Jörg Rensmann: Rede anlässlich des Israeltages gehalten am 14. Mai 2012 in Stuttgart

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Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich, heute die Gelegenheit erhalten zu haben, mit Ihnen gemeinsam den Geburtstag Israels zu feiern – den 64. Unabhängigkeitstag – das ist wahrhaftig Grund zur Freude.

Israel ist ein blühendes Land, ein Land voller Zukunft, eine – und das wird in Europa häufig vergessen oder unterschlagen – funktionierende Demokratie, in der ihre Bürgerinnen und Bürger volle und gleiche Rechte haben. Es ist manchmal traurig, auf Selbstverständlichkeiten hinweisen zu müssen.
Die Vermittlung auch von Selbstverständlichkeiten in Europa ist kein Selbstläufer. Dass, bei allen für eine Demokratie ebenfalls selbstverständlichen schwierigen inneren Prozessen, Israel eine diskussionsfreudige, lebendige Demokratie ist, sollten wir nicht vergessen und auch entsprechend immer wieder vermitteln.
Gestatten Sie mir einen kurzen Blick auf unser Europa. Hier hat der Antisemitismus ein erschreckendes Ausmaß angenommen:
In Malmö, Schweden, und Roubaix, Frankreich, verlassen Juden diese Orte.

Wir sind konfrontiert mit Männern wie dem Begründer der Friedens- und Konfliktforschung, dem Norweger Johan Galtung, der auf gut antisemitisch den Mossad mit dem rechtsextremen Mörder Anders Breivik in Verbindung bringt.

Für Galtung kontrollieren Juden die US-Medien und für ihn tragen Juden eine Schuld an Auschwitz: sie hätten schließlich „einflussreiche Positionen in Deutschland bekleidet.”

Auf Günter Grass werde ich nicht weiter eingehen, aber er repräsentiert einen Großteil der Bevölkerung.

In Deutschland waren einer Umfrage zufolge 2010 nahezu 60% der Befragten der Ansicht, Israel führe einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser.
Meine Damen und Herren, angesichts dieser Wirklichkeit im Jahre 2012, den höchsten Antisemitismus-Werten seit dem zweiten Weltkrieg fordere ich die europäischen Regierungen auf, ihre innenpolitischen Hausaufgaben zu machen und den Antisemitismus, ich betone: wirkungsvoll zu bekämpfen; der Nahostfriedensprozess ist nur von den daran beteiligten Konfliktparteien im Rahmen von direkten Verhandlungen zu gestalten.

Das Gesprächsangebot seitens einer israelischen Regierung, die den Friedenswillen ihrer Bevölkerung repräsentiert, liegt auf dem Tisch, allein die Palästinensische Autonomie weigert sich, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Hermetischer Faktenresistenz gegenüber bleibt festzuhalten:

Dass die Juden historisch in Palästina schon vor der Staatsgründung und aktuell heute von Israel aus ihren arabischen Nachbarn das Angebot zu Frieden und Kooperation gemacht haben, gehört zu den historischen Wahrheiten.

Es waren nicht die Juden in Palästina, die den UN-Teilungsplan von 1947 nicht akzeptiert haben, sondern es war eine arabische Elite, darunter der deutsche Verbündete und NS-Kriegsverbrecher, der Mufti von Jerusalem Amin al-Husseini.

Die arabischen Führer haben ihre eigenen Leute verraten, von denen sehr viele sehr wohl ein Interesse an einem gedeihlichen, prosperierenden Miteinander hatten, Seite an Seite mit Israel, wie es noch heute eine sinnvolle Utopie im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung ist.

Dies sollte gerade dann nicht vergessen werden, wenn wir daran denken, welchen Gefährdungen der im Vergleich zu anderen Nationen immer noch sehr junge Staat Israel ausgesetzt ist – und seit seiner Gründung ausgesetzt war.

Jedoch gab es in der israelischen Geschichte vielleicht noch keine so große Bedrohung wie die, der Israel jetzt und aktuell ausgesetzt ist: ein islamistisches Regime in Teheran bedroht alle israelischen Bürger, auch alle Minderheiten in Israel in ihrer Existenz.

Die islamische Republik Iran hat seit der islamischen Revolution im Jahre 1979 daran keinen Zweifel gelassen; ihre derzeitigen Führer sind sich trotz aller internen Querelen und Fraktionsstreitigkeiten gerade darin einig: Israel ist der Hauptfeind, der über kurz oder lang verschwinden muss.

Die Werke des geistlichen Führers der iranischen Revolution, Ayatollah Chomeini, triefen nur so von Antisemitismus, und Chomeini hat wie Islamisten generell da keinen Unterschied gemacht zwischen Zionisten und Juden.

„Die Juden … wollen einen jüdischen Weltstaat schaffen”, heißt es in seinem Hauptwerk „Der islamische Staat” von 1971, wir sehen die Wahnidee vom „jüdischen Weltstaat”, die die islamische Überlieferung nicht kennt. Chomeini, der mit dem nationalsozialistischen Antisemitismus sehr vertraut war, hat die Leitidee der antisemitischen Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion”, jener Fälschung des zaristischen Geheimdienstes, aufgegriffen. Chomeini hämmerte seinen Zuhörern schon seit den sechziger Jahren einen Hass auf den Staat Israel ein.

Auch Ahmadinedschad, dessen Holocaustleugnung in Europa kaum eine Rolle spielt, hat aus seinem Antisemitismus niemals einen Hehl gemacht.
Wir müssen uns diesen Charakter eines Regimes vor Augen halten, wenn es uns darum geht deutlich zu machen, warum solche fanatischen Judenhasser und Menschenrechtsverletzer niemals in den Besitz von Atomwaffen gelangen dürfen.

Die islamistischen Führer im Iran, die niemand legitimiert hat, unterdrücken seit Jahrzehnten die nach Freiheit dürstenden Menschen im Iran, foltern und töten Oppositionelle, verfolgen Frauen, Schwule, Bahai, generell Menschen, die nicht in ihr vom Erlösungswahn bestimmtes Menschenbild passen.

Der Export einer islamischen Revolution ist in der iranischen Verfassung, meine Damen und Herren, explizit festgehalten.

Insofern ist der derzeitige Iran natürlich eine Bedrohung auch für uns hier in Europa, eine Bedrohung für alle an Freiheit und individueller Selbstbestimmung festhaltenden Menschen weltweit. Das iranische Regime unterstützt auch in Deutschland Gruppen wie die hierzulande aus unerfindlichen Gründen noch immer nicht verbotene Hisbollah – eine extrem gefährliche Terrororganisation.

Niemand garantiert uns hier, dass eine solche Organisation nicht eines Tages aus Teheran nicht auch den Befehl zu Terrorattacken hierzulande erhält.
Ein solches Regime also schickt sich an, sehr bald schon die politische Entscheidung zum Bau von Kernwaffen zu treffen – die technologischen Voraussetzungen zum Bau der Bombe sind weit gediehen.

Allen diplomatischen Verhandlungen zum Trotz, allen zu wenig effektiven Wirtschaftssanktionen zum Trotz. An der Forderung nach Regime Change im Iran, meine Damen und Herren, kann es schon aus Gründen der Solidarität mit den Oppositionellen im Iran und denen im Exil, die auch hier unter uns leben, keinen Zweifel geben.

Die Frage ist allerdings, ob die schon beschlossenen Sanktionen ausreichen, das Regime in einer bestimmten Frist noch am Bau der Bombe zu hindern.
Die Sanktionen haben bewirkt, dass das Regime an den Verhandlungstisch zurückgekehrt ist; Ende des Monats dürfen ihm seitens des Westens keine Zugeständnisse für einen faulen Kompromiss gemacht werden: Der Iran muss die Urananreicherung ohne Wenn und Aber sofort stoppen.
Meine Damen und Herren, ich sage es hier und heute ganz deutlich: alle Optionen liegen auf dem Tisch.

Sollten Israel oder die USA gezwungen sein, in einem Akt legitimer Prävention den Iran anzugreifen, dann auch wegen der Zögerlichkeit der Europäer.
Wir stehen mit unserer Kampagne „Stop the Bomb” für harte Sanktionen und befürworten, dass die militärische Option als Druckmittel auf dem Tisch bleibt.

Von der deutschen Regierung erwarten wir, dass sie zu ihrem Wort steht, keine atomare Bewaffnung des derzeitigen iranischen Regimes zuzulassen. Außenminister Westerwelle hat sich kürzlich in diesem Sinne geäußert.

Wir erwarten, dass die Regierung Sanktionen nicht zurücknimmt, sondern verschärft, da gibt es Spielraum. Wir erwarten, dass die Bundesregierung das iranische Regime auch politisch und diplomatisch vollständig isoliert.

Innenpolitisch muß die Bundesregierung ihrer Schutzpflicht für vom islamistischen iranischen Regime bedrohte iranische Oppositionelle hierzulande nachkommen und darf sich ihrer Verantwortung nicht entziehen; ich erinnere an den aktuellen Fall des von einem konkreten Mordaufruf bedrohten exiliranischen Sängers Shahin Najafi.

Wir vom Bündnis STOP THE BOMB sagen dazu: “Das Schweigen der Regierungsverantwortlichen ist ein Skandal. Berlin muss die Todes-Fatwa unmissverständlich und öffentlich verurteilen. Es ist vollkommen inakzeptabel, dass deutsche Behörden einem Kritiker der iranischen Diktatur nahelegen, die Bundesrepublik zu verlassen. Die Bundesregierung sollte dem Beispiel Großbritanniens folgen und sämtliche iranische Diplomaten aus der Bundesrepublik ausweisen, um Shahin Najafi und andere Regimekritiker zu schützen.”

Der Westen muss sich entscheiden; er wird von der iranischen Bevölkerung auch daran gemessen: wie ernst ist es den Regierungen Europas und der USA damit, zivilisatorische Mindeststandards als universale zu begreifen, die niemandem vorenthalten werden sollten?

Im April 2012 erschien eine Broschüre der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel (Un-)Sicherheitsfaktor Atombombe. Eine Analyse der Krise um das iranische Nuklearprogramm. In keiner Weise werden der ideologische Charakter des iranischen Regimes und seine Vernichtungsdrohungen gegen Israel analysiert, sondern es wird stattdessen behauptet, Iran befinde sich, “dem Staate Israel durchaus vergleichbar, in einer prekären Sicherheitslage” und fühle sich “in seiner Existenz gefährdet.”

Der Versuch des Autors, die Islamische Republik Iran als defensiv agierenden Akteur darzustellen, ignoriert die aggressiv terroristische Außenpolitik des Regimes, die dem Export des islamistischen Revolutionsmodells dient. Schon jetzt ist dieses Regime der größte staatliche Terrorunterstützer weltweit. Mit dem Erhalt der Atombombe würde Iran seinen Revolutionsexport und seine Terrorunterstützung nur noch ausdehnen. Vom Iran unterstützte Terrorgruppen können unter einem gleichsam atomaren Schutzschirm desto ungehinderter und im Falle der Hisbollah auch verstärkter global operieren, was ja bereits jetzt geschieht.
Dies zu verhindern muss oberstes Ziel der internationalen Gemeinschaft sein.

Vor allem ist aber, um es wegen der Dringlichkeit zu betonen, der Staat bedroht, dessen Geburtstag wir heute feiern, Israel.

Meine Damen und Herren, wir sollten klar und nüchtern-analytisch, ohne von Vorurteilen beeinflusst zu sein, verstehen, dass nicht israelische Siedlungen in der Westbank ein Haupthindernis für den Frieden in der Region sind.

Arabische Jugendliche im Nahen Osten interessieren sich einer aktuellen Umfrage zufolge für ganz andere Probleme als für einen Konflikt, der etwa in Ägypten und anderswo bloß immer dazu gedient hat, von den enormen Defiziten, was vor allem die Bildung angeht, in den arabischen Staaten abzulenken.
Nein, das Haupthindernis für eine Entwicklung in der Region zu mehr Teilhabe Einzelner, zu Partizipation und Freiheit ist ein Islamismus, wie er in bestimmter Spielart auch von den Machthabern in Teheran repräsentiert wird.

Es gibt aber auch eine Gefahr, die Israels Souveränität, also seine Fähigkeit, unter anderem über seine eigene Sicherheit befinden und entscheiden zu dürfen, gleichsam schleichend aushöhlt.

Ich spreche von Delegitimierungsversuchen und –kampagnen, wie sie von palästinensischer Seite und deren antizionistischen europäischen und islamistischen Verbündeten vorangetrieben werden auch in Deutschland, auch in der sogenannten Kulturszene.
So spricht sich die Berliner Kunst-Biennale für das sogenannte Rückkehrrecht ins israelische Kernland von – per UN-Definition – zu Dauerflüchtlingen konstruierten Palästinensern aus, das würde, wie Sie wissen, das Ende des jüdischen und demokratischen Israel bedeuten. Die sogenannte „Ein-Staaten-Lösung” auf den Ruinen Israels gewinnt an Unterstützung in einer Szene, die moralisch verkommen ist und deren Fähigkeit zum fairen Urteilen nicht existiert.
Der Zionismus ist keine rassistische oder generell ausschließende Ideologie oder Doktrin, sondern berechtigter Ausdruck des Wunsches nach nationaler Souveränität.

Antizionismus aber ist eine Haltung und Bewegung, die Juden als Nation oder Bevölkerung, sei sie religiös oder säkular motiviert, das Recht auf Selbstbestimmung ausgerechnet in ihrer traditionellen Heimat bestreitet, wo durch die Jahrhunderte hindurch permanent Juden lebten.
Heutzutage erscheinen alte antisemitische Stereotype mit phantasierten negativen Charakteristika im Antizionismus wieder und werden verstärkt: Israel als „Jude unter den Nationen”.

Wie immer auch Antizionisten über die Rechte der Palästinenser reden – und sich dabei für die realen gesellschaftlichen, zivilisatorischen Mindeststandards nicht genügenden Verhältnisse in den palästinensischen Gebieten nicht interessieren bzw. sie ignorieren oder verschweigen – Ziel ist keine Zwei-Staaten-Lösung, sondern ein einziger palästinensischer Staat, in dem die Juden bestenfalls zur geduldeten Minderheit würden – im Dhimmi-Status.
Antizionismus zielt auf Israel mit den Mitteln der Delegitimierung, der Dämonisierung und damit letztlich der Zerstörung – so wie Islamisten im Rahmen ihrer Agenda für ein „judenreines Palästina” plädieren.

Antizionisten, die dies bestreiten, belügen sich selbst und andere über die ideologische Funktion des Antizionismus:

Ein Vehikel, das wie die Boykottkampagnen gegen Israel nicht auf reale israelische Politik zielt, sondern auf Israels Essenz als jüdischer Staat, der kein Apartheid-Staat ist, sondern in dem seine Bewohner gleiche Rechte haben, die wie in jedem Rechtsstaat einzuklagen sind, was auch geschieht.

Durch wahrheitswidrige Äußerungen verantwortungsloser Politiker, die ja als Autoritäten zumindest wahrgenommen werden, gegen Israel wie die, der Staat sei ganz oder teilweise ein Apartheidstaat, werden Delegitimierung und damit Antizionismus rationalisiert und damit aufgewertet.
Ich erinnere an die Worte des großen Bürgerrechtlers Martin Luther King über Antizionismus:

„Er ist das Bestreiten eines fundamentalen Rechts des jüdischen Volkes, das allen anderen Nationen rund um die Welt zugestanden wird. Er ist Diskriminierung von Juden weil sie Juden sind. Kurz: es ist Antisemitismus. Wenn Menschen den Zionismus kritisieren, dann meinen sie Juden, kein Zweifel.”

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam eintreten für eine wahrheitsgemäße Darstellung Israels auch in unseren Schulbüchern, seiner Geschichte, seiner großen Herausforderungen, seiner Realität, und betonen, wie liebenswürdig, vital und zukunftsorientiert dieses kleine, moderne Land ist.

Lassen Sie uns den Austausch mit den Menschen dieses Landes suchen und fördern, wo immer und auf welchem Feld immer – Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Politik.
Lassen wir vor allem unsere Kinder früh mit Israelis in Kontakt kommen – wie übrigens auch mit Juden hier in Deutschland – um ein Fundament des wechselseitigen Austausches zu legen.

Erfahrungen in der Wirklichkeit von Angesicht zu Angesicht als Voraussetzung zur Urteilsfähigkeit und als Resistenzkraft gegen das, was der große Denker Adorno das Gerücht über die Juden nannte. – Ich danke Ihnen.

http://www.dig-stuttgart.net/wp-content/uploads/2008/03/Rensmann-J%C3%B6rg-REDE_Israel_Tag_14_05_12.pdf

Joerg Rensmann ist Vorstandsmitglied von SPME GErmany und des Mideast Freedom Forums Berlin

Jörg Rensmann: Rede anlässlich des Israeltages gehalten am 14. Mai 2012 in Stuttgart

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