Schadenfreude – Eine Rezension von Karl Pfeifer

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Schadenfreude – Eine Rezension von Karl Pfeifer
Schadenfreude. Clemens Heni. Published by Edition Critic, 2011. EUR 19,90 pp.410

Nach dem 9. September 2001 begann die Tendenz, Kritik am politischen Islam in Europa zu unterbinden. Muslimischen Vereinigungen gelang es mit staatlicher und medialer Unterstützung mit der Schaffung des Kampfbegriffes „Islamophobie“ davon abzulenken, dass Antisemitismus nicht nur in den arabischen und muslimischen Gesellschaften, sondern auch unter den Millionen europäischer Muslime mit „Migrationshintergrund“ leider weit verbreitet ist.

Im Vorwort zum Sammelband Feindbild Islamkritik, Wenn die Grenzen zur Verzerrung und Diffamierung überschritten werden beklagt der Herausgeber Hartmut Krauss die hysterischen Reaktionen der „Islambeschützer“, in deren Antworten es im Grunde immer um ein und dasselbe geht, „nämlich um die pauschale Diffamierung von Islamkritik als „rassistisch“, „fremdenfeindlich“, „islamophob“ etc. bei gleichzeitiger Ausblendung, Verkennung und Dementierung der enormen reaktionären Herrschafts- und Gewaltpotenziale, die dem orthodoxen Islam untrennbar eingeschrieben sind.“

Leider liefert gerade die Aufnahme eines Autors wie Conny Axel Meyer den Islamisten eine Steilvorlage, um das sonst interessante Buch abzulehnen.

Meyers Bürgerbewegung Pax Europa, die gegen Muslime, Moscheen etc agiert, ist ein neuer Zug im (extrem) rechten Spektrum, der sich pro-israelisch gibt, aber verleugnet, dass die europäische Geschichte eine des Antisemitismus ist.

Hingegen setzt sich Clemens Heni in seinem, im August 2011 erschienen Buch Schadenfreude mit den beiden Themen Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11 gründlich auseinander.

Heni betont die Notwendigkeit der Kritik am Rechtsextremismus und gewissen konservativen bis reaktionären Kreisen. „Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik, der am 22. Juli 2011 in Oslo und auf einer kleinen Insel westlich der norwegischen Hauptstadt über 70 Menschen mit einer Bombe sowie Exekutionen per Schussfeuerwaffe ermordete, hat gezielt den sozialdemokratischen Regierungssitz und ein sozialistisches/linkes Jugendlager attackiert. Er hat ein Manifest mit dem Titel „2083“ publiziert, worin er seinen abgrundtiefen Hass auf „kulturellen Marxismus“ (schon die Wortprägung trägt den Geruch des Nationalsozialismus sowie der Konservativen Revolution der 1920er Jahre und später), die „Frankfurter Schule“ (kritische Theorie) und die „Islamisierung“ Europas zum Ausdruck bringt. Der Massenmord von Breivik ist eines der größten Verbrechen des europäischen Rechtsextremismus nach 1945. Auch in Deutschland gibt es viele Menschen, die sich als „politisch inkorrekt“ stilisieren, von der „Islamisierung“ Europas (oder dem Ende Deutschlands etc.) daher reden und stolz auf das „Abendland“ sind. Diese Leute kritisieren den Islamismus nicht wegen dessen autoritären Charakter und Antisemitismus, vielmehr z.B. aufgrund einer paneuropäischen oder ‚abendländischen’ Ideologie, die aus rassistischen (oder/und theologischen) Motiven keine (oder nur wenige) Muslime und andere ‚Fremden’ in Europa dulden möchte. Gleichwohl muss die Verhältnismäßigkeit erkannt werden: rechte, sich ‚abendländisch’ gebende Extremisten sind eine Gefahr, die aber nicht annähernd zu vergleichen ist mit der Bedrohung durch den (nach Atomwaffen strebenden) Iran und seine Verbündeten (Hamas, Hizballah, das derzeitige syrische Regime), den weltweit operierenden Jihad mit tausenden (selbst)-mörderischen Anschlägen allein seit dem 11. September 2011 oder der weltweit produzierten und propagierten antiisraelischen Ideologie.“

Breiten Raum widmet Clemens Heni in seinem Buch Wolfgang Benz, der bis zum Frühjahr 2011 Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität (ZfA) war

Bereits vor Erscheinen dieses Buches machte er mit einem Artikel auf dessen Beziehung zu seinem Doktorvater Karl Bosl aufmerksam. Benz bestätigte seinem Lehrer kein Nazi gewesen zu sein. Heni wies nach, dass Bosl bereits 1933 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 1884319) und der SA sowie wenig später des NS-Lehrerbundes und anderer NS-Organisationen gewesen ist. Am 12. Mai 1964 sprach Karl Bosl in Nürnberg im Rahmen des Sudetendeutschen Tages beim revanchistischen Witikobund über „Nürnberg-Böhmen-Prag“ und beschuldigte die Tschechoslowakei einer „radikalen Endlösung des deutschen ‚Problems’ nach hitlerschem Modell“.
In der Ankündigung einer von dem ZfA veranstalteten Konferenz unter dem Titel Feindbild Muslim – Feindbild Jude, heißt es:

„Gleichzeitig wurden Muslime selbst in Debatten um Moscheebauten, Zwangsehen oder das Kopftuch Ziel pauschaler Anfeindungen, Verschwörungsphantasien über eine ‚Islamisierung Europas’ wurden dabei ebenso laut wie der Vorwurf, der Islam gebiete seinen Anhängern die Täuschung der Nichtmuslime. Die Denkmuster sind aus der Geschichte des Antisemitismus bekannt und werfen die Frage auf, welche Gemeinsamkeiten Judenfeinde und Islamfeinde teilen.“

Heni stellt folgende Fragen

  • Sollten „Zwangsehen“ nicht „pauschalen Anfeindungen“ ausgesetzt sein?
  • Waren Juden in der Geschichte lediglich „pauschalen Anfeindungen“ ausgesetzt?
  • Gibt es ähnliche „Denkmuster“ bezüglich Juden und Muslimen?

Heni begnügt sich nicht mit diesen Fragen: Er weist auf einige Merkmale des Antisemitismus hin, wie den Vorwurf an Juden die Zirkulationssphäre zu beherrschen und andere Menschen oder ‚Völker’ auszusaugen. Lediglich Juden wird vorgeworfen das Geld anzubeten, so dass der „antimammonistische Antisemitismus (der oft mit Antiamerikanismus einhergeht) weltweit zu konstatieren ist. Die erfundenen Protokolle der Weisen von Zion, Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals in Russland publiziert, imaginierten eine jüdische Weltverschwörung. Es ist bis heute die wirkungsmächtigste Fantasie über eine Verschwörung. Juden stehen demnach hinter Geld, Kapital oder Börse, auch die Politik sei wesentlich von ihnen bestimmt. Zudem gibt es die Ritualmordlegende laut der Juden das Blut von armen, nichtjüdischen Kindern für Matzes verwenden. Bis heute wird diese Propaganda im arabischen Fernsehen verbreitet. Das Middle East Media Research Institute (Memri) berichtet regelmäßig darüber. Im Jahr 2006 wurde der türkische Film Tal der Wölfe – Irak, der das antisemitische Stereotyp des Organdiebstahls reichlich bedient, zum Kassenschlager; sein Nachfolger im Januar 2011, Tal der Wölfe – Palästina – der sich mit der ‚Gaza-Flottille’ (insbesondere Mavi Marmara) befasst -, ist nicht weniger antisemitisch und antiwestlich. Er ist mit zehn Millionen Dollar Produktionskosten der bislang teuerste türkische Film. Kein einziges der genannten Beispiele aus dem schier unerschöpflichen Repertoire des Antisemitismus existiert bezüglich der Muslime.

Heni macht aufmerksam auf den Unterschied zwischen Antisemiten und Rassisten

  • Antisemiten ‚wittern’ einen Feind, den es nicht gibt.
  • Viele heutige Rassisten übertreiben tatsächlich existente islamistische Drohungen zu einer Gefahr, die von ‚den Muslimen’ ausgehe.

Heni dokumentiert auch den muslimischen Antisemitismus in Deutschland und wie dieser von so vielen Islamforschern verharmlost oder sogar wegerklärt wird. Aber er wirft auch einen Blick auf andere Länder, so berichtet er von einer Konferenz an der Matti Bunzl, ein im USA Bundesstaat lehrender Ethnologe und Antizionist österreichischer Herkunft teilnahm. „Laut einem [zustimmenden] Tagungsbericht wurde dabei die Tendenz deutlich, Antisemitismus mit „Islamophobie“ gleichzusetzen. Das zeigen auch die Schriften von Bunzl. Für ihn gibt es keinen neuen und keinen muslimischen Antisemitismus. Es handele sich bei beiden Phänomenen eher um Aspekte oder Resultate eines antikolonialen Kampfes („anti-colonial struggle“), wie er in einem breit diskutierten Text über „Antisemitismus und Islamophobie“ schreibt. Es gibt eine deutsche Version des Aufsatzes von Bunzl, in dem er sich gegen „Alarmismus“ wendet. Entgegen dem internationalen Forschungsstand der Antisemitismusforschung leugnet Bunzl die antisemitische Struktur des antiisraelischen Antizionismus. Sein Vater John Bunzl aus Wien, der Herausgeber des Sammelbandes, sieht in Israel eine böswillige „Zionist colonization“.

Das 410 Seiten umfassende Buch des Politikwissenschaftlers Heni ist sowohl eine brisante wie auch brillante Analyse der Zustände der Islamforschung in Deutschland nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Seither werden Kritiker des Jihad als „Hetzer mit Parallelen“, „Panikmacher“ oder „Aufklärungsfundamentalisten“ bezeichnet.

Heni weicht keiner Frage aus und beantwortet kenntnisreich und detailliert die Frage der Beziehung zwischen Islamforschung und Antisemitismus.

Hartmut Krauss (Hrsg.) Feindbild Islamkritik / Wenn die Grenzen zur Verzerrung und Diffamierung überschritten werden, Hintergrund Verlag, 2010

Clemens Heni: Schadenfreude/Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11, Edition Critic, August 2011

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