Unerreichbare palästinensische Versöhnung

Vermittler beissen sich am Streit zwischen der Hamas und der Fatah die Zähne aus
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Die zerstrittenen palästinensischen Parteien Hamas und Fatah scheinen einer Versöhnung nicht näher zu kommen. Dies nährt Zweifel, dass sie dazu überhaupt den Willen haben.

Am 25. Januar ist die Legislatur des palästinensischen Legislativrats, der seit fast drei Jahren ohnehin nicht getagt hat, abgelaufen. Bereits seit einem Jahr bekleidet der Präsident der palästinensischen Behörde, Mahmud Abbas, sein Amt nur interimistisch. Die Hamas-Regierung in Gaza und die von Abbas eingesetzte Regierung in Ramallah im Westjordanland werfen sich gegenseitig vor, die Macht zu usurpieren. Der Streit zwischen der Hamas und der Fatah, den stärksten Parteien Palästinas, verhindert die Abhaltung von Neuwahlen.

Machtteilung unvorstellbar

Seitdem die Hamas unter blutigen Kämpfen im Juni 2007 die von der Fatah kontrollierten Sicherheitskräfte im Gazastreifen ausgeschaltet und dort die alleinige Macht übernommen hat, bemühen sich Vermittler um eine Versöhnung zwischen den Rivalen. Doch weder die Exponenten der zwei Parteien noch unabhängige Beobachter glauben, dass dies bald geschehen wird. Der in Gaza arbeitende Ökonom Omar Shaban wirft beiden Parteien vor, aufgrund ihres Selbstverständnisses zur Machtteilung nicht bereit zu sein.

«Unter Arafat war die Fatah ohnehin eine One-Man-Show, und bis heute kann sie sich nicht vorstellen, Macht zu teilen», erklärt Shaban. Die Hamas habe von ihrer Mutterorganisation, den Muslimbrüdern, eine Kultur des Misstrauens gegenüber andern übernommen, meint er. «Es gibt zwar einige, die dazugelernt haben, aber als Organisation ist die Hamas noch nicht bereit, sich gegenüber anderen zu öffnen.» Zudem seien viele Hamas-Führer überzeugt, dass sie am stärkeren Hebel seien. «Sie glauben, dass Abbas den Gazastreifen braucht, um als Vertreter der Palästinenser aufzutreten, also beharren sie auf ihren Forderungen.»

Rettung durch die Araber?

Ahmed Yusif, der stellvertretende Aussenminister der Hamas-Regierung und Berater von deren Regierungschef Ismail Haniya, räumt ein, dass die Verantwortung für den Streit zuerst bei den beiden Parteien liegt. Dass die intensiven ägyptischen Bemühungen im letzten Jahr zu keinem Resultat geführt hätten, schreibt er aber vor allem den Amerikanern und Israeli zu. «Die USA fürchten um die Sicherheitszusammenarbeit der Abbas-Regierung mit Israel, die vom amerikanischen General Dayton überwacht wird.» Die Amerikaner und die Europäer fordern, die Hamas müsse Israels Existenzrecht akzeptieren und auf Gewalt verzichten, wenn sie anerkannt werden wolle.

Yusif meint, dass die arabischen Staatschefs an ihrem Gipfel im März die Versöhnung herbeiführen könnten, eine Hoffnung, die auch Sakher Bsesso, Mitglied des Fatah-Zentralkomitees, teilt. Der aus Gaza stammende, heute aber in Ramallah lebende Bsesso unterstreicht, dass zurzeit der Gegensatz regionaler Allianzen – auf der einen Seite jene Jordaniens, Ägyptens und Saudiarabiens mit Abbas, auf der anderen Seite jene Irans und Syriens mit dem Hizbullah und der Hamas – einer Einigung entgegensteht. Solange der Gegensatz nicht überwunden sei, gebe es keine palästinensische Einheit und keine Aussicht auf Frieden und Entwicklung für Palästina.

Der in Syrien lebende Hamas-Chef Khaled Mashal hat kürzlich eine Reise nach Saudiarabien unternommen, um seine Position zu erklären. Doch auch wenn er in Riad auf Verständnis gestossen sein sollte, hat Ägypten die Gespräche mit der Hamas, die im letzten Oktober unterbrochen wurden, nicht wieder aufgenommen. Mit dem Bau einer unterirdischen Sperre zur Unterbindung des Schmuggels in den Gazastreifen zeigt Kairo seine Absicht, der Hamas seine Konditionen aufzuzwingen. So scheint ein geeinter arabischer Druck auf die palästinensischen Streithähne unwahrscheinlich.

Angst vor Wahlen

Viele Kenner vermuten, dass die nur laue Versöhnungsbereitschaft auch damit zu tun hat, dass die Ergebnisse kommender Wahlen ungewiss sind. Der Streit schadet dem Ansehen beider Parteien schwer, und deren Führungen müssen befürchten, von den Wählern die Quittung dafür zu erhalten. Der Fatah ist es seit der Wahlniederlage 2006 kaum gelungen, ihr Erscheinungsbild zu verbessern. Viele sehen in der Partei noch immer einen Klüngel, der gegenüber den Nöten der Bevölkerung gleichgültig ist, dafür aber umso mehr die materiellen Vorteile der Parteigewaltigen verfolgt. Wenn die Fatah heute in Meinungsumfragen als Gewinnerin dasteht, so ist dies vor allem darauf zurückzuführen, dass die Hamas ihren Glanz ebenfalls verloren hat.

Die Anwendung von Gewalt zur Sicherung der Macht, die Repression politischen Widerspruchs, die moralisierenden Eingriffe in die Lebensführung der Leute und die Privilegien ihrer Mitglieder und ihr nahestehender Geschäftemacher haben das Ansehen, das die Hamas bis 2006 genoss, weitgehend zerstört. Die Wähler, die vor vier Jahren aus Protest gegen die Machtausübung der Fatah für die Hamas gestimmt haben, werden dies kaum wieder tun. So fürchten unabhängige Beobachter, dass viele Palästinenser bei künftigen Wahlen, sollten sie je stattfinden, gar nicht mehr teilnehmen oder dass das Votum die Bildung einer handlungsfähigen Führung verunmöglicht.

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