Klaus Faber: Islamistische und muslimische Antisemitismuskonstruktionen und ihre Beziehungen zu Delegitimierungskampagnen gegen Israel

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(überarbeitete Fassung eines Vortrags auf der Antisemitismuskonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung und des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus im Centrum Judaicum Berlin am 15. 9. 2010)

Klaus Faber, Staatssekretär a. D., Publizist und Rechtsanwalt in Potsdam, Vorstandsmitglied im Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus

Wer über islamistischen Antisemitismus sprechen will, muss zunächst etwas dazu sagen, was unter „Islamismus“ verstanden werden soll. Der Begriff „Islamismus“ wird zwar überall – in den Medien und in der Politik, selbst, in der Variante „radikalislamistisch“, in Verbotsverfügungen des Bundesinnenministeriums – gebraucht. Es handelt sich dabei aber keinesfalls um eine unumstrittene Begriffsbildung. Es gibt zu diesem Begriff unterschiedliche Definitionsansätze. Die meisten gehen dem Inhalt nach davon aus, dass damit eine Position beschrieben werden soll, die einen starken Einfluss islamisch orientierter Auffassungen auf die Politikgestaltung fordert. Manche sehen deshalb den Begriff „politischer Islam“ der Sache nach in großer Nähe zum Islamismus-Begriff. Auf der Grundlage der üblichen weiten Definition kann wohl kaum ein Zweifel daran bestehen, dass danach z. B. die türkische Regierungspartei AKP eine islamistische Partei, die ägyptischen Muslimbrüder eine islamistische Bewegung und Saudi-Arabien insgesamt als islamistischer Staat zu beschreiben ist – natürlich auch die Islamische Republik Iran, vielleicht auch die Islamische Republik Pakistan und andere Staaten.

Damit wird das Problem deutlich, das mit dieser Begriffsbildung verbunden ist. Die Beschreibung umfasst in islamischen Gesellschaften und Staaten einen großen Teil der traditionellen, in diesem Rahmen konservativen Positionen. Diese Gesellschaften und Staaten unterscheiden sich insoweit von einem beachtlichen Teil der europäischen Gesellschaften und Staaten, die im Einzelnen in unterschiedlichem Umfang, insgesamt aber doch viel stärker als die islamischen Formationen von einem Säkularisierungstrend erfasst sind. Ähnliche, zum Teil noch schärfer gestellte Distanz- und Divergenzprobleme gibt es übrigens auch bei der Übertragung des aus westlichen Gesellschaften stammenden Fundamentalismus-Begriffs, der im Westen meist sektenähnliche Phänomene am Rande des Mainstreams beschreibt, auf islamische Bedingungen bezogen daher oft einen falschen Eindruck von den Mehrheits- und Minderheitsverhältnissen vermittelt.

Weshalb verwendet man dann im Zusammenhang mit dem Antisemitismus überhaupt den Islamismus-Begriff? Es gibt dafür eine ganze Reihe von Motiven. Die Alternative, einfach von islamischem oder muslimischem Antisemitismus zu sprechen, gefällt einigen nicht; es werde dadurch, so manchmal die Argumentation, der Eindruck erweckt, alle Muslime seien antisemitisch oder, weitergehend, der Islam selbst sei antisemitisch. Wir sprechen allerdings häufig – und das wird akzeptiert – vom christlichen Antisemitismus, ohne dass dabei unterstellt wird, alle Christen seien antisemitisch oder das Christentum sei per se antisemitisch.

Es gibt im Islam frühe Anzeichen für ein gespanntes Verhältnis zum Judentum, die im Koran und in frühen Überlieferungen sichtbar werden, auf die sich übrigens, und damit sind wir wieder beim Thema „Islamismus“, in unserer Zeit auch die Hamas-Charta bezieht. Nach einer dieser Koran-Aussagen wurden einige Juden wegen ihrer Verfehlungen von Gott in Affen und Schweine verwandelt. Bäume und Steine werden, so eine von Hamas in ihrer Charta zitierte Überlieferung, Juden, die sich hinter ihnen verbergen, vor dem Jüngsten Tag an Muslime verraten, damit diese sie entdecken und töten können. Diese judenfeindlichen Passagen gehen in der ältesten Tradition auf die kriegerischen Auseinandersetzungen Mohammeds mit jüdischen Stämmen auf der arabischen Halbinsel zurück, auf die er Bündnis- und vielleicht auch Missionshoffnungen gesetzt hatte und die er in der Folge auslöschte – durch Tötung, Vertreibung oder%2

Klaus Faber: Islamistische und muslimische Antisemitismuskonstruktionen und ihre Beziehungen zu Delegitimierungskampagnen gegen Israel

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