Stephan Grigat: Mein Abend beim Akademikerbund

  • 0

Im Juni 2009 habe ich beim Wiener Akademikerbund, der in den letzten Wochen Schlagzeilen gemacht und völlig zu Recht in die Kritik geraten ist, einen Vortrag zum iranischen Regime gehalten. Ein schrecklicher Abend, den man selbst gerne schnell wieder vergessen hätte. Da ihn nun jene, die einem schon immer am Zeug flicken wollten, es aber nie so recht hinbekommen haben, mit knapp einem Jahr Verspätung zum Vorwand für alles Mögliche verwenden, doch ein paar Worte dazu.

Am Rande einer gemeinsamen Veranstaltung von Café Critique und der Israelitischen Kultusgemeinde war mir eine Person vom Akademikerbund als liberal-konservativer Freund Israels vorgestellt worden. Bald darauf kam von ihr die Einladung zu einem Iran-Vortrag. Da sich beim Stichwort Akademikerbund in meinem Kopf nicht viel regte, fragte ich Bekannte, die nur lapidar meinten: „Der BSA für ÖVPler halt.“ Ich beließ es dabei und ließ mich zu dem Vortrag in der Hoffnung überreden, mit ÖVPlern eine kontroverse Diskussion über die von ihrer Parteiführung mitgetragene Iran-Politik Österreichs führen zu können. In anderen Ländern existieren immerhin Vorfeldorganisationen konservativer Parteien, mit denen eine Diskussion durchaus lohnt. Und man zwingt sich ja auch immer wieder, einer von Ressentiments gegen Israel geprägten Linken mit Argumenten zu begegnen, solange nur ein Funken Hoffnung auf Aufklärung besteht.

Im Nachhinein machten Freunde darauf aufmerksam, wer sonst beim Wiener Akademikerbund auftritt: in erster Linie Referenten, die der FPÖ sehr viel näher stehen als der ÖVP – oder ihr gleich angehören. Allerdings hätte es solch eines Hinweises nicht mehr bedurft, um zu realisieren, um was für einen Verein es sich zumindest beim Wiener Ableger des Akademikerbundes handelt: Bei dem Vortragsabend prallten Welten aufeinander. Nicht nur der Referent hatte sich nicht über die Veranstalter, sondern offenbar auch der Akademikerbund nicht über den Referenten informiert. Ein Teil des Publikums konnte schon während des Vortrags bei den Ausführungen zur Bedrohung Israels durch den Iran, dem Einfluss des ganz gewöhnlichen österreichischen Antisemitismus und Rassismus auf die österreichische Iran- und Islamdebatte und dem Hinweis, dass die „Islamische Republik Iran“ nicht die Moslems dieser Welt repräsentiert, kaum an sich halten. Kurz nach dem Vortrag eskalierte die Situation zusehends, nachdem die Anwesenden mitbekommen hatten, dass meine Begleiterin keine Iranerin, sondern, wie sie sich ausdrückten, eine „Vertreterin des jüdischen Volkes“ ist. Nicht wenige der Anwesenden gaben sich noch vor dem ersten Glas Wein als lupenreine Geschichtsrevisionisten, Antisemiten, Nationalisten und Rassisten zu erkennen, woraufhin Referent und Begleitung mehr oder weniger fluchtartig den Saal verließen.

Aber etwas Gutes hatte der Abend vielleicht doch noch: Man soll ja zumindest jene seiner Feinde lieben, die doch eigentlich arme Würstchen sind. Und so ist es auch schön, jenen ein paar Tage die Freunde bereitet zu haben, sich als große Aufdeckerjournalisten betätigen zu können, denen zur Kritik an den Inhalten, die sie mit meiner Person identifizieren, so gar nichts Gescheites einfallen mag – weshalb sie sich um so begieriger auf solch einen Fauxpas stürzen müssen und mit der ganzen Wucht ihrer edlen Gesinnung eine kleine Rufmordkampagne vom Zaun zu brechen versuchen.

Warum ich den Hinweis auf den als „nicht öffentliche Veranstaltung“ geplanten Vortrag von der Website des Akademikerbundes, von dem ich erst durch den Wirbel der letzten Wochen erfahren habe, entfernen ließ? Weil ich keine Lust habe, dass solch ein Verein von meinem Fehler auch noch profitiert und womöglich mit meinem Namen Werbung für sich macht.


Dr. Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Wien, war Forschungstipendiat in Tel Aviv und arbeitet als wissenschaftlicher Berater für das Bündnis STOP THE BOMB (www.stopthebomb.net ) in Österreich. Er ist Autor von „Fetisch und Freiheit. Die Rezeption der Marxschen Fetischkritik, die Emanzipation von Staat und Kapital und die Kritik des Antisemitismus“ (http://www.ca-ira.net/verlag/buecher/grigat-fetisch.freiheit.html ), Herausgeber von „Transformation des Postnazismus. Der deutsch-österreichische Weg zum demokratischen Faschismus“ (http://www.ca-ira.net/verlag/buecher/grigat-transformation.postnazismus.html ) sowie „Feindaufklärung und Reeducation. Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus“ (http://www.ca-ira.net/verlag/buecher/grigat-feindaufklaerung.reeducation.html ), Mitherausgeber von „Der Iran – Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“ (http://www.studienverlag.at/titel.php3?TITNR=4599 ) und “Iran im Weltsystem. Bündnisse des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung” (http://www.studienverlag.at/titel.php3?TITNR=4939 ).

Seine Universitätswebsite mit Hinweisen auf weitere Publikationen findet sich hier: http://homepage.univie.ac.at/stephan.grigat/

Ein aktueller Beitrag über die österreichischen Präsidentschaftswahlen aus der Berliner Wochenzeitung Jungle World findet sich hier: http://www.cafecritique.priv.at/pdf/Rosenkranz.pdf

Stephan Grigat: Mein Abend beim Akademikerbund

  • 0