Benny Morris: Dann schickte Allah Adolf Hitler

Mitschuld am Holocaust: Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf untersuchte die Verbindung zwischen Palästinensern und dem Dritten Reich
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Benny Morris: Dann schickte Allah Adolf Hitler
Nazi Propaganda for the Arab World. Jeffrey Herf. Published by Yale University Press, 2009. $30.00 pp.352

Jeffrey Herf is a member of SPME.



Nachdem die Vollversammlung der Vereinten Nationen im November 1947 für die Teilung Palästinas in einen jüdischen und arabischen Staat gestimmt hatte, klagten die palästinensischen Araber, dass man sie für die Sünden anderer “zahlen lasse”: Es seien die Nazis gewesen, die sechs Millionen Juden ermordet hätten, die Weltgemeinschaft aber habe eine Wiedergutmachung durch Vergabe großer Teile Palästinas an die Juden beschlossen – Land, das die Araber einzig und allein als ihres betrachteten.

Eine solche Klage setzt voraus, dass die Palästinenser an dem, was von 1939 bis 1945 in Europa geschah, ganz unbeteiligt und schuldlos waren. Das historische Zeugnis jedoch ist komplexer, wie einige neue historische Arbeiten zeigen. Zum einen tragen die Palästinenser eine indirekte Verantwortung für den Holocaust insofern, als ihre anti-britische und anti-zionistische Revolte 1936-1939 die Briten dazu veranlasste, eine weitere Immigration europäischer Juden nach Palästina fast völlig zu unterbinden. Die angelsächsische Welt, darunter Großbritannien und die Vereinigten Staaten, hatte ihre Tür schon geschlossen, die meisten europäischen Juden – denen die Ermordung durch die Nazis drohte – hatten keinen Fluchtpunkt mehr. Daran, dass sich die letzte Zuflucht schloss, waren die palästinensischen Araber maßgeblich beteiligt.

Doch ihre Verantwortung reicht tiefer und ist direkter. 1933 gratulierte der Führer der palästinensisch-arabischen Nationalbewegung, Haj Amin al-Husseini, Hitler zur Machtergreifung und schrieb, er hoffe, dass nazistische Regierungen überall auf der Welt gedeihen würden. Während des arabischen Aufstands unterstützte Nazi-Deutschland (wie auch das faschistische Italien) die Aufständischen politisch, propagandistisch, offenbar auch mit Geld (und vielleicht einigen Waffen).

Und nach der Niederschlagung der Revolte (und eines weiteren anti-britischen Aufstands in Bagdad, an dem sie beteiligt waren) fanden Husseini und einige seiner Berater Zuflucht in Berlin, wo ihnen das Hitler-Regime ein monatliches Gehalt zahlte.

Im Gegenzug reiste Husseini auf den Balkan, wo er muslimische Soldaten für die Wehrmacht rekrutierte und im Rundfunk zum anti-britischen (und anti-jüdischen) Dschihad im Nahen Osten aufrief. Husseini schrieb auch an europäische Staatschefs (in Ungarn, Italien etc.) und bat sie, jüdische Gruppen an der Emigration aus Europa zu hindern, wodurch er sie letzten Endes dann in Hitlers Gaskammern schickte – ein Teil dieser Geschichte ist in Matthias Küntzels “Djihad und Judenhass. Über den neuen antijüdischen Krieg” (ca ira, Freiburg. 184 S., 13,50 Euro) nachzulesen.

Im jetzt bei Yale University Press erschienenen Buch “Nazi Propaganda for the Arab World” (352 S., ca. 30 $) beschreibt der amerikanische Historiker Jeffrey Herf im Detail die Berliner Propaganda im Nahen Osten während des Zweiten Weltkriegs. In erster Linie wurden dazu Radiosendungen auf Arabisch und Farsi genutzt (viele davon stammten von Husseini und Rashid Ali al-Kilani, dem exilierten, anti-britischen Ministerpräsidenten des Irak). Im letzten Kapitel seines Buchs zieht Herf eine Verbindung zwischen Nazi-Propaganda und dem muslimischen Antisemitismus und Anti-Zionismus der Gegenwart.

Die Propagandisten aus Berlin beschimpften die Juden als Schädlinge für die Menschheit; Briten, Amerikaner und Russen wurden als jüdische Agenten über einen Kamm geschoren. Im Nahen Osten wurde die Botschaft geschluckt und fügte der ursprünglichen islamischen Judäophobie, die, wie im Koran überliefert, von der Zurückweisung Mohammeds und des Islam durch jüdischen Stämme im Arabien des 7. Jahrhunderts ausgelöst worden war, eine neue Ebene hinzu. Doch während viele Muslime früherer Jahrhunderte Juden für niederträchtig, zugleich jedoch für verachtenswert und schwach gehalten hatten, zeichnete die Nazi-Propaganda die Juden als übermächtig und verschworen im Versuch, Deutschland zu vernichten und die Menschheit zu verderben.

In den Sendungen aus Berlin betonten deutsche Kommentatoren Werte, die, wie sie behaupteten, dem Nazismus und dem Islam/den Arabern gemeinsam seien, wie etwa die Opposition gegen Liberalismus und Demokratie des Westens. Beide, hieß es in einer Sendung von 1940, “teilten das Leid und das Unrecht nach Ende des (Ersten) Weltkriegs. Die Ehre dieser beiden großen Völker wurde beleidigt.”

Die Nazi-Sendungen betonten stets die gemeinsame Feindseligkeit gegen die Juden, oft zitierten sie den Koranvers: “Wahrlich, du wirst finden, dass unter allen Menschen die Juden den Gläubigen am meisten Feind sind.” Als Husseini im November 1941 nach Berlin kam, traf er mit Ribbentrop und dann mit Hitler zusammen. Er sagte, dass “die Araber natürliche Freunde Deutschlands seien, weil sie drei gemeinsame Feinde bekämpfen: Die Engländer, die Juden und den Bolschewismus.”

Am 19. Dezember hielt Husseini anlässlich der feierlichen Eröffnung des Islamischen Instituts in Berlin eine Rede. Sie sollte in der Arabischen Welt wiederholt ausgestrahlt werden. “Unter denen, die die Muslime am meisten hassen… sind die Juden… Sie lassen nie von ihrer Politik der Intrige und des Übelwollens. Sie verspritzen ihr Gift in den islamischen Ländern… Anlässlich des (anglo-amerikanischen) Nordafrika-Feldzugs, hat ihr Führer (Chaim) Weizmann erklärt, Algerien werde als Brücke zwei jüdische Zentren verbinden, New York und Jerusalem… Der Koran sagt, sie befeuern den Kessel des Krieges und bringen der Erde Verderben… Dieser Krieg ist ein jüdischer Krieg… Die Juden haben ihren Einfluss auf Großbritannien ausgedehnt. Sie beherrschen Amerika. Die Juden stecken hinter dem zerstörerischen und atheistischen Kommunismus”.

Die Nazi-Propaganda gab wiederholt der “jüdischen Gier” die Schuld an internen Problemen arabischer Länder. Im Januar 1942 kabelte ein britischer Beamter von Kairo nach London: “Ohne Zweifel glauben 90 Prozent der Ägypter, darunter auch ihre Regierung, dass hauptsächlich die Juden für die Engpässe und die hohen Preise des Lebensnotwendigen verantwortlich sind.”

Als Rommels Afrikakorps vor den Toren Ägyptens stand, sendete Berlin am 7. Juli 1942: “Soll das Leben der ägyptischen Nation gerettet werden, (dann müssen) die Ägypter sich wie ein Mann erheben und die Juden töten, bevor diese die Chance haben, das ägyptische Volk zu betrügen. Es ist die Pflicht der Ägypter, die Juden zu vernichten und ihren Besitz zu zerstören… sie sind die Quelle aller Plagen, die über die Länder des Ostens gekommen sind… Araber Syriens, Iraks und Palästinas, worauf wartet ihr? Die Juden planen, eure Frauen zu vergewaltigen, eure Kinder zu ermorden…”

In einer Sendung aus Bari erklärten die deutschen Propagandisten, aus einer Rede, die Husseini in Rom gehalten hatte, zitierend, “dass die Juden die Errichtung ihrer nationalen Heimstatt nicht allein in Syrien, im Libanon, Transjordanien und Ägypten, sondern auch in allen arabischen Nachbarstaaten geplant haben.”

Husseini sendete am 1. März 1944: “Erhebt euch. Erhebt euch wie ein Mann für eure geheiligten Rechte. Tötet die Juden, wo immer ihr sie findet. Das gefällt Gott, Geschichte und Religion.” Seine Mindestforderung war die Vertreibung der Juden aus “allen arabischen und muslimischen Ländern. “Scheut keine Anstrengung, sodass nicht ein einziger Jude… in den arabischen Ländern bleibt”, mahnte er.

Die Juden Arabiens waren von Mohammed im siebten Jahrhundert vertrieben worden. Doch das antisemitische Erbe war nach wie vor sehr mächtig auf der Halbinsel und wurde durch die Kriegssendungen noch einmal verstärkt. Ein amerikanischer Diplomat, der am 30. Oktober aus Dschidda berichtete, zitierte den saudischen König Abdul Aziz ibn Saud mit den Worten: “Die Juden… sind eine gefährliche… Rasse… Wir Muslime… hassen sie… Unser Hass auf diese sündige und böse Rasse wächst Tag für Tag, bis es unser einziges Streben ist, sie alle zu erschlagen… Wir Muslime werden kämpfen und sie abschlachten, bis wir sie von unserem Land vertrieben haben. Allah sei Dank haben wir keine Juden in unserem Königreich, und nie werden wir einem Juden gestatten, es zu betreten…”

In seinem Buch untersucht Herf die Schriften Said Qutbs aus den späten Vierziger und Fünfziger Jahren, eines ägyptischen Theologen, der heute als al-Qaidas geistiger Pate gilt. Herf sieht ihn als Bindeglied zwischen der Nazi-Husseini-Kriegspropaganda und dem islamistischen Antisemitismus der Gegenwart. Qutb stellte die Juden als auf die Vernichtung des Islam Versessene dar.

Die Verbindung, die er herstellte, passt in eine Nussschale: “Die Juden kehrten zum Bösen zurück… die Muslime vertrieben sie von der Arabischen Halbinsel… Die Juden kehrten abermals zum Bösen zurück… dann schickte Allah Hitler, sie zu beherrschen (!!). Und heute sind die Juden einmal mehr zum Bösen zurückgekehrt, in Gestalt ‘Israels’, das die Araber… Weh und Sorge hat schmecken lassen.” Also werde Allah ihnen, schrieb er, bald “die schlimmste Strafe zumessen.”

Benny Morris: Dann schickte Allah Adolf Hitler

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