ELISABETH KÜBLER: Ein normales Land, freundliche Menschen und ordentliche Geschäfte

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Ein deutscher Mittelständler aus dem Schwarzwald wird in seinen wirtschaftlichen Aktivitäten eingeschränkt. Dabei möchte Helmut Weisser „den Leuten gerne helfen“, in einem „Land, das bis auf einige Auswüchse ganz normal“ sei, in dem „freundliche Menschen“ leben würden, denn schließlich sind „wir dort immer gut behandelt worden“ und es ist ein „Land, in dem man auch ordentliche Geschäfte machen kann“…
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Die Firma Weisser ist ein Zulieferbetrieb für die – richtig: iranische – Automobilindustrie. Neben der globalen Finanzkrise sei nun auch die deutsche Sanktionspolitik gegen den Iran an möglichen Einbußen des Unternehmens schuld.

Deutschland als Büttel amerikanischer Sanktionspolitik und Doppelmoral? Das ARD-Magazin Panorama klärte uns Donnerstag nachts (11.12.08) auf. Die Anmoderation hätte genügt: zynische Bemerkungen zu der militärischen Lage der amerikanischen Truppen im Irak, ein Einspieler mit einfachen Hauptsätzen George W. Bushs auf Texanisch und Angela Merkels Verpflichtung einer klaren Haltung gegen das iranische Regime – interessanterweise trieb die ARD hier einen Ausschnitt der Rede Merkels in der israelischen Knesset auf, die Umrisse der israelischen Fahne waren klar zu erkennen. Zu Mahmud Ahmadinedshad fielen Anja Reschke nicht näher definierte Menschenrechtsverletzungen und das Nuklearprogramm ein, während sie den USA „Angriffsdrohungen“ gegen den Iran unterstellte.

Dabei erfuhren die mutigen ARD-ReporterInnen bei Exklusivrecherchen in der iranischen Provinz, dass Caterpillar, Coca Cola und Co. im Mullahstaat ganz dick im Geschäft seien, während sich deutsche Unternehmer, der Sprecher des Deutschen Verbandes für Maschinen- und Anlagenbau und ein Vertreter der Deutsch-Iranischen Handelskammer über den vorauseilenden Gehorsam der Kanzlerin beklagen durften. So muss sich Bernd Steiner, dessen Betrieb Verflüssigungsanlagen für die iranische Gasindustrie liefert, laut ARD-Reaktion gegen den Druck amerikanischer Medien „stemmen“, die Einblendung des Wall-Street-Journals folgte. Dann demonstrierte auch noch eine – wörtlich „proamerikanische Lobbygruppe“ vor Steiners Firmengelände; auch bei dieser Einblendung sind wiederum die Umrisse einer israelischen Flagge klar zu erkennen. Wie zu erwarten war, durfte schließlich Christoph Bertram die deutsche Bundesregierung zum Überdenken ihrer gesamten Iran-Politik auffordern.

Unterschiedliche Sichtweisen zu Wort kommen lassen? – Nein, doch nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Gründe für die Wirtschaftssanktionen herausarbeiten? – Nicht notwendig, zeigen wir lieber mit dem Finger auf die Amerikaner. Die Amerikaner – oder sind den preisgekrönten Panorama-MacherInnen vielleicht doch ein paar Ostküstenfantasien an die Oberfläche gerutscht? War der ehemalige US-amerikanische Botschafter in Berlin, John Kornblum, tatsächlich der einzig verfügbare Ansprechpartner für aktuelle amerikanische Außenpolitik? Oder waren die BeitragsgestalterInnen dankbar jemanden inklusive Interviewabbruch vor der Kamera zu haben, dessen Familiennamen bei jedem/r DurchschnittsantisemitIn auch noch gewisse Assoziationen zu verwecken mag?

Von den iranischen Vernichtungsdrohungen gegen den Staat Israel und seine BewohnerInnen war ebenso wenig zu hören wie von den massiven Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen, Homosexuelle, Bahai oder RegimegegnerInnen. Hauptsache dem deutschen Mittelstand geht es gut.

ELISABETH KÜBLER: Ein normales Land, freundliche Menschen und ordentliche Geschäfte

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