“Netanyahu wird sich beugen müssen”

US-Nahostexperte Alon Ben-Meir im STANDARD-Interview: Ob Israel mit den Palästinensern verhandelt, entscheidet Obama
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Zur Person

Der Politologe und Nahostexperte Alon Ben-Meir unterrichtet internationale Beziehungen an der renommierten New York University. Er kommentiert die Geschehnisse im Nahen Osten regelmäßig für die großen US-Fernsehstationen CNN und Fox und tritt in US-Talkshows auf.


Ob Israel unter Premier Benjamin Netanyahu Gespräche mit den Palästinensern führen wird, entscheidet US-Präsident Barack Obama, sagt der prominente US-Nahostexperte Alon Ben-Meir zu András Szigetvari.

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STANDARD: Wird eine israelische Regierung mit dem Falken Benjamin Netanyahu an der Spitze und mit dem Rechtsextremisten Avigdor Lieberman als Außenminister mit den Palästinensern verhandeln?

Ben-Meir: Ob es Verhandlungen geben wird, entscheidet US-Präsident Barack Obama. Die Frage ist, wie viel Druck er auf die neue Regierung in Jerusalem ausüben wird. Wenn Obama von Netanyahu Eingeständnisse verlangt, wird sich Netanyahu beugen müssen. Es wäre nicht das erste Mal: Netanyahu musste in seiner ersten Amtszeit als Premierminister von 1996 bis 1999 entgegen seinem Willen und auf Wunsch der USA den israelischen Abzug aus der Stadt Hebron anordnen. Netanyahu kann sich den Wünschen Washingtons nicht verweigern, das würde zum Zusammenbruch seiner Regierung führen.

STANDARD: Obamas Vorgänger Clinton und Bush haben sieben Jahre gewartet, ehe sie im Nahen Osten aktiv wurden.

Ben-Meir: Wenn die Obama-Administration nicht umgehend aktiv wird, wird nichts geschehen, soviel steht fest. Aber bisher sieht es nicht so schlecht aus: Obama hat seinen Nahost-Beauftragten George Mitchell ernannt, der vielleicht schon in den kommenden Tagen in die Region reisen wird. Aber noch einmal: Alles hängt davon ab, ob Obama Druck auf Israel ausüben wird.

STANDARD: Wie können die USA Zugeständnisse von Israel bekommen?

Ben-Meir: Die israelische Außenpolitik fokussiert derzeit fast ausschließlich auf ein Problem: auf den Iran. Ich halte es für möglich, dass Obama den Iran für ein Tauschgeschäft benutzt. Es ist im Interesse Israels, dass der Atomstreit mit dem Iran diplomatisch gelöst wird. Obama kann Israel also beim Thema Iran entgegenkommen, dafür aber Zugeständnisse bei den Palästinensern verlangen.

STANDARD: Aber Obama hat kaum Spielraum. Er hat seine Iranpolitik schon vorgegeben, er will mit Teheran verhandeln?

Ben-Meir: Die USA werden ihr Gesprächsangebot an Teheran nicht unbegrenzt aufrechterhalten. Ohne zeitliche Schranke kann die Gesprächsstrategie ja nicht aufgehen, weil der Iran dann einfach auf Zeit spielen könnte. Obamas Angebot an den Iran wird vielleicht drei Monate aufrecht bleiben. Wenn es bis dahin keinen Durchbruch gibt, wird Israel ein härteres Vorgehen von Washington verlangen. Und genau an diesem Punkt kann das Tauschgeschäft einsetzten.

STANDARD: Lässt sich mit Lieberman, der im Wahlkampf die israelischen Araber immer wieder geschmacklos attackiert hat, rationale Politik machen?

Ben-Meir: Lieberman ist nicht gegen die Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern. Das ist nicht das Problem mit ihm. Das Problem mit ihm ist, dass er von den israelischen Arabern einen Treueschwur auf den Staat Israel verlangt – und dass er einen Teil der israelischen Araber am liebsten in das Westjordanland verfrachten würde. Ich bezweifle, dass Lieberman diese Wahlkampfversprechungen umsetzen wird. Wenn er es versucht, würde es das Ende der Regierung in Jerusalem bedeuten.

STANDARD: Wird die neue israelische Regierung die unter Premier Olmert wieder begonnenen Verhandlungen mit Syrien weiterführen?

Ben-Meir: Ich glaube, Netanyahu wird eher dazu geneigt sein, die Verhandlungen mit Syrien aufzunehmen als mit den Palästinensern. Auch weil er die syrische Unterstützung für Hamas reduzieren will. Ich habe mit Netanyahus Top-Beratern am Montag gesprochen, und sie haben klar angedeutet, dass Verhandlungen mit Syrien für sie die attraktivere Option ist. Denn sie gehen davon aus, dass die USA auf Israel weniger Druck in der Palästinenserfrage ausüben werden, wenn Jerusalem mit Damaskus verhandelt. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.3.2009)

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