Wahied Wahdat-Hagh: Massenhinrichtungen in iranischen Gefängnissen

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Im Iran und im Exil gedenken Iraner den Massenhinrichtungen des Jahres 1988. Der islamistische Staatsterror begann schon im Jahre 1979 und dauert seit nunmehr fast 30 Jahren an.

Kaweh Shahrus zufolge hat es das iranische Regime in den letzten 30 Jahren geschafft, viele seiner staatlichen Verbrechen zu vertuschen. Einer der erfolgreichsten Geheimhaltungsversuche seien bis heute die Massenhinrichtungen vom Sommer 1988. Über dieses Thema berichtete Shahrus im übrigen in Vorträgen an der juristischen Fakultät der Stanford University und an der Harvard University.

An die 80er Jahre erinnern sich Überlebende mit Grauen. Die Gefängnisse waren überfüllt, bis die Massenhinrichtungen durchgeführt wurden.

„Todeskommissionen”

Die Befehle zur Hinrichtung in verschiedenen Gefängnissen, in Schiras, Ahwas, Mashad kamen aus Teheran. Beauftragte der Regierung kamen überallhin wo es Gefängnisse gab, um die Hinrichtungen zu überwachen und zu bestätigen. Die Gefangenen nannten sie „Todes-Kommissionen”. Diese bestanden aus Vertretern der Justiz und des Geheimdienstes. Einer der Mitglieder solcher „Todeskommissionen” war Mostafa Purmohammadi, der erste Staatsminister unter der Präsidentschaft von Ahmadinejad. Er wurde im Mai 2008 abgesetzt und ist gegenwärtig Direktor der staatlichen „Kontrollbehörde”. Auf Befehl von Ayatollah Khomeini sollten diese „Todeskommissionen” untersuchen, wer „Mohareb”, also Kämpfer gegen das Regime, und wer „Mortad”, Abtrünniger, ist. Beide Gruppen sollten hingerichtet werden. Die Mitglieder der Volksmojahedin, die als „Mohareb” galten wurden sofort umgebracht.

Denjenigen, die anderen oppositionellen Organisationen angehörten, wurden Fragen gestellt, wie: „Sind Sie ein Muslim?”, „Beten Sie?”, „Sind Sie bereit Minenfelder für die Armee der Islamischen Republik zu säubern?” Ayatollah Montazeri schätzt, dass innerhalb von zwei Monaten zwischen 2800 bis 3800 Menschen hingerichtet wurden, schreibt Shahrus. Er schreibt, dass viele Gefangene, die diesen Vorgang der Massenhinrichtungen mit verfolgen mussten, psychische Probleme bekamen und zudem infolge von Folter Selbstmord begingen. Die Gefängniswärter sollen stets die Selbstmorde begrüßt haben.

Im Sommer 1988 wurden hauptsächlich Mitglieder und Sympathisanten der Volksmujahedin hingerichtet, unter ihnen waren aber auch viele Mitglieder linker Organisationen, die alle namentlich bekannt sind. Menschenrechtsorganisationen führen 4485 Menschen namentlich auf, die im Sommer 1988 hingerichtet wurden. Asre-nou.net hat diese Namenslisten veröffentlicht. Tatsächlich sollen jedoch mehr Menschen exekutiert worden sein.

Ali Akbar Rafsanjani und Ali Khamenei gehören zu den Verantwortlichen

Die Familienangehörigen, die erst nach den Hinrichtungen vom Tod ihrer Angehörigen erfuhren, wurden nicht informiert, wo die Massengräber liegen. Ali Akbar Rafsanjani und Ali Khamenei gehören zu den Verantwortlichen dieser Massenmorde. Bis heute leugnen sie jedoch die Durchführung der Exekutionen. Schahrus ist davon überzeugt, dass, wenn das internationale Völkerrecht hier greifen würde, die Massenhinrichtungen als ein völkerrechtlicher Straftatbestand, als „Verbrechen gegen die Menschheit” anerkannt würden.

Er fragt ferner, wen es eigentlich wundert, dass niemand im Iran die Verantwortung für Morde an Intellektuellen übernehmen will, wenn die Verantwortlichen für die Massenmorde wie Mostafa Pourmohammadi, sowohl vom Kabinett des Ex-Präsidenten Khatami als auch von Ahmadinejad belohnt wurden.

Die Todes-Quarantäne

Reza Fani-Yasdi war selbst im Jahr 1988 in Mashad im Gefängnis. In einem Interview mit Monireh Baradaran, Leiterin eines Internet-Archivs zur Aufarbeitung der dunklen Geschichte iranischer Gefängnisse, Bidaran, schildert er, was sich im Gefängnis abgespielt hat, nachdem Ayatollah Khomeini die UN-Resolution 598 unterzeichnet und damit den Frieden mit dem Irak akzeptiert hat.

Fani-Yasdi erinnert sich, wie binnen weniger Tage die Abteilung, die rund 400 Gefangene hatte auf rund 100 Gefangene reduziert wurde. Die anderen waren nach und nach abgeführt und hingerichtet worden. Die Befehle zur Hinrichtung wurden von einem Stab erteilt, der in regelmäßigen Abständen aus Teheran nach Mashad kam und festlegte, wer zu der nächsten Gruppe gehört, die in die „Quarantäne” geht. Nach der „Quarantäne” kam der Tod.

Den Familienangehörigen wurde seitens der Gefängnisleitung berichtet, man habe ihre Angehörigen „befördert”. Wohin wurde nicht mitgeteilt. Es gab Gerüchte, wonach sie vielleicht auf eine Insel, auf die Drogenabhängige verbannt wurden, geschickt worden waren. Der Zynismus der terroristischen Macht meinte ins Jenseits „befördert”. Explizit aber wurde verleugnet, dass überhaupt Hinrichtungen stattgefunden haben. Bis heute ist nicht eindeutig, wo die Hingerichteten begraben wurden. Wahrscheinlich an einem Ort, der „Laanatabad” hieß, „Siedlung der Verdammten”.

Fani-Yasdi erinnert sich an grausame Geschichten. Der Vater eines Hingerichteten Mojaheds wollte von der Staatsanwaltschaft erfahren wo sein Sohn Bahram ist, sonst würde er sich umbringen. Moqeissi, einer der Verantwortlichen soll gesagt haben, dann tue es, bringe Dich um. Und der verzweifelte Vater habe sich aus dem Fenster des Gerichtsgebäudes gestürzt und sei gestorben .

Kein Eingeständnis unter Khatami

Jafar Behkish schreibt, dass viele Familienangehörige der Hingerichteten Hoffnung hatten, dass sich in der Regierungszeit des Ex-Präsidenten Mohammad Khatami etwas für sie ändern würde. Khatami habe zwar manchmal schöne Worte ausgesprochen, aber weder er noch seine Mitarbeiter hatten ein wirkliches Interesse die Geschichte der Massenhinrichtungen aufzuarbeiten. Behkish schreibt, dass dies auch nicht verwunderlich sei, da Khatami und einige der einflussreichsten Persönlichkeiten der Reformbewegung auch im Jahr 1988 wichtige staatliche Ämter bekleideten. Nach dem Sturz der Reformbewegung seien auch die wenigen Auseinandersetzungen mit der Reformbewegung zu Ende gegangen.

Auch in diesem Jahr veranstalten Exil-Iraner weltweit eine Gedenkveranstaltung zu den Massenhinrichtungen des Jahres 1988. In Berlin wird zudem auch an die staatsterroristischen Mykonosattentate vom 17.9.1992 gedacht.

Hamid Nowzari, einer der Organisatoren der Berliner Gedenkveranstaltung sagt: „Diese Gedenkveranstaltung wird parallel sogar von Angehörigen der Ermordeten im Iran durchgeführt. Die Besonderheit dieses Verbrechens ist, dass die iranischen Machthaber darüber schweigen und niemand die Verantwortung dafür übernommen hat.”

Dieses Schweigen will auch amnesty international brechen. In einer Erklärung vom 19.8.2008 fordert amnesty international, dass die Verantwortlichen der Massenhinrichtungen im Iran verurteilt werden müssen.

Der Staatsterror begann mit der Islamischen Revolution

Tatsächlich haben die Verbrechen der Islamischen „Republik” Iran schon mit ersten Hinrichtungen kurz nach der Revolution begonnen, als religiöse Fanatiker an der Macht unschuldige Menschen ermordeten. Ein Film über Mona, eine junge Bahai, die gemeinsam mit anderen unschuldigen Frauen erhängt wurden, soll im nächsten Jahr in die Kinos kommen.

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