? Aller guten Singe sind drei. So wurde ein weiteres bizarres Kunstprojekt für die alte und neue deutsche Hauptstadt vorbereitet: „Das Projekt Berlin-Birkenau bringt einige Hundert junge Birken aus der Umgebung des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau nach Berlin, wo sie an neuen Plätzen über das Stadtgebiet verteilt Wurzeln schlagen können. Die Birkensetzlinge schaffen ein persönliches, auf Eigeninitiative beruhendes Mahnmal, dessen Erhalt von seinem Besitzer abhängt. Anstelle eines aus Stahl oder Eisen geschaffenen Monuments ist da etwas Lebendiges, das einen Teil der traumatischen Vergangenheit verkörpert. In Berlin werden diese Birken zu einem »lebendigen Archiv«, das etwas Wachsendes und Atmendes nach Berlin bringt.” Vernichtetes Leben wird also nun in Form von Bäumen zurück gebracht? Die Bäume wurden bereits an verschiedenen Stellen in Berlin gepflanzt „beziehungsweise an Orten gepflanzt, die in historischer Verbindung zum Holocaust und der Deportation stehen – wie beispielsweise die Gedenkstätte Gleis 13 in Grunewald. An jedem dieser Orte ist eine Plakette mit folgendem Hinweis angebracht: »Im November 2011 brachte der polnische Künstler Łukasz Surowiec 320 Birken aus dem Gebiet um die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau nach Berlin, um gegen das Vergessen zu arbeiten. Die Bäume wurden über den Stadtraum Berlin verteilt und wurden mit Unterstützung der 7. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst gepflanzt.«” Ordnung muss sein. Ein Wunder, dass es Plaketten tun und den Bäumen nicht ihre Nummer in die Rinde geritzt wurde. Aber wir sind ja keine Barbaren mehr. Wir wollen nur die endgültige Erlösung: „Surowiecs Projekt besteht aus einer symbolischen Geste, die etwas nach Deutschland zurückbringt, was zum nationalen Erbe des Landes gehört.” Aha. Birken aus Birkenau gehören zum nationalen Erbe des Landes. Die Liste der Partner ist lang und reicht bis zur Staatskanzlei des Landes Niedersachsen beim Bund. In „den KW” sollen weitere tausende von Setzlingen zu sehen sein, „wo sie für die „Ausstellung gezogen werden”: http://www.berlinbiennale.de/blog/projekte/berlin-birkenau-von-lukasz-surowiec-19073 .
Viel mehr Trauma geht eigentlich kaum. Fehlte vielleicht noch, dass der Schlüssel zur Wiederkehr in der jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße präsentiert wird – ein einstiger Ausstellungsort der vierten Biennale. Dort wurde seinerzeit – 2006 – allerdings ein Wagon gezeigt. Genau. Ein Wagon.
Kunst kommt von können? Kunst kommt von Politik. In Berlin wird sie nicht mehr zweckfrei verstanden. Das vierte Projekt „Forget Fear”erläutert diesen Umstand direkt und ohne Missverständnisse aufkommen zu lassen: „Diese Publikation dokumentiert Schritte auf dem Weg hin zu echter Veränderung in unserer Kultur, hin zu künstlerischem Pragmatismus. Beschäftigt haben uns hierbei konkrete Handlungen, die zu greifbaren Ergebnissen führen. Statt nur Fragen zu stellen, haben wir nach Antworten und Situationen gesucht, die Lösungen verantwortungsvoll umsetzten. Wir sind weder daran interessiert, künstlerische Immunität aufrechtzuerhalten, noch daran, uns von der Gesellschaft zu distanzieren. Wir glauben, dass Politik eine der komple¬x¬esten und schwierigsten menschlichen Tätigkeiten ist. Wir haben KünstlerInnen, AktivistInnen und Politiker¬Innen getroffen, die sich durch ihre Kunst nachhaltig politisch engagieren. Von den Begegnungen mit ihnen berichtet dieses Buch.” Also: Kunst ist Politik. Politik ist Kunst. Nur: von Komplexität ist bei den bislang auf der Webseite vorgestellten Projekten wenig zu verspüren. Sie erschrecken vielmehr durch ihre zielgerichtete Gradlinigkeit und werden nur in der Empörung getoppt, die sich in dem Protest an der Schließung einer Ausstellung in der Ukraine Luft macht: „Die Beeinträchtigung des Visual Culture Research Center ist ein klares Zeichen der eingeschränkten akademischen und künstlerischen Freiheit in der Ukraine. Wir begrüßen die Zielsetzung des Visual Culture Research Center, eine Zusammenarbeit zwischen Künstlern, Wissenschaftlern und politischen Aktivisten zu fördern. Deshalb rufen wir dazu auf, die akademische und künstlerische Freiheit an der Kyiv-Mohyla Academy umgehend wieder herzustellen.” Merke: Kunst ist auch fordern und Diktatur der politischen Aktivisten. Was Kunst ist bestimmt dann wohl der Staat. Der zahlt. Denn wie finanziert sich die Biennale Berlin? Auch diese Information finden wir auf der Internetseite: „Durch die Spitzenförderung der Kulturstiftung des Bundes.”
Die Geschichte war grausam zu uns Deutschen. Aber sie hat sich gelohnt. Berlin ist wieder eine blühende Metropole. Und versteht sich wieder als führendes Zentrum der Macht. Dank der Spitzenförderung der deutschen Hauptstadtkultur. Kunst wird gemacht. Gegen die Ohnmacht der Erinnerung. Und am Ende wird Berlin dann auch noch ein neues Birkenwäldchen haben. Ein Parlament der Bäume hat wohl nicht ausgereicht.
Die Zitate sind am 18.3.2012 der Internetseite http://www.berlinbiennale.de entnommen.
 

Kunst in Berlin: Die 7.Berlin Biennale im Zeichen der Vertreibung und Auschwitz

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Nikoline Hansen


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