Antisemitismusforscher ehrte Nazi-Professor – Ulrich W. Sahm, Clemens Heni und Harry Waibel

  • 0

Ulrich W. Sahm – Antisemitismusforscher ehrte Nazi-Professor

http://honestlyconcerned.info/bin/articles.cgi?ID=IA8610&Category=ia&Subcategory=2

Jerusalem, 13. Januar 2010 – Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin, hatte kürzlich eine Kontroverse ausgelöst, als er Islamophobie in Deutschland mit Antisemitismus verglichen hat. In jüdischen Kreisen gab es deswegen empörte Proteste gegen ihn. Benz hat das Phänomen des Judenhasses im Dritten Reich erforscht und aufgearbeitet. Angesichts der Judenverfolgungen und der Schoah unter den Nazis, könne der Antisemitismus nicht mit Angst vor Moslems gleichgesetzt werden, die bei vielen Menschen mit verbalen Attacken auf den „christlichen Westen“ und mit Terroranschlägen das Gefühl einer akuten Gefährdung auslösen, wurde Benz entgegnet.

Die Forscher Dr. Clemens Heni, Berlin/Philadelphia und Dr. Harry Waibel, Berlin, die sich ebenfalls mit Antisemitismus befassen, entdeckten, dass Benz nicht nur bei einem Historiker mit einschlägiger Nazi-Vergangenheit, Karl Bosl (1908-1993), promoviert habe. Benz habe 1988 einen Beitrag in einer Festschrift zu Ehren Bosls verfasst. Für eine Veranstaltung am 26. November 2009 in Aalen wurde damit „geworben“, dass Benz 1968 bei Karl Bosl promoviert habe.

Per Telefon um eine Stellungnahme gebeten, lachte Benz laut, als er diese Vorwürfe gegen sein Ansehen hörte. Bosl sei 1968 in der „völlig unterbesetzten“ Universität München der einzige Historiker gewesen, der neue Doktoranden akzeptierte. Es sei in akademischen Kreisen „völlig üblich“, Beiträge zu Ehren von angesehenen Wissenschaftlern für Festschriften zu verfassen. Bosl sei als Historiker des Mittelalters hoch angesehen gewesen. Völlig lächerlich sei der Vorwurf wegen der Veranstaltung 2009 in Aalen. Benz sagte, da einen Vortrag gehalten zu haben. Die Veranstalter hätten auf der Einladung verzeichnet, dass er bei Bosl promoviert hatte. „Bosl kam im Vortrag nicht vor, war nicht das Thema des Abends und vermutlich hatte niemand im Saal eine Ahnung, wer Bosl überhaupt ist“, sagte Benz. Über Bosl sagte Benz weiter, dass der nach dem Krieg im Ruf eines „liberalen Gelehrten“ stand, der 1968, nach der Studentenrevolution „ausgerechnet den Linke die Stange gehalten hat, mit dem Argument, dass auch die promovieren müssten“. Bosl sei 1968 nicht von den linken Studenten als „Konservativer“ oder gar als ehemaliger Nazi attackiert worden. „Kein Mensch hat Bosl des Nazitums bezichtigt.“

Clemens Heni lässt nicht locker. Benz hinterlasse den Eindruck, als sei ihm die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen ein ernstes Anliegen. „Doch wie es aussieht, hat Benz zur wissenschaftlichen und politischen Herkunft seines Doktorvaters im NS-Deutschland über mehr als 40 Jahre hinweg nichts zu sagen.“

Die kritischen Fragen an Benz sollen demnächst veröffentlicht werden und liegen diesem Korrespondenten vor.

Die Autoren meinen, dass es „peinlich und würdelos“ für einen Historiker des NS-Faschismus, des Antisemitismus und des Holocaust sei, einen ehemaligen Nationalsozialisten zu ehren und gleichzeitig Leiter eines wissenschaftlichen Instituts zu sein, dessen Aufgabe die Erforschung von Antisemitismus ist. Die Forscher zitieren aus einem Aufsatz von Benz aus dem Jahr 1990 in den von ihm mitbegründeten Dachauer Heften: „Das Dilemma zwischen moralischem Anspruch, politischer Notwendigkeit und sozialer Realität blieb ungelöst. Die Entnazifizierung wurde für die meisten mit Erleichterung als Endpunkt verstanden, von dem an der Nationalsozialismus eine Generation lang mit kollektivem Schweigen, in weitverbreiteter Amnesie, behandelt wurde. Erst die Enkel versuchten dies Schweigen zu brechen, ihr Dialog mit der nationalsozialistischen Vergangenheit hat spät, erst Ende der 60er Jahre begonnen.“ Sie werfen Benz vor, sich nicht mit der Vergangenheit seiner Lehrer und Vorgesetzten beschäftigt zu haben. „Entweder er wusste nicht, dass Bosl ein ehemaliger Nationalsozialist war oder er schweigt und verdrängt wie die meisten Deutschen“, halten sie Benz zu gute. Auf eine schriftliche Anfrage Henis reagierte Benz nicht, war aber bereit, diesem Korrespondenten eine mündliche Stellungnahme zu geben.

Heute spiele Benz die Gefahr des islamischen Antisemitismus und des islamischen Dschihad herunter. Weiter kritisieren die Autoren, dass Benz durch seinen Vergleich von Islamophobie und Antisemitismus die Singularität der faschistischen Massenmorde an den europäischen Juden relativiere und damit „implizit einen geschichtsrevisionistischen Paradigmenwechsel“ befördere.
Karl Bosl wurde nach dem Krieg ein angesehener Mittelalterforscher. Gleichwohl war er ein Mitglied bei der NSDAP und der SA seit 1933, im NS-Lehrerbund und beteiligte sich an einem Projekt des Ahnenerbes der SS. 1990 freilich behauptete Bosl, gar ein Widerstandskämpfer gegen die Nazis gewesen zu sein.

Wie die Autoren belegen können, bewarb sich Bosl 1938 bei einem Projekt des Ahnenerbes der SS über „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte“ und wurde Mitarbeiter. Am 16. und 17. Januar 1945 trafen sich einige Historiker des nationalsozialistischen Deutschland im Geburtshaus des „Führer“ in Braunau am Inn zu einer Tagung. Mit dabei war auch der damals 36-jährige Historiker Karl Bosl: „Bosl beteiligte sich an der vermutlich letzten Historikertagung des ‚Dritten Reiches‘.“ In einem bekannten Buch Bosls über Bayern von 1990 kommt der Holocaust als Teil der bayerischen Geschichte nicht vor.

*****

Karl Bosl und Wolfgang Benz

Zwei Historiker und der Antisemitismus in Deutschland

von Dr. Clemens Heni, Politologe, Berlin/Philadelphia und Dr. Harry Waibel, Historiker, Berlin

http://clemensheni.wordpress.com/2010/01/15/zwei-historiker-und-der-antisemitismus-in-deutschland/

Dem bayerischen Historiker Karl Bosl (1908-1993) werden noch heute Ehrungen zuteil, obwohl er Mitglied nationalsozialistischer Organisa­tionen war, z. B. in der NSDAP, der SA und im NS-Lehrerbund, sowie als Wissenschaftler in einem Projekt des Ahnenerbe der SS mitarbeitete – das ist spätestens seit dem Jahr 2000 bekannt sowie analysiert und kritisiert worden.

Trotz der Eindeutigkeit der Ergebnisse über seine tief-braune Vergangenheit wird Bosl öffentlich geehrt, so am 11. November 2008 in der oberpfälzischen Stadt Cham, als ein „Prof.-Dr.-Karl-Bosl-Platz“ feierlich eingeweiht wurde. Für eine Veranstaltung am 26. November 2009 in Aalen wurde mit Wolf­gang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin, damit geworben, dass er 1968 bei Karl Bosl promoviert hat. 1988 erschien, anlässlich des 80. Ge­burtstages von Bosl, eine Festschrift und Benz ehrte dort den Jubilar mit einem Beitrag. Am 6. Juli 2009 wurde erstmals eine vom Bayerischen Philologenverband gestiftete „Karl-Bosl-Medaille“ verliehen.

Die Frage lautet also, ist Karl Bosl als ein ehrenwerter deutscher Wissenschaftler anzusehen, der trotz seines Engagements im und für den NS-Staat, von W. Benz, einem seiner ehemaligen Doktoranden, öffentlich gewürdigt werden kann?

Im Gegenteil. Benz würde seiner persönlichen und auch der Glaubwürdigkeit seines Faches einen großen Dienst erweisen, wenn er stattdessen die nationalsozialistische Vergangenheit seines Doktorvaters angreifen bzw. kritisieren würde. So entsteht der Eindruck, dass eine Krähe einer anderen Krähe kein Auge aushackt. Man wird hier auch an den Fall Martin Broszat (1926-1989) erinnert, dem ehemaligen Leiter des Institut für Zeitgeschichte in München und dem Verschweigen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP. Bosl bewarb sich 1938 bei einem Projekt des Ahnenerbes der SS über „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte“ und wurde ange­nom­men, wie der Historiker Bernd-A. Rusinek bereits 2000 erforschte. Bosl war einer von mehreren „nationalsozialistische[n] Hardliner[n]“ in diesem SS-Pro­jekt, so Rusinek.

Am 16. und 17. Januar 1945 trafen sich einige Historiker des nationalsozialistischen Deutsch­land zu einer Tagung. Mit dabei war auch der damals 36-jährige Historiker Karl Bosl:

„Bosl betei­ligte sich auch an der vermutlich letzten Historikertagung des ‚Dritten Reiches‘. Diese wurde im Wesentli­chen von Theodor Mayer (1883-1972) organisiert und fand am 16. und 17. in Braunau am Inn statt – nirgends anders als im Geburtshaus des ‚Führers‘. Tagungsthema waren ‚Probleme der Siedlungs – und Ver­fassungsgeschichte der baierischen Stammesgebiete‘. Karl Bosl referierte über den ‚Landesausbau im baierischen Raum‘, Otto Brunner über ‚Entstehung einer österreichischen Geschichtsauffas­sung‘.“ Dazu noch einmal Rusinek: „Nach Bosls Selbstäußerungen, nach der SD-Einschätzung wie nach seinen Aktivitäten weist alles darauf hin, daß er bis Frühjahr 1945 ein be­kennender Nationalsozia­list gewesen ist.“

Karl Bosl war ein hoch angesehener Historiker, einer der bekanntesten Mittelalterhistoriker bis heute, nicht nur in Deutschland. In einem Interview aus dem Jahr 1990 wurde er auch über die Zeit des Nationalsozialismus befragt, wo er sich gar als Widerstandskämpfer darstellte. Er schwieg über seine Mitgliedschaften in der NSDAP, in der SA, im NS-Lehrerbund und er schwieg über seine Mitarbeit in einem Projekt des Ahnenerbes der SS. Schlimmer noch, er sagte:

„Diese Wanderjahre habe ich eigentlich in aller Stille verbracht, ich hab mich überall zurück­gezogen, denn von zu Haus aus hat die antihitleristische Haltung meines Elternhauses bei mir schon sehr stark nachgewirkt. Und ich hab meine Doktorarbeit gemacht. Ich war nirgends dabei damals, ich hab meine Doktorarbeit gemacht, und ich habe im Jahre 1938 dann in München promoviert und hab mich dann sofort entschlossen, nachdem das sehr gut gelang, Karl Alexander von Müller zu bitten, mich als Habilitanden anzunehmen.“

Mit Stolz betont er das, zumal vor dem Hintergrund, dass von Müller ein sehr einflussreicher Akademiker und Nationalsozialist war, der mit Hitler gut bekannt war seit den frühen 1920er Jahren, Schwager eines Vordenkers der NSDAP, Gottfried Feder, war sowie auch der Doktorvater des Historikers Theodor Schieder, was Bosl selbstredend so nicht sagt. 1964 gibt Bosl eine Festschrift zum 80. Geburtstag von von Müller heraus. In Bosls „Bayerische Geschichte“, erste Auflage 1971, siebte, durchgesehene Auf­lage 1990, wird die Zeit des Nationalsozialismus einfach übersprungen, er ist dort eine Leerstelle.

Der Holocaust als Teil der bayerischen Geschichte wird deshalb geleugnet, weil Bayern 1933 auf­gehört habe, „eine eigene Staatspersönlichkeit zu sein“. Die Historikerin Anne Christine Nagel schreibt in ihrer Habilitationsschrift aus dem Jahr 2005 über Bosl:

„Bosl trat im Mai 1933 in die NSDAP (Nr. 1884319) und gleichzeitig auch in die SA ein, 1934 kam die Mitgliedschaft im NSLB hinzu. Dies nach R 21 (Hochschullehrerkartei; BDC Ahnenerbe, Karl Bosl sowie Bosl, Karl (NSLB), 11.11.08 (Technisches zur Mitgliedschaft im NSLB) sämtlich im BAB. (…). Denn entge­gen seiner Selbstdar­stellung übte Bosl nach der Machtergreifung alles andere als Distanz zum Re­gime. Als Parteimit­glied der ersten Stunde, war er auch Mitglied der SA und als Leiter verschiedener nationalpoliti­scher Schulungslager setzte er sich vielmehr ausgesprochen aktiv für die Ziele des Nationalsozia­lismus ein. Gymnasiallehrer, aus ländlichem Milieu stammend, spielte er über Jahre hinweg eine maßgebliche Rolle im Nationalsozialistischen Lehrerbund.“

W. Benz ist bekannt für seine häufigen Kommentare und Einlassungen in Printmedien, Film, Funk, und Fernsehen und er hinterlässt dort den Eindruck, ihm sei die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen ein wirklich ernstes Anliegen. Doch wie es aussieht, hat Benz zur wissenschaftlichen und politischen Herkunft seines Doktorvaters im NS-Deutschland über mehr als 40 Jahre hinweg nichts zu sagen. Auf eine schriftliche Anfrage vom 8. Januar 2010 reagierte er nicht.

Ist es doch peinlich und würdelos für einen Historiker des Nationalsozialismus, des Antisemitismus und des Holocaust, gleichzeitig einen ehemaligen Nationalsozialisten zu ehren und Leiter eines wissenschaftlichen Instituts zu sein, dessen Aufgabe die Erforschung von Antisemitismus ist. W. Benz schrieb 1990 in den von ihm mitbegründeten Dachauer Heften:

„Das Dilemma zwischen moralischem Anspruch, politischer Notwendigkeit und sozialer Realität blieb un­gelöst. Die Entnazifizierung wurde für die meisten mit Erleichterung als Endpunkt verstanden, von dem an der Nationalsozialismus eine Generation lang mit kollektivem Schweigen, in weitverbreiteter Amnesie, behandelt wurde. Erst die Enkel versuchten dies Schweigen zu brechen, ihr Dialog mit der nationalsozialistischen Vergangenheit hat spät, erst Ende der 60er Jahre begonnen.“

Benz selbst hat sich jedoch gerade nicht damit beschäftigt, ob und wie seine Lehrer und Vorgesetzten ehemalige Nazis waren. Entweder er wusste nicht, dass K. Bosl ein ehemaliger Nationalsozialist war oder er schweigt und verdrängt wie die meisten Deutschen.

Heute spielt Benz die Gefahr des islamischen Antisemitismus und des islamischen Dschihad ins­gesamt herunter, ja er setzt Antisemitismus und „Islamfeindschaft“ gleich und gerät somit in den Verdacht, durch diesen Vergleich erstens die gegenwärtige politische Situation völlig falsch einzu­schätzen, denn wir stehen nicht erneut vor Massenmorden, deren Opfer hier dann Muslime sein würden. Zweitens relativiert Benz durch seinen Vergleich die Singularität der faschistischen Mas­senmorde an den europäischen Juden und er befördert damit implizit einen geschichtsrevisionisti­schen Paradigmenwechsel.

Kann man als Antisemitismusforscher und Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an die Geschichte der nationalsozialistischen Antisemiten erinnern und die Erinnerung dann verweigern, sobald es an die eigene, persönliche Geschichte geht?

Antisemitismusforscher ehrte Nazi-Professor – Ulrich W. Sahm, Clemens Heni und Harry Waibel

  • 0
AUTHOR

SPME

Scholars for Peace in the Middle East (SPME) is not-for-profit [501 (C) (3)], grass-roots community of scholars who have united to promote honest, fact-based, and civil discourse, especially in regard to Middle East issues. We believe that ethnic, national, and religious hatreds, including anti-Semitism and anti-Israelism, have no place in our institutions, disciplines, and communities. We employ academic means to address these issues.

Read More About SPME


Read all stories by SPME