Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten

Eine Rezension von Karl Pfeifer
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Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten
Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten. Klaus Gensicke. Published by Wissenschaftl.Buchgesell., 2007. EUR 289,90 pp.247

http://buecher.hagalil.com/sonstiges/gensicke.htm

Der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt und der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur ist zu danken, das Klaus Gensicke seine Dissertation aktualisiert und überarbeitet veröffentlichen konnte.

In seinem Vorwort schreibt Matthias Küntzel: „Gensickes Buch zwingt uns eingeschliffene Denkmuster mit Blick auf den Nahen Osten zu hinterfragen. Eines davon besagt, daß die Araber nach 1948 die harten Konsequenzen für Auschwitz hätten tragen müssen.“

Es wäre wünschenswert, wenn die Journalisten und Politiker, die diese These vertreten nach diesem Buch greifen würden, in dem Klaus Gensicke gerade auf Grund deutscher Akten den Beweis führt, dass Haj Muhammad Amin el-Husseini, seit 1921 Mufti Jerusalems, an der Ermordung der europäischen Juden beteiligt war und dass sein Antisemitismus 1948 den aussichtslosen Krieg gegen Israel mit auslöste.

Seit seiner Ernennung durch den britischen Hochkommissar Herbert Samuel 1922 zum Präsidenten des Moslemischen Oberrats und bis zu seinem Lebensende 1974 hat der Mufti einen entscheidenden – katastrophalen – Einfluss auf die Geschicke seiner Landsleute ausgeübt. „Ein Vorfall an der Klagemauer wurde vom muslimischen Oberrat unter el-Husseini derartig aufgebauscht, daß es 1929 zu heftigen Ausschreitungen kam, die ihren Höhepunkt in der Ermordung von mehr als 130 Juden in Hebron erreichten“. Derartige Ausschreitungen wiederum stärkten seine Position. Eine Taktik mit der noch in jüngster Zeit palästinensische Führer operierten.

Im April 1936 wurde der Mufti von allen arabischen (Clan)Parteien zum Präsidenten des Obersten Arabischen Komitees (AHC) ernannt, Er benützte diesen Posten in erster Linie dazu seine arabischen Gegner während der Unruhen 1936-39 auszuschalten. Im Oktober 1937 nach Auflösung des AHC durch die Briten musste der Mufti sich verstecken und aus dem Land fliehen. Diesmal überzog er und durch den von ihm ausgelösten arabischen Aufstand schwächte er sein eigenes Lager und stärkte die Position der Juden im Land, was sicher nicht seine Absicht war.

Gensicke schildert die deutsche Palästinapolitik bis 1937, die in erster Linie natürlich von den Interessen des „Dritten Reichs“ diktiert war und die vergeblichen Versuche des Muftis auf diese einen Einfluss zu üben.

Der Mufti flüchtete 1937 über den Libanon in den Irak, wo er die Pro-Achsenpolitik unterstützte und seinerseits finanziell von Deutschland unterstützt wurde. Hitler machte intern im Sommer 1939 aus seinem Rassismus kein Geheimnis: „Wir werden weiterhin die Unruhe in Fernost und in Arabien schüren. Denken wir als Herren und sehen wir in diesen Völkern bestenfalls lackierte Halbaffen, die die Knute spüren wollen.“ Zur Politik der Unruhestiftung im Irak trug der Mufti wesentlich bei.

Im Irak kam es im Frühjahr 1941 zu einer Auseinandersetzung mit den Briten, die am 1. und 2. Juni mit einem Pogrom endete, dem 179 Juden zum Opfer fielen. Eine irakische Regierungskommission nannte den Mufti als einen der Mitschuldigen für die anti-jüdischen Ausschreitungen. Über Teheran, Istanbul und Rom gelangte der Mufti im November 1941 nach Berlin, wo er bis 1945 blieb. Der Autor dokumentiert die von Antisemitismus strotzende Reden des muslimischen Geistlichen. So z.B. am 2. November 1943 im Berliner islamischen Zentralinstitut, wo er das nationalsozialistische Deutschland als Beispiel nahm, das „wusste, wie es sich von dem Unheil der Juden erretten konnte […] Es hat die Juden genau erkannt und sich entschlossen für die jüdische Gefahr eine endgültige Lösung zu finden, die ihr Unheil in der Welt beilegen wird.“

Gensicke belegt auch detailliert die Interventionen des Mufti gegen die Ausreise von jüdischen Kindern aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien nach Palästina. Zum Beispiel schlug er dem bulgarischen Außenminister vor: „Ich möchte mir erlauben, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß es sehr angebracht und zweckmäßiger wäre, die Juden an der Auswanderung aus Ihrem Land zu verhindern, und sie dorthin zu schicken, wo sie unter starker Kontrolle stehen, z.B. nach Polen. Damit entgeht man ihrer Gefahr und vollbringt eine gute, dankbare Tat dem arabischen Volke gegenüber.“

Wenn sich gerade heute in Deutschland gewisse Moslems als drangsalierte „Musels“ darstellen, dann sollte man das Kapitel über die Rolle des Muftis bei der Aufstellung einer moslemischen SS-Division beachten. Himmler schwärmte von der „weltanschaulicher Verbundenheit“ zwischen dem Nationalsozialismus und dem Islam. „Aus den Muselmanen wurden „Muselgermanen“. Die „weltanschaulich geistige Erziehung“ der muselmanischen SS-Division wurde mit dem Mufti besprochen, und es wurde mit ihm vereinbart, daß der Nationalsozialismus als völkisch bedingte deutsche Weltanschauung und der Islam als völkisch bedingte arabische Weltanschauung unter Herausstellung der gemeinsamen Feinde (Judentum, Anglo-Amerikanismus, Kommunismus, Freimaurerei, Katholizismus) gelehrt werden sollten.“

Im Kapitel „Rückkehr in den Nahen Osten“ zeigt der Autor, wie sich der Mufti bestehende Interessengegensätze der Alliierten zunutze machte und bereits 1946 schon wieder im Nahen Osten auftauchte, um dort seine für die Palästinenser so destruktive Tätigkeit fortzusetzen.

In seinem Epilog bemerkt der Autor: „Die Intellektuellen unter den Palästinensern wissen schon, daß es 1947 diesen [palästinensischen] Staat durchaus hätte geben können, aber diese Möglichkeit hat der Mufti durch seine Intransigenz verspielt.“ Gensicke zeigt die Verbindung zur Charta der Hamas auf und resümiert: „Dieser zur Tradition gewordene fanatische Extremismus bleibt so virulent wie zur Zeit des „great uprising“ (1936-1939) und stellt eine gescheiterte Politik der Kompromisslosigkeit, der Unversöhnlichkeit und des „alles oder nichts“ dar. Indem diese Politik unnachgiebig weitergeführt wird, läßt sie auch das Schicksal der Palästinenser hoffnungslos erscheinen.“

Das wissenschaftliche und lesbare Buch ist allen empfohlen, die unvoreingenommen und ohne Scheuklappen am Thema interessiert sind. Wer wissen will, wie sich der über Jahrzehnte unbestrittene Führer der palästinensischen Arabern wirklich verhalten hat, der sollte zu diesem Buch greifen.

 

Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten

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