Holocaust-Institut nimmt Lehrbetrieb auf

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Gegen das Vergessen: Am Touro-College ist gerade der Studiengang Holocaust-Communications gestartet. Die Teilnehmer zahlen viel Geld, um zu lernen, wie sie jungen Menschen Wissen um den Völkermord an den Juden vermitteln können

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Die Worte auf der weißen Tafel an der Stirnseite des langen, schmalen Seminarraums sind Programm. Sie stammen von dem italienischen Schriftsteller und KZ-Überlebenden Primo Levi: “Es ist geschehen und es kann wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.” “Wir”, das ist in diesem Fall das Holocaust-Institut an der jüdischen Privat-Universität Touro-College in Wilmersdorf. Dort startete am 15. Oktober der Masterstudiengang “Holocaust-Communications”. Bernhard Lander, der Gründungspräsident der Hochschule, sieht das Ziel der Ausbildung darin, “das Andenken an den Holocaust wach zu halten und neue Generationen gegen Antisemitismus, Rassismus, Hass und Unterdrückung zu sensibilisieren”.

1970 gründete Lander das Touro-College in den USA mit 35 Studierenden. Inzwischen sind daraus 26.000 geworden, die sich an Hochschulen in New York und Kalifornien, in Russland, Israel und seit 2003 auch in Berlin immatrikuliert haben. Im vergangenen Jahr wurde das College als staatliche Hochschule anerkannt. Sie residiert in einer von Bruno Paul in den Jahren 1929/30 erbauten Villa am westlichen Rand des Grunewalds. Zur Zeit des Nazi-Regimes hatte dort der Reichskirchenminister Quartier bezogen. Das Holocaust-Institut ist die laut Eigenwerbung einzige Einrichtung in Deutschland, an der nicht nur Wissen über Antisemitismus und Judenvernichtung, sondern auch die Methoden gelehrt werden, wie dieses Wissen zu vermitteln ist.

Das Studium ist ausgelegt auf Akademiker mit abgeschlossenem Erststudium, die in der Geschichtsvermittlung arbeiten oder es vorhaben. Neben den theoretischen Grundlagen des Holocaust sollen sie in Praxismodulen auch deren didaktische Anwendung im Umgang mit Jugendlichen oder im Ausstellungswesen vertiefen.

Einer der sieben Studierenden, die an diesem Donnerstagnachmittag um den weißen Konferenztisch des Seminarraums sitzen, ist Lothar Schnepp. Er unterrichtet evangelische Religion und führt seit Jahren Schüler durch Gedenkstätten des Judenmords. Für das Studium hat er sich angemeldet, “um alles mal ein bisschen fundierter zu lernen”. Doch die genaue Kenntnis der Geschichte sei nur die Voraussetzung für das eigentliche Ziel, sagt er: junge Menschen davon zu überzeugen, dass Hass und Verfolgung kein Fall für die Historie, sondern für jeden Einzelnen seien. Das bewährteste pädagogische Konzept sei das Gespräch mit Zeitzeugen. “Die Frage ist aber: Wie wird das in ein paar Jahren sein, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt?”

Schnepps Tischnachbar ist Guy Band. In Israel hat er Geschichte studiert und arbeitet nun als freier Mitarbeiter in der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz – dem Ort, an dem die Nationalsozialisten im Januar 1942 die europäische Judenvernichtung organisierten. Band, der Besucher unterschiedlichen Alters und Nationalität durch die Gedenkstätte führt, erhofft sich von dem Studium ein genaueres Bild der Judenfeindlichkeit in Europa zu bekommen: “Wenn man in Israel über Antisemitismus spricht, wird zwischen Deutschland und den anderen europäischen Ländern nicht so unterschieden.”

Zwei Jahre beträgt die Regelstudienzeit, 3.000 Euro kostet die Ausbildung pro Semester, 12.000 Euro insgesamt. Viel Geld für Menschen, die in pädagogischen Berufen ohnehin nicht viel verdienen. Guy Band sind die hohen Studiengebühren aus Israel vertraut. Dort hat er nebenher als Tontechniker gearbeitet – was er hier auch gerne machen würde, wie er sagt.

Weil die meisten Studierenden berufstätig sind, beginnen die Lehrveranstaltungen erst am späten Nachmittag. Fünf Unterrichtseinheiten an vier Tagen müssen bewältigt werden. Donnerstags steht eine Überblicks-Vorlesung von Ingo Loose über Ursprung und Ausführung des Holocaust auf dem Programm. Heute: “Der Aufstieg der NSDAP in der Weimarer Republik bis 1933”. Loose, der auch am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität lehrt, stellt seinen Studenten ein gutes Zeugnis aus: “Der Kenntnisstand ist wesentlich höher als in einem Proseminar an der HU. Jeder hat ganz bestimmte Kompetenzen und Interessenlagen.”

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