Stellungnahme von SPME Austria zum Vortrag des ehemaligen Präsidenten des Iran, Mohammad Khatami, an der Universität Wien – Antwortschreiben der Universität

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Scholars for Peace in the Middle East – Austria
Lange Gasse 64/II/15,
A-1080 Wien

Wien, 25. Oktober 2008

Sehr geehrter Herr Rektor Prof. Dr. Winckler,
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Potz,
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Luf,

Die Österreichische Sektion der internationalen Akademikerorganisation Scholars for Peace in the Middle East schließt sich den Protesten gegen den geplanten Vortrag des ehemaligen Präsidenten des Iran, Mohammad Khatami, an der Universität Wien an.

Auch wenn Khatami sich in jüngerer Zeit von Aussagen Ahmadinejad’s distanziert hat, waren im Iran unter seiner Regierungszeit Menschenrechtsverletzungen, unrechtmäßige Verfahren und Hinrichtungen an Regimegegnern und Angehörigen religiöser Minderheiten an der Tagesordnung.

Ebenso weisen wir auf die halbherzige Distanzierung Khatamis von der Leugnung der Shoah durch Ahmadinejad hin, in dem er diese in einem Interview gegenüber US Medien insofern relativierte, als er meinte, dass der Holocaust zwar eine Tatsache sei, aber als Ausrede für die Unterdrückung der Rechte der Palästinenser missbraucht werde.

In diesem Zusammenhang erinnern wir auch daran, dass Khatami sich mit Roger Garaudy solidarisierte, der wegen Leugnung des Holocaust (vorgetragen im Buch Die Gründungsmythen der israelischen Politik) von einem französischen Gericht verurteilt wurde.

Insbesondere erinnern wir an den antisemitischen Schauprozess gegen 10 Iranische Juden während der Amtszeit Khatamis als Präsident, die wegen angeblicher “Spionage für Israel” im Juli 2000 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Der Vorwurf der “Spionage” wurde zwar fallengelassen. Es blieb allerdings die Anschuldigung der “Zusammenarbeit mit einem feindlichen Staat”.[1]

Dass ausgerechnet der ehemalige Präsident des Iran, Mohammad Khatami im Rahmen einer Ringvorlesung über Weltethos und Recht an der Universität Wien einen Vortrag zum Thema „Globales Ethos – Recht u. Dialog der Kulturen“ halten soll, erscheint daher mehr als bedenklich.

Für den Vorstand von Scholars for Peace in the Middle East- Austria
Mag. Dr. Ruth Contreras, Vorsitzende
Mag. Eva Mühlhofer Gurion, stv. Vorsitzende
Mag.Traude Litzka, Schriftführerin


[1] http://wsws.org/de/2000/sep2000/iran-s23.shtml

*****

Antwortschreiben der Universität Wien:

Sehr geehrte Frau Dr. Contreras

Die mit dem „Projekt Weltethos” gemeinsam veranstaltete Ringvorlesung „Weltethos und Recht” richtet sich in erster Linie, aber nicht nur, an die Studierenden der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Ihr Ziel ist es, die unabweisbaren ethischen Aspekte bei der Verwirklichung von Recht auf allen Ebenen bewusst zu machen. Darüber hinaus sollen durch Vertreter des Projekts Weltethos und verschiedener Weltreligionen Bestrebungen diskutiert werden gemeinsame ethische Prinzipien zu entwickeln. Diese Suche nach gemeinsamen ethischen Prinzipen ist auch vor dem Hintergrund der Globalisierung zu sehen und stellt eine besondere Herausforderung für die Entwicklung eines diesem Globalisierungsprozess entsprechenden Rechts- und Politikkonzepts dar.

Wir haben die Anwesenheit von Altpräsidenten Khatami aus Anlass der Feier zu „35 Jahre Dialoginitiative St. Gabriel” für die Einladung zu einem Gastvortrag im Rahmen dieser Lehrveranstaltung genützt.

Was die Themenwahl dieses Gastvortrages betrifft, so hat sie sich einerseits aus dem Generalthema der Ringvorlesung „Weltethos und Recht” ergeben und andererseits aus dem „Dialog der Kulturen”, zu dem Dr. Khatami in Kontrastierung zum befürchteten „Clash of Civilisations” bei seiner Rede vor der UN-Generalversammlung 1998 aufgerufen hat. Ein weiterer Grund für die Einladung und die Themenwahl war, dass sich Dr. Khatami mit dem Konzept „Weltethos” von Hans Küng bereits anlässlich eines „Weimarer Gesprächs” auseinandergesetzt hat, zu dem ihn der deutsche Bundespräsident Rau gemeinsam mit Hans Küng und den Orientalisten Josef van Ess im Jahre 2000 eingeladen hat (dieses Gespräch wurde 2001 im Verlag „deux mondes”, Heidelberg publiziert).

Seit dem Ende seiner zweiten Präsidentschaft ist Dr. Khatami der Leiter des „Zentrums für den Dialog zwischen den Kulturen”, das erst vor 14 Tagen eine Tagung in Teheran veranstaltet hat, an welcher der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan, die ehemalige Präsidentin Irlands Mary Robinson und der Ex-Präsident Jorge Sampaio von Portugal, Romano Prodi sowie der norwegische Ex-Premier Kjell Magne Bondevik teilnahmen.

Als langjährige Teilnehmer an der eingangs erwähnten Dialoginitiative sind wir mehrmals Dr. Khatami begegnet. Erstmals 1993 bei einer christlich-islamischen Dialogkonferenz, dann zweimal bei Tagungen in Teheran und schließlich bei einem von Bundespräsident Klestil im Jahr 2002 veranstalteten interreligiösen Round Table anlässlich des Staatsbesuchs vom damaligen Staatspräsidenten Khatami.

Bei all diesen Gelegenheiten haben wir Dr. Khatami als ausgewogenen, differenzierenden und offenen Denker erlebt, der sich aufrichtig um Dialog bemüht und sich vor allem gegen die Gefahr einer Isolation des Islam in der Welt von heute wendet.

Unseres Wissens hat er sich von den inakzeptablen Äußerungen des jetzigen Staatspräsidenten Ahmadinejad über die Shoah klar distanziert. Dass Khatami im israelisch-palästinensischen Konflikt für die Palästinenser Partei ergreift, kann aber doch wohl nicht als Grund für eine Dialogverweigerung angesehen werden. Wenn man mit einem Mann wie Khatami nicht sprechen darf, dann fragen wir uns wie man Frieden im Nahen Osten überhaupt erreichen will.

Was die von Ihnen angesprochenen Strafverfahren bzw Menschenrechtsverletzungen auch unter der Amtszeit von Dr. Khatami betrifft, so müssen wir doch auf die rechtlichen und politischen Kompetenz-Grenzen des iranischen Staatspräsidenten hinweisen. Wir sind allerdings der Meinung, dass sich im Iran in den Jahren seiner Präsidentschaft einiges, wenn auch sicher viel zu wenig gebessert hat. Es sei in diesem Zusammenhang aber auch betont, dass es der Westen mit seinem grundsätzlichen Misstrauen Dr. Khatami von allem Anfang an nicht gerade leicht gemacht hat.

Aus diesen Überlegungen halten wir einen Vortrag von Dr. Khatami im Rahmen einer Ringvorlesung, bei der ein breites Spektrum von Meinungen zur Möglichkeit eines, vor allem von den Weltreligionen gemeinsam getragenen Grundkonsenses für ein Weltethos erörtert werden soll, nicht für bedenklich. Wir wollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der beiden Lehrveranstaltungen, für die wir diesen Gastvortrag angekündigt haben, mit einer prominenten islamischen Position vertraut machen, die im Gesamtkontext der Lehrveranstaltung am Semesterende zu diskutieren sein wird.

Mit freundlichen Grüßen

Richard Potz Gerhard Luf

Stellungnahme von SPME Austria zum Vortrag des ehemaligen Präsidenten des Iran, Mohammad Khatami, an der Universität Wien – Antwortschreiben der Universität

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