“Antisemitism and the Postcolonial Theory. The ‘progressive’ attack on Israel, Judaism, and the Holocaust Remembrance” is one of the new books which were published in Germany in the aftermath of 10/7/23. It is written by a renowned expert on the topic, Ingo Elbe, from the University of Oldenburg. Elbe, coming from the Critical Theory – a Jewish “invention” by the so-called Frankfort School of Marx Horkheimer and Theodor W. Adorno who survived the Shoah in the USA and returned to Germany after the War – which has influenced the young Leftist Post-War generation. His critical approach to Marxism made him critical of the Leftist attitude towards German history and their sympathy for the “underdogs”, victims of the “White”. Elbe analyses meticulously, and unmasks the thought of international anti-Zionists like Judith Butler, Rothberg, Moses or Achille Mbembe, etc. who trigger the antisemitic movement by opposing the IHRA definition and supporting the BDS. Elbe describes the scandals in the cultural and academic circles of Germany and the US of the last few years, and illuminates their ideological background. It is an important book which should be translated into English.
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Ingo Elbe, geboren 1972, arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Oldenburg. Der habilitierte Philosoph und Sozialwissenschaftler ist Marxspezialist, ist auch an dem 1995 gegründeten Arbeitskreis Rote-Ruhr-Uni in Bochum tätig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört auch die auf den Einfluss von Marx, Hegel und Freud zurückgehende und in den 1930 er Jahren entstandene Kritische Theorie der sogenannten Frankfurter Schule. Sie wurde nach 1949 an dem 1923 gegründeten Institut für Sozialforschung von den jüdischstämmigen Remigranten Marx Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse und Erich Fromm fortgeführt und geprägt und von Jürgen Habermas sowie Alfred Schmidt „verjüngt“. Deren Gegenstand ist eine unorthodox marxistische ideologiekritische Analyse der „bürgerlich-kapitalistischen“ Gesellschaft, die Horkheimer im amerikanischen Exil entwickelte. Elbe ist als kritischer Linker Kenner der Szene, die er in seinen gegenwärtigen Arbeiten vor allem in Bezug auf deren Vergangenheitspolitik, Antisemitismus und Rassismus analysiert. Damit setzt er sich häufiger Kritik von Links aber auch von Rechts aus, denn er erkennt bei den beiden gefährliche Schnittmengen.
Der Überfall auf Israel und das Massaker an der jüdischen Zivilbevölkerung am 7. Oktober 2023, welchem eine geradezu Eruption des Judenhasses, insbesondere des internationalen israelbezogenen Antisemitismus gefolgt ist und die immer noch andauert, wie der Krieg der irangesteuerten Terrormilizen Hamas und Hezbollah gegen Israel, war der Anlass für die Veröffentlichung dieses Buches. Alle Bereiche der deutschen Öffentlichkeit – der US-amerikanischen oder britischen folgend – sind davon betroffen, von der Straße bis zu Universitäten, die linken und öffentlich-rechtlichen Medien inklusive.
Das Buch ist unterteilt in sieben Hauptabschnitte, nebst der Einleitung, die von der „Progressiven“ Wiederkehr der „Judenfrage“ handelt: Begriffliche Eliminierung des Antisemitismus; Holocaustrelativierung; Dämonisierung Israels; Der postkoloniale Blick auf ‚die Anderen‘; Antisemitismus – „not systemic“? und Schluss. Diese Abschnitte behandeln jeweils die zusammenhängenden Phänomene, welche auch für den kundigen Leser keine leichte Kost sind, die aber ein deprimierendes Gesamtbild der gegenwärtigen Zustände ergeben.
In der Bundesrepublik Deutschland fand im Jahre 2020 eine Debatte über die Teilnahme des afrikanischen postkolonialen Historikers Achille Mbembe als Redner an der Ruhrtriennale statt, der Israel als „Apartheidstaat“ verteufelt und israelische Kollegen boykottiert.Wegen Corona fiel die Rede des mehrfach Preisgekrönten aus und der Vertrag der Festival-Intendantin Stefanie Carp, die sich der Sache des „Globalen Südens“ verschrieb und sich lautstark für Mbembe einsetzte, wurde wegen der Affäre nicht verlängert. Elbe sieht darin zu Recht „den Auftakt eines unaufhörlichen Trommelfeuers deutscher akademischer Institutionen, tausender sogenannter Kulturschaffender und bedeutender Medien gegen das bisherige Holocaustgedenken, gegen den jüdischen Staat und zugunsten internationaler wie migrantischer Israelfeinde […] – einer Aneinanderreihung von Kampagnen, die mit dem Gestus des Antirassismus und der Dekolonialisierung auftraten.“
Und Elbe zählt die weiteren Debatten und Kontroversen auf, die folgten – wie um die Thesen des amerikanischen Anglisten Michael Rothberg, der in seinem von den Extremlinken gelobten Buch über die „Multidirektionale Erinnerung. Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonialisierung“ den Holocaust relativiert, gefolgt von dem deutsch-australischen Genozidforscher A. Dirk Moses, der am City College in New York lehrt. Moses‘ Forschungsgebiet ist der Völkermord im kolonialen Kontext und er argumentiert, dass wegen der „globalen Vorherrschaft des Westens in den letzten 500 Jahren“ die bisherige Sicht auf den Holocaust als ein rassistisches Verbrechen ohne politischen Hintergrund der Grund dafür ist, dass die systematische Gewalt gegen Zivilbevölkerung in Kriegen nicht als Genozid betrachtet wird. Moses entfachte damit die sogenannte „Kathechismusdebatte“, die auch als der „Zweite Historikerstreit“ (der erste war 1986) bezeichnet wird und um die Frage nach dem Stellenwert des Holocausts gerade in der deutschen Erinnerungskultur kreist. Moses trat in seinem Artikel „Der Katechismus der Deutschen“ an, „den Deutschen ihre angebliche Holocaustreligion und Israelsolidarität durch einen Anti-Kathechismus auszutreiben“, wie Elbe salopp aber zutreffend schreibt. Diese haarsträubenden Thesen haben in den entsprechenden Kreisen für heftigen Streit zwischen deutschen „postkolonialen“ und „antizionistischen“ Historikern wie Michael Wildt und Jürgen Zimmerer auf der einen oder Dan Diner auf der anderen gesorgt. An die 370 nicht judenfreundlichen Akademiker im Lande haben z. B. im März 2021 in einer „Jerusalem Declaration on Antisemitism“ (JDA) gegen die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) von 2016 protestiert, die inzwischen von vielen Staaten anerkannt und angewandt wird, um verschiedene Formen des Antisemitismus zu erkennen und sie bekämpfen zu können, was den Unterzeichnern nicht gefällt. Das Pamphlet wurde u.a. von Elbe scharf kritisiert.
Elbe zählt die Serie der antisemitischen Skandale auf, die seit Sommer 2022 die deutsche Öffentlichkeit beschäftigten – insbesondere die Documenta Fifteen in Kassel oder die Tagung des sogenannten Zentrums für Antisemitismus an der TU Berlin (von vielen Kennern als Zentrum für Antisemitismusförderung belästert) und des Potsdamer Einstein Forums im Haus der Kulturen der Welt unter dem Titel „Hijacking Memory“ – und allesamt unter der Ägide der Grünen Staatsministerin für Kultur Claudia Roth stattfanden. Sie selbst wurde auf dem jüdischen Festival „Jewrovision“ vom Publikum ausgebuht. Deren antizionistische „Schlagseite“ offenbart die ideologischen Motive hinter dieser Entwicklung, die für Elbe „der Nährboden für die antiisraelische Radikalisierung erheblicher Teile des öffentlichen Diskurses seit dem antisemitischen Massaker islamistischer Mörderbanden vom Oktober 2023 bilden“. Dies sei allerdings keine neue Entwicklung, sondern bereits seit dem Ende der 1970er Jahre mit dem „Umbau linker Theoriegebäude“ in Gang gesetzt. Und Elbe führt eine ganze Reihe von Faktoren und Akteuren auf, die in diesem Prozess eine entscheidende Rolle spielten. So wurde Edward Saids Buch Orientalismus von 1978 zur neuen „Mao-Bibel“ einer „sich als kultursensibel verstehenden akademischen Linken“. Dass die christdemokratische Vorgängerin von Claudia Roth, Monika Grütters, 2012 die Said-Barenboim-Musikakademie im teuersten Berliner Filetstück gegenüber dem Auswärtigen Amt als zum „Frieden beitragend“ durchsetze und anpries, zeugt von erschreckender Ignoranz im Kulturbetrieb, denn Barenboim ist seit 2008 „Ehrenbürger von Palästina“ und hat sich als selbsthassender israelischer Jude profiliert. Elbe hat es richtig zusammengefasst: Said hat den Antisemitismus in Orientalismus aufgelöst und den Zionismus zum rassistischen Kolonialismus dämonisiert. Dass im öffentlichen Diskurs insbesondere seit der Documenta 15 ein Meron Mendel als „Experte“ konsultiert wird, ist ein weiteres Indiz für das toxische Wirken falscher Ideologien.
Neben der Bedrohung der Juden von Rechts nun auch in Deutschland, so Elbe, ist diese von Links und insbesondere durch die postkolonialen Akteure, durch die begriffliche Einebnung des Antisemitismus, Relativierung des Holocaust, De-Thematisierung vor allem der islamischen Judenfeindschaft und Ressentiments gegen Israel politisch wirksam. Denn sie hat breite Wirkung in der UNO, bei NGOs wie Amnesty International Human Rights Watch, Pax Christi, Ärzte ohne Grenzen, die in ihren Reihen nicht nur Antisemiten, sondern Judenhasser haben, usw. Dass die Denomination von Lehrstühlen zu dieser Entwicklung beiträgt, ob es sich um poststrukturalistische oder postkoloniale Ansätze handelt, fragt man sich angesichts der Bedrohung andersdenkender oder jüdischer Studenten und Dozenten, was heute unter dem Label von Diversity-Studies, Migrationswissenschaft, Literaturwissenschaft, Genderforschung, Soziologie, Globalgeschichte oder Philosophie so alles gelehrt wird, finanziert durch große Summen an Fördergeldern. Elbe nennt viele Namen, von Sabine Hark bis Naika Foroutan, die einschlägige Positionen innehaben, zum Beispiel als Integrations- oder Diskriminierungsbeauftragte, und dabei Meinungen vertreten, die gegenwärtig, insbesondere wenn sie einen muslimischen Hintergrund haben, entsprechend oft antiisraelisch agieren und stattdessen „Islamophobie“ und Islamfeindlichkeit beklagen. Die Einflüsse der Postcolonial und Critical Race Theory wirken weiter, so z. B. bei einer Yasemin Shooman, die eine negative Tätigkeit am Jüdischen Museum Berlin ausübte, danach bei Foroutan unterkam und nun im Bundeskanzleramt gegen Rassismus kämpfen kann. Ebenso virulent sind die Critical Whiteness-Studies, die z.B. Emilia Roig repräsentiert. Sie alle haben große Medienresonanz, ob in den linken Zeitungen, Talkshows oder bei DLF usw. Es wird nicht vor Verschwörungstheorien Halt gemacht. Wenige Forscher versuchen, dagegen anzukämpfen – so z.B. der Politikwissenschaftler Lars Rensmann oder die Kognitionswissenschaftlerin und Antisemitismusforscherin Monika Schwarz-Friesel. Wer nicht mit der Meute heult, wie etwa der FAZ-Journalist Thomas Thiel, wird angegriffen.
Es sind absurde Entwicklungen im Gange, wenn die Hetzer wie Mbembe, Judith Butler u.v.a. mit Preisen überhäuft und verehrt werden, dabei wird, wie wir bei Rothberg und Moses sehen, sogar die deutsche Erinnerungskultur als Komplize des angeblichen Siedlerkolonialstaats Israel angeprangert, wie Elbe konstatiert. Und er begreift genau so wenig wie viele seiner Leser, „wie eine akademische, politische und kulturelle Elite, die solch grotesken Ansichten Beifall klatscht oder sie als preiswürdig ansieht, objektiv am Selbstmord der liberalen Demokratien [arbeitet].“ Denn es ist unverständlich, wie die nun extrem, bis hin zur Gewalt reichenden, juden- und israelfeindlichen Erscheinungen „im aggressiv antizionistischen und antiwestlichen Klima von großen Teilen des amerikanischen, britischen, französischen und inzwischen auch von Teilen des deutschen medial-kulturell-akademischen Komplexes Erfolg haben können“. Und der Autor zitiert die Ausfälle von Schüler-Springorum, Omer Bartov und ihrer Geistesverwandten, die in einem – bei mir Übelkeit hervorrufenden – offenen Brief Israel allein als erste Ursache für den Massenmord der Hamas an Juden sahen, geschichtsklitternd und offen antisemitisch schreiben: „Fünfundsiebzig Jahre Vertreibung, sechsundfünfzig Jahre Besatzung und sechzehn Jahre Blockade des Gazastreifens haben zu einer immer schlimmer werdenden Spirale der Gewalt geführt, die nur durch eine politische Lösung gestoppt werden kann“ (2023).
Das Buch entstand weitgehend vor dem größten antisemitischen Pogrom seit dem Holocaust, dem von Palästinensern an israelischen Bürgern verübten Massaker mit über 1200 Todesopfern, 5400 Verwundeten und über 240 Entführten. Inzwischen dauert der Krieg gegen die Hamas schon 10 Monate, die entführten Geiseln sind mehrheitlich immer noch nicht frei, viele von ihnen wurden ermordet und täglich fallen israelische Soldaten an der Front. Im Norden des Landes versucht die irangesteuerte Hezbollah, so viel wie möglich zu zerstören und tötet dabei auch Kinder. Aber es gibt keinen Aufstand deswegen, keine Mahnwachen, Menschenketten und Gebete. Die deutsche Öffentlichkeit nimmt tägliche Aufmärsche der Terror-Unterstützer zur Kenntnis, die Täter-Opfer- Umkehr trägt Früchte, Universitätspräsidenten dulden die vom Iran gesteuerten und mit arabischem Geld finanzierte „Tentinfada“, pro-arabische Camps and den Unis. Während in den USA die ersten Unipräsidentinnen gehen mussten, sitzen unsere immer noch auf ihren Stühlen.
Die Lektüre dieses Buches, die Summe langjähriger Beschäftigung des Autors mit diesen Themen, war für mich schmerzlich aber als Kompendium aus informierter und berufener Quelle in der heutigen Zeit sehr wichtig, auch, wenn ich manche von ihm in der umfangreichen Bibliographie zitierte Publikation unterschiedlich bewerte. Ein Namensregister wäre allerdings hilfreich. Aber ich bin Ingo Elbe für diese Arbeit dankbar. Es ist ein mutiges Werk, mit dem sich der Autor nicht wenige Feinde macht, dessen fundierte Diagnosen und Analysen ich jedoch den Dozenten, Politikern, Juristen, der Polizei und Medienvertretern unbedingt ans Herz legen möchte, damit sie, nun besser informiert, von ihrem Irrweg abkommen und erkennen, was der IHRA-Definition widerspricht, um angemessen re- und agieren zu können. Es ist höchste Zeit, denn es verlassen bereits jüdische Bürger Deutschland. 1933 mahnt.