Clemens Wergin: Was in Gaza auf dem Spiel stand

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Die Heftigkeit, mit der Israel die Hamas in Gaza bekämpft, überrascht Europa. Ein Grund für das aktuelle Verhalten liegt im vergangenen Libanonkrieg.

In Europa ist man überrascht über die Heftigkeit, mit der Israel die Hamas in Gaza bekämpft. Das zeigt, dass wenige Europäer verstanden haben, in was für einer Region die Israelis leben – und dass sie nur diese eine Chance hatten, um ihr Abschreckungspotenzial wieder aufzurichten. Das hatte nämlich in den letzten Jahren so gelitten, dass die Radikalen in der Region dachten, sie könnten sich mit Israel anlegen. Von Teheran über Beirut bis Gaza haben die Extremisten sich und ihren Anhängern immer wieder erzählt, der jüdische Staat sei ein Papiertiger, der bald zusammenbrechen würde und den man in einem Abnutzungskrieg zermürben könne.

Das es so weit kam, hat mit Israels Zurückhaltung und mit dem Krieg im Libanon 2006 zu tun. Als Israel im Jahr 2000 komplett aus dem Libanon abzog, drohte der damalige Premier Ehud Barak, wer es nach der Beendigung der israelischen Besatzung wagen würde, Israels international anerkannte Grenzen zum Libanon zu verletzen, müsse mit einer furchtbaren Gegenreaktion rechnen. Als die Hisbollah im Oktober 2000 aber auf israelischem Territorium zuschlug und drei Soldaten verschleppte, ließ er sich auf Verhandlungen ein, statt seine Drohung wahr zu machen. Ähnlich gingen Ariel Scharon und seine Nachfolger nach dem Rückzug aus Gaza 2005 vor. So formte sich bei den Extremisten der Eindruck, Israel sei des Kämpfens müde und verwundbar. Der Libanonkrieg von 2006, der dieses Bild vertreiben sollte, verstärkte es noch, weil Israel seine Kriegsziele verfehlte. Und so glaubte die Hamas, Israel würde auf den Raketenhagel aus Gaza auch diesmal nicht reagieren. Ein dummer und verheerender Fehler. Denn Israel war längst zum Schluss gekommen, dass es seine Feinde nur zu immer weiter gehenden Angriffen einlädt, wenn es nicht machtvoll zurückschlägt.

Noch ist offen, wie lange eine Nachkriegsordnung in Gaza Bestand haben kann. Ein Ergebnis des Kriegs ist aber deutlich: Israels Abschreckung ist wieder hergestellt. Anders als im Libanon war die Armee sehr gut auf diesen Waffengang vorbereitet. Und die Hamas konnte ihre Drohung nicht wahr machen, Israels Soldaten in verlustreiche Fallen zu locken. Es ist unwahrscheinlich, dass Hamas, Hisbollah und die Mullahs im Iran von ihrer Israelvernichtungsideologie lassen. Aber auch Extremisten betreiben Kosten-Nutzen-Rechnungen. Deshalb macht dieser Krieg zukünftige militärische Auseinandersetzungen unwahrscheinlicher.

Clemens Wergin: Was in Gaza auf dem Spiel stand

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