Klaus Faber hat die Welt gesehen – Ein schiefer Vergleich

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Es gibt in Deutschland einen neuen Antisemitismusstreit. Das Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin (ZfA) hat auf einer Tagung mit dem Titel “Feindbild Muslim – Feindbild Jude” Antisemitismus und Islamfeindschaft gegenübergestellt und verglichen. Der Ansatz ist auf Kritik und Ablehnung gestoßen, auch wegen des in der Tagungseinladung und im neuen ZfA-Jahrbuch verwandten Propagandabegriffs “Islamophobie”. Der “Islamophobie”-Begriff ist im UN-Sprachgebrauch, der jetzt auch in Deutschland eindringt, vor allem ein Mittel der antiwestlichen und israelfeindlichen Agitation islamischer Staaten.

Kampfbegriff Islamophobie

Sie verweist nicht auf tatsächliche Diskriminierung, sondern auf Vorwurfskonstruktionen, die angeblich unzulässige Kritik am Scharia-Recht und generell am “Islam” als “islamophob” diffamieren. “Die Islamophobie nähert sich dem Niveau des Antisemitismus der Dreißigerjahre” – so Ekmeleddin Ihsanoglu, Generalsekretär der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), in einer türkischen Tageszeitung. Er liegt damit exakt auf der Politiklinie, die seine Organisation auch sonst in den Vereinten Nationen verfolgt, z. B. bei der Vorbereitung einer UN-Konferenz in Genf, auf der im kommenden Jahr “Islamophobie” als Hauptübel beschwört und in mittlerweile bekannter antisemitischer Weise Israel diskriminiert und attackiert werden soll.

Antisemitismus und Islamfeindschaft oder “Islamophobie” kann man nicht gleichsetzen. Niemand will Muslime in allen Ländern angreifen und ausrotten oder ein muslimisches Land auslöschen. Niemand macht Muslime und den Islam für alle möglichen globalen Übel verantwortlich. Wenn man wahrnimmt, was dazu demgegenüber in vielen Medien islamischer Länder über Israel und die Juden tagtäglich geschrieben und auf andere Weise verbreitet wird, erkennt man den fundamentalen Unterschied. Er drückt sich auch darin aus, dass in unserem Land vor allem jüdische Kindergärten, Schulen, Einrichtungen oder Synagogen rund um die Uhr von Polizei und Sicherheitskräften bewacht werden müssen. Antiislamischen Terror gibt es dagegen in Europa praktisch nicht, sehr wohl aber enge Kooperation zwischen aggressiven, antisemitischen Islamisten und in gleicher Weise antisemitischen Neonazis, nicht nur in Deutschland.

Gegen antimuslimische Diskriminierung, die es bei uns auch gibt, sollten wir uns gemeinsam mit progressiven Muslimen, mit der großen Mehrheit der deutschen Muslime wehren, die für demokratische Werte und für Integration stehen. Reaktionäre oder konservative muslimische Verbände sind dafür und für den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus keine geeigneten Bündnispartner.

In der Tendenz, für das Fehlverhalten Einzelner das ganze Kollektiv in Haftung zu nehmen, wollen manche in der öffentlichen deutschen Debatte ein Kriterium für Islamfeindschaft und zugleich einen Ansatzpunkt für die Behauptung einer strukturellen Ähnlichkeit zwischen dieser und dem Antisemitismus sehen. Dass damit zumindest mittelbar ein Vergleich etwa zwischen muslimischen Terroristen und einem für kritikwürdig gehaltenem jüdischem Verhalten (in der Finanzwelt? in den Medien? oder in Israels Politik?) gezogen wird, ist kaum zu leugnen. Auch dies zeigt, wie problematisch derartige Ansätze sind.

Auf der einen Seite stehen Tatsachen, nämlich Terror, islamischer Antisemitismus und Dschihadismus oder Vernichtungsdrohungen gegen Israel, die bei manchen zu unzulässigen Pauschalvorwürfen führen, auf der anderen Seite antisemitische Verschwörungskonstruktionen von jüdischer Finanz-, Medien- und Weltmacht, die nichts mit der Realität zu tun haben. Diese ganz verschiedenen Tatbestände auf die gleiche Ebene zu stellen, dort zu vergleichen oder gar gleichzustellen, ist nicht akzeptabel und wird auch nicht durch die Erwägung gerechtfertigt, man wolle eine “Opfer-Konkurrenz” oder eine “Opfer-Hierarchisierung” vermeiden. Man reduziert auf diese Weise, gewollt oder ungewollt, die negative Dimension von Antisemitismus. Zudem wird damit, in einer häufig festzustellenden Nebenwirkung, zulässige Kritik an Verhältnissen in islamischen Staaten und Gesellschaften unter einen “Islamophobie”-Verdacht gestellt, was im UN-Rahmen ja das erklärte Ziel mancher islamischer Staaten ist. In den 50er, 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts – auch später – wurde in Deutschland gegen den Ausschwitz-“Vorwurf” oft mit einem Dresden-Vergleich (“Bomben-Holocaust”) argumentiert. Wir sollten verhindern, dass jetzt eine ähnliche Entlastung mit der “Islamophobie”-Konstruktion propagiert wird.

Wer “Islamophobie” und Antisemitismus gleichsetzt, relativiert nicht nur den Holocaust, sondern auch die aktuellen antisemitischen Gefahren. Dies gilt insbesondere für diejenigen Bedrohungen, die in der gegen Israel gerichteten, antisemitischen Völkermordpropaganda der Islamischen Republik Iran und ihrer atomaren Aufrüstungspolitik zu erkennen sind, aber ebenso für die Terrorgefahren, die von antisemitischen Organisationen wie Hamas oder der in Deutschland noch immer nicht verbotenen Hisbollah ausgehen. Eine Gleichstellung von “Islamophobie” und Antisemitismus behindert deshalb die Antisemitismusbekämpfung, damit auch die Integrationspolitik in Deutschland, die den häufiger anzutreffenden islamischen Antisemitismus zu überwinden hat, und ebenso die Boykott- und Sanktionskampagnen gegen die atomare Bewaffnung der Islamischen Republik Iran und gegen ihre Völkermordpläne.

Antisemitismus ist anders

Im ZfA gibt es, wie auch sein neues Jahrbuch belegt, verschiedene Strömungen, gute und akzeptable Diskussionsbeiträge, daneben aber leider auch solche, die dazu tendieren, “Islamophobie” und Antisemitismus gleichzusetzen, und z. B. in überzogenen “Antisemitismusvorwürfen” gegen Muslime ein zentrales Ventil für “Islamophobie” sehen. Dass in diesem Zusammenhang der umgekehrte Fall, nämlich die Wirkung von überzogenen “Islamophobie”-Vorwürfen auf Personen oder, etwa im UN-Rahmen, auf Staaten, weder thematisiert noch problematisiert wird, ist kaum nachzuvollziehen.

Diskriminierung von Muslimen ist, um es zu wiederholen, zu bekämpfen. Man kann, wenn man will, alles mit allem vergleichen, auch Dresden mit Auschwitz und selbst “Islamophobie” mit Antisemitismus. Man muss dann aber auch sagen, wo der Vergleich sinnlos ist und endet. Das gilt für die Wissenschaft und für die Politik.

Klaus Faber hat die Welt gesehen – Ein schiefer Vergleich

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