Benjamin Weinthal: Kein Antisemitismus ohne Antisemiten

  • 0

Der Antisemitismus in Europa nimmt zu und der Antizionismus grassiert. Doch wie bekämpft man den Hass auf die Juden und Israel? Ein von der Deutschen Delegation der OSZE-Parlamentarierversammlung und dem Persönlichen Beauftragten des Vorsitzenden der OSZE zur Bekämpfung des Antisemitismus, dem Bundestagsabgeordneten und Außenpolitischen Sprecher der SPD Gert Weisskirchen, organisierten Experten-Forum im Deutschen Bundestag befasste sich am 25. Januar mit dieser Frage. Thematisiert wurde dabei u.a. auch der Antisemitismus im akademischen Umfeld. Bislang stellte das Ressentiment gegen die Juden innerhalb der Universitäten und anderer Bildungseinrichtungen ein kaum thematisiertes Phänomen dar. Doch gerade unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit wird nicht selten eine vermeintlich aufgeklärte Sprache dazu benutzt, um Vorurteile gegenüber Juden und dem jüdischen Staat zu schüren. „Steht nach der Israelisierung der USA nun auch dem Rest der Welt die Israelisierung bevor?“ fragte beispielsweise Ludwig Watzal, ein Mitarbeiter der Bundeszentrale für Politische Bildung und Mitherausgeber von „Aus Politik und Zeitgeschichte, der akademischen Beilage der Bundestagszeitung „Das Parlament“, vor einiger Zeit in einem Artikel.Dr. Yves Pallade, Direktor des Foreign Affairs Networks der B’nai B’rith Europe verwies in seinem Vortrag auf eine andere Stilblüte aus der Feder des „Bildungsexperten“, dessen Artikel in der Vergangenheit auch auf der Webseite www.antiimperialista.org, eine Webseite, die zur Solidarität mit Hamas und Hisbollah aufruft, erschienen waren. Ausgerechnet in einem Beitrag für DeutschlandRadio Berlin über den israelischen Medienunternehmer Haim Saban hatte Watzal verlauten lassen: „Die Aktionen Sabans haben aber nichts mit Verschwörungsdenken zu tun, sondern sie sind ein Beleg dafür, wie symbiotisch das Verhältnis von Macht und Geld ist. Sabans politisches Anliegen ist, eine möglichst große Kontrolle über die Medien zu erlangen.“ Hierzu hatte seinerzeit bereits Juliane Wetzel vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin bemerkt, dass Watzal „die typischen Klischees vom jüdischen Kapital und jüdischer Macht“ bediene. Pallade stellte in diesem Zusammenhang die brisante Frage, warum die gemeinsame Arbeitsdefinition zu Antisemitismus der EU-Grundrechtsagentur und des OSZE-Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte in derartigen Fälle kaum Anwendung finde. In der Tat erfüllen ihr zufolge Äußerungen wie die Watzals ihr zufolge die Kriterien von Antisemitismus. Watzals Chef Thomas Krüger wollte laut DIE WELT zwischenzeitlich untersuchen lassen, ob Watzal „manifest antisemitisch“ sei. Viel ist dabei offensichtlich nicht herausgekommen. Dabei hätte Krüger durchaus die Arbeitsdefinition zu Rate ziehen können.

Auch der ehemalige Juraprofessor Norman Paech, derzeit Außenpolitischer Sprecher der Linskpartei im Bundestag, wurde in diesem Zusammenhang von Pallade zitiert. So hatte Paech dem deutsch-jüdischen Pädagogikprofessor Micha Brumlik im Rahmen einer öffentlichen Debatte mitgeteilt: „Sie beschneiden eine wissenschaftliche Diskussion, die angesichts des weltweiten Ausgreifens des Terrorismus kontrovers und deshalb ohne Tabus geführt werden muss. Ist Ihnen einmal der Gedanke gekommen, dass eine derart exekutivische Gedankenzensur dem Antisemitismus, der in unserer Gesellschaft ja unleugbar besteht, neuen Auftrieb geben könnte?“ Niemand regte sich darüber auf, dass mittels dieser Bemerkung der Antisemitismus als Folge des Verhaltens einer jüdischen Person rationalisiert wurde. In einem Interview mit der „tageszeitung“ während des Libanon-Kriegs 2006 behauptete Paech, dass Israel mit einem „Vernichtungskrieg gegen Milizen und Bevölkerung im Libanon“ vorgehe. Der hierin implizite Vergleich zwischen dem Verhalten Israels und dem Nazideutschlands – denn der Begriff „Vernichtungskrieg“ steht in einem deutlichen Zusammenhang zur Kriegspraxis der Nazis – hätte laut Reiner Metzger, dem stellvertretenden Chefredakteur des Blatts, gar nicht erst erscheinen dürfen. Die Linkspartei Abgeordnete Petra Pau nahm an der Sitzung teil. Der Publizist Henryk M Broder schrieb auf der Seite „Die Achse des Guten“: Es wäre einfacher ihren „Parteifreund Norman Paech als Beispiel für den Antisemitismus zu nennen statt die vielen Schändungen jüdischer Friedhöfe“. Broder brachte die Aufgabe der Anhörung auf dem Punkt: Man muss die Antisemiten als Antisemiten bezeichnen..Die Arbeitsdefinition erwähnt das Ziehen von Vergleichen zwischen dem jüdischen Staat und dem Dritten Reich als eine mögliche Erscheinungsform von kontemporärem Antisemitismus. Dennoch hat es offenbar für den Abgeordneten Paech bislang keine Folgen deswegen gegeben. „Wenn der Kampf gegen den Antisemitismus seitens der politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsträger ernst gemeint ist“, so Pallade, „werden Parteien und staatliche Institutionen wie die Bundeszentrale für Politische Bildung nicht umhin kommen, sich selbstkritisch mit derartigen Akteuren in den eigenen Reihen auseinanderzusetzen und die von diesen artikulierten Positionen im öffentlichen Diskurs zu sanktionieren.“

Der britische Soziologe David Hirsch führte den Kampf gegen Gewerkschaftsantisemitismus in England. Einige britische Gewerkschaften haben 2007 für einen Boykott gegen Israel aufgerufen. Die Akademikergewerkschaft University and College Union (UCU) beschloss am 30.Mai einen Boykott israelischer Akademiker wegen ihrer „Komplizenschaft“ mit der „Besatzung Palästinas“. Hirsch, der Mitglied der UCU ist, engagierte sich dafür, dass der Beschluss als Vorstoß gegen das britische Antidiskriminierungsgesetz bezeichnet war. Die UCU musste den Boykottaufruf aufgeben. Die Bekämpfung gegen den Antisemitismus sei unbequem und zäh“, so Hirsch. Daher müsse er bekämpft werden.

Die Diskussion im Bundestag führte zu der Erkenntnis: Es gibt sehr wohl Antisemitismus ohne Juden, aber keinen Antisemitismus ohne Antisemiten.

Benjamin Weinthal: Kein Antisemitismus ohne Antisemiten

  • 0