Günter Traxler: Intellektuelle Kompetenz

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Als heimisches Zentralorgan eines leicht verbrämten, aber offenherzigen Antisemitismus – schließlich sollen ja auch simplere Gemüter die Botschaft verstehen – kämpft “Zur Zeit”, das Blatt des freiheitlichen EU-Spitzenkandidaten Andreas Mölzer in diesen Wochen an mehreren Fronten. Da führt der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf einen verzweifelten Abwehrkampf gegen das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, das bekanntlich die Meinungsfreiheit mit Füßen tritt, und zwar nicht irrtümlich, sondern bewußt und systematisch. Leute, die in unserem Lager viel schreiben, wie ein Professor Marinovic, sind besonders beliebte Ziele, gilt es doch, den Freiheitlichen jede intellektuelle Kompetenz abzuerkennen.

Diesen Erfolg will Graf dem DÖW nicht gönnen. Ich verspreche, gegen diese Menschenjagd weiter anzukämpfen. Ich werde mir weder vom DÖW noch von Frau Prammer eine Einladungsliste fürs Parlament diktieren lassen. Und wenn die anderen Parteien diesen Herold der Meinungsfreiheit weiter so fördern wie bisher, ist davon auszugehen, dass er sein Versprechen hält. Es gibt ja noch viele alte und Neo-Nazis, deren intellektuelle Kompetenz wertvolle Beiträge zum Thema Meinungsfreiheit erwarten ließe, also eine Einladung ins Parlament rechtfertigen würden. Denn Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter unserer demokratischen Gesellschaft, so Graf. Und ich kenne keinen besseren Ort als das Parlament, diese Freiheit auch weiterhin zu verteidigen. Weshalb niemand sie lieber beansprucht als die Glorifizierer eines Regimes, in denen das Parlament als Quatschbude geschlossen war und Meinungsfreiheit auf den größten Intellektuellen aller Zeiten beschränkt blieb.

Das DÖW hat sich völlig kritik- und willenlose Jünger geschaffen, leider auch schon in der Justiz, weshalb es zum Bedauern der Grafs nicht möglich sein wird, einen Gerd Honsik zwecks Demonstration seiner intellektuellen Kompetenz ins Parlament einzuladen, gab er doch wie auch andere Leute, die in unserem Lager viel schreiben ein besonders beliebtes Ziel der hauptberuflichen Gutmenschen ab. Das beklagt ein Martin Pfeiffer, Schriftleiter der freiheitlichen “Aula” heftig in “Zur Zeit”. Es war kein Zufall, daß der Richter den Beginn des Prozesses gegen den Dissidenten Gerd Honsik auf den 20. April legte, gilt doch der 67jährige Wiener beim Establishment als die Galionsfigur der heimischen Revisionistenszene.

Die Verklärung eines eingebildeten Privatgelehrten, der Freispruch für Hitler fordert, zum Dissidenten und der heimischen Neonazipartie zur Revisionistenszene erfordert schon einige intellektuelle Kompetenz, die allerdings dann an der Frage zuschanden wird: Warum sanktioniert ein Rechtsstaat überhaupt falsche Meinungen? Gegenfrage: Warum machen sich Freiheitliche gar so stark für ein Recht von Honsik und Konsorten, falsche Meinungen verbreiten zu dürfen, während sie die vom DÖW verbreiteten Tatsachen als Denunziation diffamieren?

Aber eines muss man “Zur Zeit”, diesem Hort intellektueller Kompetenz lassen: Man macht sich dort schwere Sorgen, wenn jemand versucht, mit der alten Walze des “Antisemitismus im braunen Österreich” ins Feld zu ziehen, bemüht, unser Land ins rechte Ecke zu rücken und als Nazihochburg zu diffamieren. Dort weiß ein Heinz Thomann zwar, was man im Lande denkt: Wovon aber jeder dritte Österreicher zu Recht überzeugt ist, ist die Tatsache, daß weltweit zu viel wirtschaftliche Macht in den Händen von Juden liegt, und deshalb sind auch beinahe 50 Prozent der Menschen davon überzeugt, daß es überwiegend Angehörige des jüdischen Volkes waren, welche die derzeitige schwere weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst haben.

Aber an wem liegt es, wenn jeder dritte Österreicher zu Recht wieder einmal glauben soll, der Jud’ ist schuld? Erraten – an Ariel Muzicant. Der mischt sich in die Angelegenheiten der österreichischen Innenpolitik, die ihn nichts, aber auch gar nichts angehen, soweit nicht jüdische Interessen nachteilig davon betroffen sind, etwas, das in Österreich seit dem unseligen Geschehen des Zweiten Weltkrieges ohnehin nie der Fall war. Mit welchem Recht also maßt sich dieser Vertreter der israelischen (sic!) Kultusgemeinde an, Anfragen an parlamentarische Abgeordnete zu richten? Eh wahr, nur wegen dem unseligen Geschehen braucht sich niemand nachteilig betroffen zu fühlen. Was ist das schon gegen die Verfolgung von Dissidenten durch das Dokumentationsarchiv?

Günter Traxler: Intellektuelle Kompetenz

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