Alan Posener: Überall Kollaborateure

Eine Berliner Ausstellung über die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg erhitzt die Gemüter
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http://www.welt.de/die-welt/kultur/article4451968/Ueberall-Kollaborateure.html

Es hätte alles so heimelig werden können. Berliner Antirassisten unter sich. Doch dann platzte dem eingeladenen Historiker der Kragen: Seine Erkenntnisse störten wohl nur den “sogenannten Diskurs”, polterte Historiker Götz Aly und verließ die Pressekonferenz, auf der, wie er es ausdrückte, “ein Übermaß an Gesinnungsethik” vorherrschte. Was war geschehen?

Die Berliner “Werkstatt der Kulturen”, bekannt vor allem als Organisatorin des bunten “Karnevals der Kulturen”, hatte vor einem Jahr eine Ausstellung in Auftrag gegeben, die den Beitrag der sogenannten “Kolonialvölker” zur Befreiung Europas von Faschismus und Nationalsozialismus darstellen sollte.

Gedacht war, so Werkstattleiterin Philippa Ebéné, an eine “Hommage an people of colour”, deren Opfer und Leistung in Deutschland nicht gewürdigt werde. Als aber die Ausstellungsmacher ihre Arbeit präsentierten, beschäftigten sich von 96 Tafeln auch 18 mit der weniger rühmlichen Seite der Geschichte: nämlich mit der Zusammenarbeit bestimmter “antiimperialistischer” Kräfte mit den Achsenmächten. Eine Tafel war etwa dem Großmufti von Jerusalem gewidmet, der als SS-Gruppenführer bosnische Muslime für Hitlers Holocaust rekrutierte. Das passte Ebéné nicht ins Konzept. Kurzfristig sagte sie die Ausstellung ab. Sie wird nun nicht in den Neuköllner Räumen der “Werkstatt der Kulturen” gezeigt, sondern in den “Uferhallen” im Bezirk Wedding.

Vermutlich wäre eine Ausstellung, die, wie einseitig auch immer, das von bestimmten selbst ernannten Sprechern der people of colour und der Communities (so der Sprachgebrauch dieser Leute) gewünschte Selbstbild verstärkt, in Berlin nicht weiter aufgefallen. Die Zensurmaßnahme ausgerechnet zugunsten eines arabischen Antisemiten und ausgerechnet in einer Stadt, in der die ideologischen Nachfahren des Mufti jedes Jahr den “Al-Kuds-Tag” für die Vernichtung Israels begehen, rief heftigen Protest hervor, keineswegs nur bei jüdischen Organisationen. Lorenz Maroldt etwa, Chefredakteur des “Tagesspiegels”, schrieb in einem Kommentar, wenn die “Werkstatt der Kulturen” – vielleicht unter dem Druck arabischer Organisationen oder um den linken Antizionismus nicht zu desavouieren – zur Zensur greife, sollte sie den alljährlichen bunten Umzug in “Karneval der entarteten Kultur” umbenennen. Man fragt sich als Berliner unwillkürlich: “Hamse’s nich ‘ne Nummer kleener?” Von entarteter Kultur im Zusammenhang einer schrillen, multikulturellen Feier zu reden, das hat ein Geschmäckle. Und der unterschwellige (und mancherorts gar nicht so unterschwellige) Vorwurf des Antisemitismus an die Adresse von Ebéné ist absurd. Also hatte Anetta Kahane, die (jüdische) Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus widmet und mit der “Werkstatt der Kulturen” zusammenarbeitet, zur Pressekonferenz geladen, um die Diskussion zu “versachlichen”. Die endete im Eklat.

Sehr früh wurde nämlich deutlich, dass Ebéné jeden Hinweis auf die Kollaboration der Kolonialvölker mit den Deutschen deshalb ablehnt, weil das “ihre Opfer relativieren” würde. Die als Expertin für Kolonialismus geladene Anglistin Susan Arndt empörte sich darüber, dass ihrem Sohn in der Schule eine Diskussion über “Vor- und Nachteile des Kolonialismus” zugemutet werde. Diese “Objektivierung” sei der Versuch, Schuld zu relativieren; und der Hinweis auf die Zusammenarbeit des Muftis mit Hitler etwa diene nur dem Ziel der Selbstentlastung der Deutschen. Es gehe also bei der Ablehnung der Ausstellung durch Ebéné “nicht um Zensur, sondern um Widerstand durch eine woman of colour”. Großer Jubel im kleinen Saal der Stiftung in der Linienstraße.

Da wurde es Götz Aly zu viel. Die Einseitigkeit der Ausstellung sei “antiaufklärerisch”, meinte er. Und das trotz der 18 Tafeln zur Kollaboration. So werde nicht nur verschwiegen, dass die in der Ausstellung gefeierten schwarzen Truppen der Briten und Franzosen “unfreiwillige Befreier” gewesen seien, sondern auch, dass “jedes Dorf in Südwestdeutschland von Vergewaltigungen durch schwarze Soldaten” berichten könne, die “nicht anders als die Russen” gehaust hätten.

Verschwiegen werde auch, dass “einer der größten Freunde Nazi-Deutschlands” Mahatma Gandhi gewesen sei. Und das, weil es nun einmal “gleichgerichtete Interessen” zwischen den antiimperialistischen Kämpfern und dem “Feind ihres Feindes” gegeben habe. Er habe das Gefühl, so der Autor des Standardwerks “Hitlers Volksstaat”, das zum ersten Mal die handfesten materiellen Interessen untersuchte, die viele Deutsche an den NS-Staat banden, dass mit der von Ebéné gewollten “Hommage” an die people of colour, die gegen Hitler gekämpft hätten, das “Bild vom edlen Wilden” gepflegt werde. Das sei aber eine Vereinfachung, “die wir nicht brauchen”.

Dass aber gerade diese Vereinfachung von bestimmten Kreisen gebraucht wird, das war an diesem Vormittag mit Händen zu greifen. Im Versuch, die Kolonialvölker Afrikas und Asiens zu Opfern und Helden des Weltkriegs zu stilisieren, deren Leistung von der “weißen” Gesellschaft nicht anerkannt werde, weil – wie die Anglistin Arndt meinte – bis heute der Kolonialismus nicht aufgearbeitet sei, vermischen sich Reste des “antiimperialistischen” Impetus von 68 mit dem giftigen Erbe von Edward Said, der den Europäern die Kompetenz absprach, über den Orient zu urteilen – und der die Objektivität als Ausdruck eines europäischen Herrschaftsanspruchs denunzierte.

Man ginge entschieden fehl, wenn man glaubte, diese sadomasochistische Haltung sei nur in Berlins Subkultur verbreitet.

Alan Posener: Überall Kollaborateure

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