Susanne Schröter, Antisemitismus und politischer Islam, Eine Buchempfehlung

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Susanne Schröter, Antisemitismus und politischer Islam, Eine Buchempfehlung
Politischer Islam: Stresstest für Deutschland . Susanne Schröter. Published by Gütersloher Verlagshaus; 3rd Edition, 2019. 13.22 pp.383

Mit “Politischer Islam, Stresstest für Deutschland” (2019) hat Susanne Schröter, die Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums “Globaler Islam” und Mitglied des SPME-Germany, ein wichtiges Buch geschrieben. Es dürfte die erste kritische Auseinandersetzung mit der hiesigen islamistischen Verbände- und Vereinslandschaft im akademischen Milieu der Bundesrepublik sein. Zusammengenommen repräsentieren die von Schröter untersuchten Organisationen lediglich etwa 15 bis 20 % der in Deutschland lebenden Muslime. Obwohl sie eine Minderheit unter den deutschen Muslimen vertreten, stellten diese Verbände in den letzten fünfzehn Jahren einen entscheidenden Faktor der deutschen Islampolitik dar. Die Rede ist von Dachverbänden wie der DITIB oder dem Zentralrat der Muslime (ZMD), von Vereinen wie der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IMGM), der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS), der den Muslimbrüdern nahestehenden Deutschen muslimischen Gemeinschaft (DMG, früher IGD) oder dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH), das die jährlichen Al-Quds-Märsche in Berlin organisiert und das traditionell von einem der höchsten Regierungsbeamten des Iran geleitet wird. Die Deutsche Islamkonferenz hat diese Vereine auf Kosten vieler muslimischer Kritiker (u. a. Seyran Ates, Ralph Ghadban, Ahmad Mansour) respektabel gemacht und als offizielle Kooperationspartner der Bundesrepublik anerkannt. Gegen Gespräche von Politikern mit diesen Vereinen ist nichts zu sagen, gegen eine Zusammenarbeit, gar eine staatliche Projektförderung ist jedoch eine Menge einzuwenden. Dafür liefert Schröter wasserdichte Belege: Diese Vereine sind Vertreter des politischen Islam, der das Grundgesetz dem Regelwerk der Scharia unterordnet und einen totalitären “Gegenentwurf” zur westlichen Moderne vertritt, in dem islamische Werte und Normen die Gesellschaft, Politik, Justiz, Wirtschaft und Kultur prägen. Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Judenhass, Demokratiefeindschaft und der Hass auf den Westen bilden die Agenda dieser islamistischen Vereinskultur in der Bundesrepublik. Neu sind diese Einsichten NICHT, neu ist, dass sie durch die Forschung empirisch gut belegt und dokumentiert wurden. Schröter schreibt Klartext über die ideologische Verankerung dieser bundesdeutschen Organisationen im Salafismus, in der Muslimbruderschaft und im Dschihadismus.

Dem islamischen Antisemitismus widmet Schröter ein ganzes Kapitel. Das ist von einiger Relevanz, weil sie erstens die These vom angeblichen Re-Import judenfeindlicher Gefühls- und Gedankenwelten durch muslimische Einwanderer widerlegt und die Tatsache des Imports eines genuin islamischen Judenhasses nachweist. Ihrer Darstellung zufolge wurzelt diese Judenfeindschaft im Koran, den Hadithen und der Biografie des Propheten Mohammed. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass der europäische Antisemitismus, der im Zuge des Kolonialismus in der arabisch-islamischen Welt rasch Fuß fasste und weite Verbreitung fand, deshalb so leichtes Spiel hatte, weil er auf entsprechend bereiteten Boden traf. Mag die jüdische Einwanderung in Palästina seit Ende der 1880er Jahre zu vielen Konflikten geführt haben, schuld am arabisch-islamischen Judenhass ist weder sie noch der Zionismus. Zweitens problematisiert Schröter die von ihr gleichfalls gut belegte Palästinasolidarität und die israelfeindliche Dauerpropaganda der deutschen Islamverbände. Sie kritisiert die UNO dafür, dass sie seit Jahrzehnten palästinensische Flüchtlinge privilegiert und auf diese Weise mithilft, den Nahost-Konflikt zu verstetigen. Drittens bestätigt sie den Befund von Evyatar Friesel und Monika Schwarz-Friesel, wonach es sich bei Wolfgang Benz’ Vergleich von Antisemitismus und “Islamophobie” um eine “falsche Analogie” handelt, die die Shoa relativiert.

Schröter wirft Yasemin Shooman, die den Tatbestand eines muslimischen Antisemitismus mit Verweis auf den Status von Muslimen als einer unterdrückten Minderheit rundheraus leugnet und diese Sicht als Mitarbeiterin am JMB unter seinem umstrittenen Ex-Direktor Schäfer verbreiten konnte, außer dieser durchsichtigen Abwehrstrategie auch die Unterstützung des politischen Islam vor. Das gelte gleichfalls für Shoomans Doktorvater Wolfgang Benz. Beide haben, so kann man anfügen, die “falsche Analogie” von Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit im akademischen Milieu der Bundesrepublik erst hoffähig gemacht. Vorher war dieser Propagandaschlager eine Sache von Linksextremisten wie dem Sozialistischen deutschen Studentenbund (SDS) oder Dieter Kunzelmann und – das zeigt Schröter dankenswerterweise auf – islamistischen deutschen Konvertiten wie John von Denffer von der muslimbrüdernahen Islamischen Gemeinschaft Deutschland (IGD, inzwischen in “Deutsche muslimische Gemeinschaft” umbenannt). Mit Benz’ und Shoomans schiefem Vergleich werden Muslime als antisemitische Täter von Übergriffen gegen Juden in Vergangenheit und Gegenwart unsichtbar gemacht und das Phänomen der islamischen Judenfeindschaft wegdefiniert. Die Ersetzungs- und UMKEHRLOGIK besteht schlicht darin, dass Muslime die neuen Juden und folglich keine Täter, sondern Opfer sind. Den Antisemitismus von Islamisten zu kritisieren, ist nach dieser Logik “antimuslimischer Rassismus”. Auf diese Weise lenken Shooman wie Benz die “Aufmerksamkeit” Schröter zufolge vom Antisemitismus weg auf eine “vermeintliche omnipräsente Islamfeindlichkeit der deutschen Gesellschaft”. Viertens stellt Schröter die “Israelkritik” ausdrücklich als das dar, was sie ist: eine Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staates, in der sich politischer Islam und weite Teile des linken Spektrums der Gesellschaft vereinen. Schröters Verdienst ist es außerdem, die Zusammenhänge zwischen politischem Islam und Antisemitismus sowie seiner Leugnung, Relativierung und Verharmlosung durch angesehene Antisemitismusforscher klar benannt zu haben.

Die Positionen von Judith Butler und Edward Said spielen in Deutschland inzwischen eine immer größere Rolle. Denn heute haben sich die postkolonialen Studien an den Universitäten etabliert und mit ihnen ein nahezu faktenfreier, dafür umso ideologischerer Umgang mit dem Phänomen Antisemitismus, der selbst von vielen Akademikern in seiner Besonderheit nicht mehr als solcher wahrgenommen wird. Hinzu kommt, dass die Akteure des aktuellen Antisemitismus ausschließlich im rechtsextremen Lager ausgemacht werden. Zwar ist der Anschlag von Halle von einem Rechtsextremisten verübt worden, doch versteht man die Dynamik der wachsenden Judenfeindschaft NICHT, wenn man ihre sich gegenseitig radikalisierenden Akteure nicht in ihren Gemeinsamkeiten und in ihrer fatalen Verflechtung in den Blick nimmt. Die Debatte um den postkolonialen Historiker Achille Mbembe mit seinem manifesten Israelhass im Frühjahr 2020 hat gezeigt, dass der Antisemitismus im linken Spektrum und in der Mitte der Gesellschaft leider quicklebendig ist.

 

*Dr. SYLKE KIRSCHNICK, VORSTANDSMITGLIED SPME-GERMANY.

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